Wie NRW dabei hilft, russisches Gas überflüssig zu machen
Stand: 05.08.2022, 17:06 Uhr
Mit flüssigem Erdgas soll die Abhängigkeit vom russischen Erdgas verringert werden. Doch bislang fehlt es an Terminals für die Transportschiffe. Hilfe kommt auch aus NRW.
Von Rainer Striewski
Wenn es um die Frage geht, wie Deutschland die Abhängigkeit von russischem Gas verringern kann, fällt immer wieder ein Begriff: LNG, also verflüssigtes Erdgas. Anders als das russische Gas gelangt es nicht per Pipeline, sondern per Schiff nach Deutschland.
Terminals mit Rohren aus NRW
Doch dazu braucht es spezielle Terminals, an die die Schiffe andocken können - von denen es in Deutschland noch kein einziges gibt. Zwei Terminals sind zumindest derzeit im Bau: eines in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein und eines in Wilhelmshaven in Niedersachsen.
NRW-Energieministerin Neubaur bei Mannesmann in Hamm
Und hier kommt auch NRW ins Spiel, denn die Rohre für die Anbindung des Terminals in Wilhelmshaven stammen von Mannesmann in Hamm. NRW-Energieministerin Mona Neubaur (Grüne) hat sich deshalb am Freitag vor Ort ein Bild von der Produktion gemacht. Insgesamt 800 Tonnen Stahlrohre werden hier hergestellt und in den Norden geliefert.
Im Winter soll das Gas fließen
"Mit Stahlrohren Made in NRW leistet das Mannesmann Line Pipe Werk nicht nur einen wichtigen Beitrag für den schnellen Bau des LNG-Terminals in Wilhelmshaven, sondern auch für die Gasversorgungssicherheit in ganz Deutschland", erklärte Mona Neubaur bei ihrem Besuch.
Nach dem Planfeststellungsbeschluss für die Pipeline können die bis zu 18 Meter langen und je neun Tonnen schweren Rohre ab Ende August verlegt werden. Sie sollen von Wilhelmshaven in die Nähe des Gasspeichers Etzel, südwestlich von Wilhelmshaven, führen und damit das Terminal an das bestehende deutsche Gasleitungsnetz anbinden.
"Wir freuen uns auf die Inbetriebnahme im Winter 2022 / 2023", betonte Holger Kreetz von Uniper, der Betreiberin des LNG-Terminals. Dabei lobte er ausdrücklich den "pragmatischen Beitrag vom Land NRW". Dadurch und durch eine gute Vorplanung hätte die sonst übliche Bauzeit von fünf bis sechs Jahren auf zehn Monate verkürzt werden können.
Was ist eigentlich LNG?
Die Abkürzung LNG steht für "Liquified Natural Gas", also verflüssigtes Erdgas. Dabei wird das Gas auf minus 161 bis 164 Grad Celsius gekühlt, wodurch sich das Volumen um das 600-fache verringert. So lässt sich das Gas in Tanks transportieren und lagern.
Wo und wann sind LNG-Terminals in Deutschland geplant?
Bis Jahresende soll in Wilhelmshaven ein schwimmendes LNG-Terminal ans Netz gehen, ein weiteres in Brunsbüttel. Zwei weitere Terminals sollen in Stade an der Elbe und in Lubmin an der Ostsee entstehen. In Lubmin ist zudem bis Ende 2022 ein weiteres, fünftes Flüssigerdgas-Terminal durch ein privates Konsortium geplant. In den Terminals wird das Flüssiggas wieder in den gasförmigen Zustand verwandelt und dann in das Gasleitungsnetz eingespeist.
Wie weit sind die anderen europäischen Länder?
Allein sieben von 26 EU-Terminals für Flüssigerdgas stehen in Spanien und Portugal, das größte Europas ist in Barcelona. Weitere Terminals stehen unter anderem im niederländischen Rotterdam und im belgischen Zeebrugge, in Dünkirchen (Frankreich), im polnischen Swinemünde, in Großbritannien, Griechenland, Italien oder auch Litauen.
Nach Angaben des Verbandes Gas Infrastructure Europe (GIE) hatten alle an diesen Standorten in Betrieb befindlichen Anlagen im April 2022 eine Kapazität von 251,83 Mrd. m³ pro Jahr. Deutschland konnte und kann noch keine Kapazität vorweisen, plant demnach aber Anlagen für bis zu 32,20 Mrd. m³ pro Jahr.
Wird die geplante Kapazität in Deutschland ausreichen?
Der Ökonom Andreas Löschel hält das für möglich. Mit den in Deutschland geplanten Terminals könnten wir uns "wahrscheinlich weitgehend vom russischen Gas unabhängig machen", meint Löschel, der an der Ruhr-Universität Bochum Umwelt- und Ressourcenökonomik lehrt. Insgesamt werde das zwar etwas teurer sein als das russische Pipeline-Gas. "Aber es wird bedeutend günstiger sein als die Gaspreise, die wir heute in dieser Krisensituation sehen", mutmaßt er.
Welche Kritik gibt es an den Terminals?
Die Sicherung der Energieversorgung dürfe nicht zu Lasten geschützter Lebensräume und Arten erfolgen, kritisieren Umweltverbände. Der Bau des Terminals in Wilhelmshaven etwa erfolge mitten im Weltnaturerbe Wattenmeer "und damit in einem der wichtigsten und sensibelsten Ökosysteme der Welt, welches ohnehin schon stark belastet wird", erklärte Michael Rode vom BUND.