04.06.2021, Nordrhein-Westfalen, Aachen: Der ehemalige Bundesligaprofi Deniz Naki (M) steht im Landgericht hinter der Anklagebank. Vor dem Landgericht Aachen hat am Freitag ein Prozess gegen Naki wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung begonnen.

Haftentlassung wegen Richter-Urlaub: Fall Naki im Landtag

Stand: 17.05.2023, 15:38 Uhr

Ein angeklagter Ex-Fußballer wurde aus der U-Haft entlassen, weil die Richter Urlaubspläne haben. Ein schräger Fall, doch das Justizministerium blieb dazu im Rechtsausschuss des Landtags schmallippig.

Von Martin TeiglerMartin Teigeler

"Eine Bewertung steht mir nicht zu", sagte Justiz-Staatssekretärin Daniela Brückner (Grüne) am Mittwoch im Rechtsausschuss des Düsseldorfer Landtags unter Verweis auf die richterliche Unabhängigkeit. NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) nahm nicht teil, ließ sich entschuldigen.

Anlass für die Debatte im Ausschuss war folgender Fall: Fast zwei Jahre nach Prozessbeginn am Aachener Landgericht war der Untersuchungshaftbefehl gegen den angeklagten früheren Profi-Fußballer Deniz Naki aufgehoben worden. Das bestätigte ein Gerichtssprecher am Montag in Aachen.

Außergewöhnlich langes Verfahren

Naki soll laut Anklage einer der Rädelsführer einer Ortsgruppe der kriminellen Vereinigung Bahoz gewesen sein. Einige der Tatvorwürfe: Erpressung, Drogenhandel, gefährliche Körperverletzung. Er saß fast drei Jahre in Untersuchungshaft. Das Verfahren dauert bereits fast 130 Prozesstage.

Drei Richter, zwei Schöffen und der Sommerurlaub

Zur Aufhebung des Haftbefehls erklärte das Gericht, die Untersuchungshaft Nakis dauere schon fast drei Jahre und sei "nicht mehr verhältnismäßig". In der mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzten 10. großen Strafkammer stünden Urlaube und private Termine an. Ein weiterer Grund: Bei der Polizei gingen die Verschriftlichung und Übersetzung von 71 Mitschnitten aus der Telefonüberwachung verloren. Nach Angaben der Staatssekretärin müssen die Mitschnitte nun erneut ins Deutsche übersetzt werden.

Die AfD hatte die aktuelle Viertelstunde zu dem Thema im Rechtsausschuss beantragt. Laut NRW-Justizministerium darf gemäß Strafprozessordnung eine Hauptverhandlung grundsätzlich bis zu drei Wochen unterbrochen werden - hat die Verhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden auch bis zu einem Monat. Eine komplette Sommerpause aber darf nicht pausiert werden.

Fall Naki: Justizskandal oder Routine?

WDR 5 Westblick - aktuell 17.05.2023 04:55 Min. Verfügbar bis 16.05.2024 WDR 5


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Anwalt: "Interne Verwerfungen"

Strafverteidiger Udo Vetter (rechts im Bild)

Strafverteidiger Udo Vetter (rechts im Bild)

Der Strafverteidiger Udo Vetter sieht die Aachener Vorgänge als "krassen Ausnahmefall". Das deute schon auf "interne Verwerfungen" im Gericht hin. Bei der Koordinierung der Urlaubspläne hätte der Vorsitzende der Strafkammer ein "Machtwort" sprechen müssen. In Haftsachen müsse normalerweise mindestens an zwei Tagen in der Woche verhandelt werden, um dem Beschleunigungsgebot zu genügen.

Insgesamt beobachtet Vetter bei Haftsachen vor Gericht in den letzten Jahren aber eine gewisse Entspannung. Lange Verfahren seien seltener geworden, berichtet der Rechtsanwalt. Es gebe jedoch große Unterschiede zwischen Kammern, wie zügig oder langsam die Terminplanung organisiert werde.

Vom Deutschen Richterbund in NRW gab es keinen Kommentar zum Aachener Fall: "Leider können wir uns als Berufsverband der Richter und Staatsanwälte in NRW zu diesem konkreten Einzelfall nicht äußern. Wir kennen die Fakten nicht ausreichend." Laut NRW-Justizministerium dauerten Strafprozesse bis zur ersten Instanz in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2022 im Schnitt 8,4 Monate. Ein leichter Anstieg gegenüber 2021 (7,9 Monate).

Und der aus der U-Haft entlassene Angeklagte Naki? Der ist nach Angaben der Staatssekretärin zum Prozesstermin an diesem Mittwoch erschienen.

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