Die Eskalation hatte sich angebahnt. Auf der einen Seite steht die Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln mit ihrer streitbaren Präsidentin Nicole Grünewald. Auf der anderen Seite stehen sechs Industrie- und Handelskammern aus dem rheinischen Gebiet, die offenbar die Nase voll haben vom Auftreten ihrer Kölner Nachbar-IHK.
Öffentlich sichtbar wurde der Konflikt im Mai 2023, als die IHK Köln als einzige medienwirksam verkündete, den neuen Reviervertrag nicht zu unterschreiben, eine Initiative der NRW-Landesregierung, mit der Vertreter des rheinischen Braunkohlereviers sich zum Kohleausstieg 2030 bekennen sollten.
Offener Konflikt mit der Politik
Nicht nur die Führung der IHK Köln hat Zweifel am vorgezogenen Ausstieg. Doch während die anderen versucht haben, hinter den Kulissen Einfluss auf die Politik zu nehmen, suchte die Kölner Präsidentin Grünewald den offenen Konflikt.
"Wir glauben, dass die Gefährdung des Industriestandorts NRW so dramatisch ist, dass man jetzt nicht mehr mit freundlichen Gesprächen und warmen Worten Politik bewegen kann", gibt ihr der Hauptgeschäftsführer der IHK Köln, Uwe Vetterlein, Recht. Die Interessen der Unternehmen müssten auch aus seiner Sicht deutlicher und lauter vorgetragen werden.
IHK Köln sei "unsolidarisch"
In den Kammern in Bonn, Aachen, am Niederrhein, in Düsseldorf, in Duisburg und im Bergischen Land nimmt man das Auftreten der Kölner IHK dagegen als "unsolidarisch" wahr.
In einem Brief, aus dem zuerst der Kölner Stadtanzeiger zitiert hatte, warfen die Führungen der sechs anderen Kammern Grünewald im September vor, ein "Verhalten zur Schau" zu tragen, das vor allem auf die öffentliche Wirkung ausgerichtet sei.
Grünewald lehnt Rücktritt ab - und tritt mit IHK Köln ganz aus
Aus den Kreisen dieser sechs IHKen heißt es dazu, dass Grünewald sie regelmäßig auch durch ihren Umgangston vor den Kopf gestoßen habe. Anstatt mit anderen eine gemeinsame Lösung zu suchen, stelle sie sie immer wieder vor vollendete Tatsachen.
Ende Oktober forderten dann alle sechs den Rücktritt Grünewalds aus dem Vorstand des Landesverbands IHK NRW. Dies lehnte Grünewald nicht nur ab, sondern sorgte dafür, dass die IHK Köln den Landesverband gleich ganz verlässt. Der Austritt ist bereits eingereicht.
Einfluss auf die Landespolitik "direkter" ausüben
"Wir haben in den letzten zwei Jahren immer versucht, im Konsens die anderen zu überzeugen, dass wir offensiver, schneller und agiler werden müssen", sagt der Kölner Hauptgeschäftsführer Vetterlein, "doch das ist uns nicht gelungen. Die anderen wollen an tradierten Prozessen und Konsensorientierung festhalten".
Mit dem Geld, das die IHK Köln durch Austritt aus dem Verband spart, wolle man jetzt direkter Einfluss auf die Landespolitik ausüben, "um besser für die Interessen unserer Unternehmen eintreten zu können".
"Tür zur Rückkehr" für Kölner IHK offen
Der Landesverband IHK NRW äußerte sich auf Anfrage schriftlich. Man sei "zu unterschiedlichen, inhaltlichen Auffassungen hinsichtlich der Art und Weise der politischen Zusammenarbeit" gekommen. Trotzdem bedauere man den Austritt der Kölner IHK. Die Tür für eine Rückkehr stehe offen.
Ob es dazu kommt, dürfte vor allem davon abhängen, ob die Präsidentin der Kölner IHK die Rückendeckung ihrer Mitgliedsunternehmen bekommt. Mitte November soll es dort eine Sondervollversammlung geben.