Flüchtlinge von hinten fotografiert

"Im Dauermodus": Wie NRW-Kommunen auf den Asylgipfel blicken

Stand: 06.03.2024, 13:23 Uhr

Kanzler Scholz traf sich erneut mit den Ministerpräsidenten, um über Flucht und Migration zu reden. Die Forderungsliste der Kommunen ist lang. Der Bürgermeister einer kleinen NRW-Gemeinde hat wenig Erwartungen an das Treffen.

Von Martin TeiglerMartin Teigeler

Vor dem Bund-Länder-Treffen zu Flucht und Migration forderten die Kommunen von allen Beteiligten Bewegung. "Die Länder müssen deutlich mehr Plätze in Landeseinrichtungen schaffen und auch der Bund muss eigene Unterbringungskapazitäten zur Erstaufnahme aufbauen", sagt der Präsident des Deutschen Städtetags und Oberbürgermeister von Münster, Markus Lewe (CDU).

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschefs der Länder wollen an diesem Mittwoch über Migrations- und Asylpolitik beraten. Dabei geht es unter anderem um Finanzen und Arbeitsaufnahme. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erneuerte vor dem Treffen die Forderung, der Bund müsse bereits getroffene Vereinbarungen umsetzen.

Kommunen fordern Geld von Bund und Ländern

Städtetagspräsident Lewe kritisiert: "Die aktuelle Pro-Kopf-Pauschale von 7.500 Euro reicht nicht aus, um die Aufwendungen zu decken." Insbesondere für die Integration der Flüchtlinge müsse der Bund noch einmal nachlegen.

Lewe: "Und die Länder müssen die Bundesmittel möglichst eins zu eins an die Kommunen weitergeben. Das ist nicht in allen Ländern der Fall. Außerdem sollte der Bund die Kosten der Unterkunft für Geflüchtete wieder vollständig übernehmen. Das entlastet die Kommunen zielgenau und hat sich in der Vergangenheit bewährt." Die Kommunen in NRW müssen auf jeden Euro schauen. Der Schuldenstand liegt aktuell bei 60 Milliarden Euro.

Die aktuelle Debatte um eine Arbeitspflicht für Asylbewerber sollte versachlicht werden, fordert Lewe. Den Kommunen sei wichtig, dass Asylbewerber, die den Städten zugewiesen werden, sofort arbeiten dürfen – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. "Das ist heute noch nicht der Fall." Tatsächlich entlastet würden die Städte nämlich dann, wenn Geflüchtete eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen. Das sorge auch für bessere Integration, so Lewe.

Viele Kommunen seien "in einer Ausnahmesituation", sagte Christof Sommer, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds NRW im WDR-Hörfunk. Es gehe auch "um Geld". Da müsse mehr kommen. Hinzu kämen Integrationsaufgaben in Kitas, Schulen und Sprachkursen. Vom Land forderte er höhere Fördersätze laut Flüchtlingsaufnahmegesetz, vom Bund unter anderem schnellere Rückführungen abgelehnter Asylbewerber.

Bürgermeister: Keine hohen Erwartungen

Franz Josef Weilinghoff

Franz-Josef Weilinghoff ist Bürgermeister von Heek

Franz-Josef Weilinghoff ist Bürgermeister der 8.000-Einwohner-Gemeinde Heek im Münsterland. "Wir befinden uns eher im Dauermodus als in der akuten Mangelverwaltung", berichtet der parteilose Kommunalpolitiker über die aktuelle Lage. "Die Unterbringung der etwa 400 Geflüchteten haben wir bei uns ganz gut gelöst, meist in dezentralen kleineren Einfamilienbehausungen. Wir planen vier weitere Unterkünfte für jeweils 40-45 Personen."

An die Ministerpräsidentenkonferenz und das Treffen mit dem Kanzler habe er keine hohen Erwartungen: "Dass wir eine auskömmliche Finanzierung brauchen, ist den handelnden Politikern ja bekannt. Aber dass da in Berlin heute irgendwelche Knoten durchschlagen werden, damit rechne ich nicht." Heek hatte 2022 eine Pro-Kopf-Verschuldung von 989 Euro - ein Wert deutlich unter dem NRW-Durchschnitt von 4.600 Euro.

Abnutzungserscheinungen bei Helfern

Weilinghoff: "Wir befinden uns als Gesellschaft in einer Lage, in der wir aufgrund der demografischen Entwicklung ja Migration brauchen. Aber das unkoordinierte Einwandern geht nicht. Das zu regeln, wird aber kaum auf einer Ministerpräsidentenkonferenz gelingen, sondern muss auf EU-Ebene gelöst werden."

Migration – wie könnte ein Kompromiss aussehen?

WDR 5 Neugier genügt - Freifläche 01.03.2024 10:43 Min. Verfügbar bis 01.03.2025 WDR 5


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Was dem Bürgermeister Sorgen macht: "Man muss ganz ehrlich sagen, dass seit einiger Zeit Abnutzungserscheinungen bei der Hilfe für Flüchtlinge eintreten. 2015/16 haben wir noch viele freiwillige Helfer gehabt und auch 2022 gab es für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine eine Welle der Hilfsbereitschaft." Doch mittlerweile seien viele Helfer müde und die Solidarität lasse nach. "Das ist ein Problem."