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Was hilft gegen islamistische Radikalisierung von Jugendlichen?

Stand: 09.10.2024, 13:16 Uhr

Ein 15-Jähriger aus Wuppertal hatte mutmaßlich Anschlagspläne. Der Landtag debattierte über islamistische Radikalisierungen.

Von Sabine Tenta

Auf Antrag der FDP hat sich der nordrhein-westfälische Landtag am Mittwoch mit der islamistischen Radikalisierung von Jugendlichen befasst. Anlass war die Festnahme eines 15-Jährigen aus Wuppertal. Er wird verdächtigt, Anschlagspläne gegen Jüdinnen und Juden verfolgt zu haben.

Marc Lürbke (FDP) sagte zum Auftakt der Debatte, der Fall des Jugendlichen sei kein Einzelfall. Über Social Media hätten die Extremisten online "einen Draht in unsere Kinder- und Jugendzimmer". Darum forderte er, "den TikTok-Dschihadisten den Stecker" zu ziehen. Null Toleranz und Prävention seien nötig, der Rechtsstaat müsse sich wehren.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) forderte der FDP-Politiker Lürbke konkret auf, drei Dinge umzusetzen: Radikale Moscheen zu schließen, die Prävention auszubauen und Gefährder zurückzuführen. Dass es aktuell 34 ausreisepflichtige Gefährder in NRW gibt, ist für Lürbke ein Beleg des Versagens der Landesregierung.

CDU und Grüne zu Abschiebungen

CDU und Grüne griffen den Vorwurf der Untätigkeit bei Abschiebungen auf: Gregor Golland (CDU) sagte, es seien bundesgesetzliche Regelungen, die eine Abschiebung blockierten. Zudem habe das Verwaltungsgericht Bonn eine geplante Abschiebung verhindert. Zu diesem konkreten Fall sagte Julia Höller (Grüne): Ob eine Abschiebung möglich ist, würden nicht die Abgeordneten entscheiden, sondern Gerichte, "das nennen wir Rechtsstaat".

Höller nannte es populistisch, dass die FDP in ihrem Antrag zur Debatte die Themen Prävention und Abschiebungen verknüpft. "Beides hat nichts miteinander zu tun", so Höller. Der Großteil der Islamisten sei in Deutschland geboren und würde sich hier radikalisieren. "Eine umfassende Arbeitsmarkt-Integration ist die beste Prävention", meinte Höller.

Offene Frage der Finanzierung der Präventionsarbeit

Beide regierungstragenden Fraktionen verwiesen immer wieder auf das nach dem Anschlag von Solingen vom Kabinett beschlossene Maßnahmen-Paket zu Sicherheit, Migration und Prävention. Die SPD-Abgeordnete Christina Kampmann stellte jedoch fest, das Paket sei noch nicht "ausfinanziert". Das passe nicht zu den Kürzungsplänen im Haushaltsentwurf der Landesregierung für das kommende Jahr. Marc Lürbke bezeichnete die geplanten Kürzungen beim Verfassungsschutz des Landes als "politisch falsch und unverantwortlich".

Debatte um die Wirksamkeit von "Wegweiser"

Etwas überraschend war, dass Lürbke auch die Wirksamkeit des Präventionsprogramms "Wegweiser" infrage stellte. Das Präventionsprogramm gegen islamistischen Extremismus war 2014 vom damaligen NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) ins Leben gerufen worden. Die CDU-FDP-Regierung unter Ministerpräsident Laschet hatte das Programm ebenso weitergeführt wie die aktuelle Landesregierung aus CDU und Grünen.

Herbert Reul steht am Rednerpult des Landtags

Herbert Reul

Dass CDU und Grüne im kommenden Jahr bei der Unterstützung für "Wegweiser" kürzen wollen, kritisierte Christina Kampmann (SPD): "Mehr Verlogenheit geht eigentlich gar nicht." Innenminister Herbert Reul (CDU) verteidigte die Kürzungen und erklärte sie damit, dass das Präventionsprogramm nun verstärkt online agiere. Wichtig sei nicht nur das Geld, sondern auch die Konzepte. Insbesondere online finde die Radikalisierung statt, erklärte Reul. Er nannte das Internet eine "Metropole mit vielen schattigen Plätzen" und entsprechend schwer sei es, alles mitzubekommen.

AfD bemängelt fehlende Abschiebungen

Die AfD-Abgeordnete Enxhi Seli-Zacharias sagte, der Fall des 15-jährigen Wuppertalers sei "kein Einzelfall", sondern man habe es mit einer "äußerst resilienten Terror-Struktur" zu tun. Die bestehende Anti-Terror-Strategie der Landesregierung müsse angepasst werden. Seli-Zacharias beklagte "täterfreundliche Strafen und fehlende Abschiebungen" und empfahl der Landesregierung, beim israelischen Geheimdienst Mossad Rat einzuholen.

Andreas Bialas (SPD) erinnerte an Tat in Essen

Während sich alle Rednerinnen und Redner zuvor auf den Anschlag von Solingen und den inhaftierten Jugendlichen aus Wuppertal bezogen, weitete der SPD-Abgeordnete Andreas Bialas die Debatte und erinnerte an den Brandanschlag in Essen mit zahlreichen Verletzten.

"Essen, ein Fall, scheinbar nur ein erweiterter Femizid, der beunruhigt uns nicht so sehr. Der Staat wackelt ja nur, wenn jemand 'Gott ist groß' schreit." Aber der Staat wackele auch dann, wenn nicht die Sicherheit aller Menschen garantiert würde. "Essen war auch ein Angriff auf uns alle. Das habe ich nur leider nicht laut vernehmen können." Bialas dankte "den mutigen Helden in Essen", die selbstlos Hilfe leisteten, es seien übrigens Migranten.

Einig waren sich alle Fraktionen in ihrem Dank an die Sicherheitsbehörden, die dazu beitrugen, dass der mutmaßliche Attentäter aus Wuppertal entdeckt und verhaftet werden konnte.

Über dieses Thema berichten wir am Mittwoch auch in der WDR-5-Sendung Westblick ab 17.04 Uhr.

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