Kommentar zum Vorlesungsstart: Mehr Debatte über die Lehre, bitte!

Stand: 10.10.2022, 14:49 Uhr

Zum Vorlesungsstart an den Universitäten geht es mehr um Corona und Energiekrise als um Lehre. Das ist für die politischen Hochschulziele nicht gut.

Von Christoph Ullrich Christoph Ullrich

Die Schwarz-Grüne Landesregierung hat mit den Hochschulen viel vor, die Ziele im Koalitionsvertrag sind ambitioniert. Bei der Künstlichen Intelligenz will man Vorreiter sein, man möchte neben Bonn und Aachen noch eine weitere Uni mit Exzellenzstatus ergattern und bei Nachhaltigkeits-, Umwelt- wie Verkehrsfragen sollen die Hochschulen des Landes wichtige Antworten liefern. Hinzu kommen die Unikliniken, ihnen fällt eine entscheidende Rolle beim Gesundheitsschutz zu. 

Es geht um mehr als Präsenzlehre

Aber genau deshalb ist die hochschulpolitische Debatte der letzten Jahre befremdlich. Vor diesem Wintersemester fiel die Abstinenz einer Debatte um Lehrinhalte doch sehr auf. Klar: Corona war für die Hochschulen eine Herausforderung. Die Sorgen vor ewiger Digitallehre und dem Zusammenbruch des Campus-Lebens waren berechtigt. Auch wegen der Energiekrise gibt es Warnungen vor zu kalten und daher geschlossenen Hörsälen.

Aber: Diese Debatten überlagern viel. Kaum jemandem ist zum Beispiel der Ernst der Lage in den technischen Berufen klar. Dort sinkt die Zahl der Studierenden wahrnehmbar. Weil - so vermutete es unlängst ein Hochschulrektor - immer noch zu wenig Frauen ein entsprechendes Studium anfingen. Hier müsse dringend nachgesteuert werden, da reichten keine spielerischen Girls-Days einmal im Jahr, so der Hochschulvertreter. 

Absurde Befristungsquoten an den Hochschulen

Und auch in der Belegschaft knirscht es noch immer. Die Befristungsquoten liegen absurd über dem, was in der restlichen Arbeitswelt üblich ist. Trotz Absichtserklärungen von Bund und Land ist immer noch nicht genug passiert, um dem akademischen Mittelbau eine Perspektive an den Hochschulen zu bieten. Das fördert Frust und geht zu Lasten der Lehre.

Wir müssen uns deshalb politisch dringend die Frage stellen, welche Hochschullandschaft wir eigentlich wollen? Geht es um einen gesellschaftlichen Fortschrittsmotor, dann haben wir in den letzten Jahren viel Zeit verloren und wir sollten endlich damit anfangen, deutlicher über Lehre, Forschung und deren Organisation wie Finanzierung zu reden, statt über kalte Hörsäle.

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