Kaum war der Grünen-Politiker Oliver Krischer als Verkehrsminister von NRW vereidigt, da übernahm er turnusmäßig auch den Vorsitz der Verkehrsministerkonferenz der Länder. Versprochen hat er in diesem doppelten Amt nicht weniger als die Verkehrswende. Konkret: mehr Tempo bei der Sanierung von maroden Brücken und kaputten Landesstraßen, sowie eine bessere Anbindung ländlicher Regionen. Was ist daraus bisher geworden?
Kommunen warten auf Schnellbusse
Ein großes Versprechen des Verkehrsministers: Schnellbusse. Damit sollen kleinere Städte auf dem Land, die keine Schienenanbindung haben, an NRWs Großstädte angeschlossen werden. Doch beispielsweise in Remscheid wartet man noch immer auf so einen Schnellbus. Dabei dauert die Fahrt von dort nach Köln, also in die nächste Großstadt, aktuell fast zwei Stunden. Mit dem Schnellbus könnte man doppelt so schnell sein. “Das war unsere große Hoffnung.“, bestätigt Frank vom Scheidt. Er ist grüner Ratsherr der Stadt Remscheid und hatte den finanziellen Beitrag der Kommune für den Schnellbus gesichert. Doch vom Land wird in diesem Jahr erstmal kein Geld für das Projekt kommen. Frank vom Scheidt ist von seinem Parteifreund im Verkehrsministerium enttäuscht: „Ich habe ich mich auch persönlich dafür stark gemacht und hatte auf den grünen Verkehrsminister gesetzt – insofern ist schon eine gewisse Enttäuschung da.“
Auf WDR-Anfrage teilt das Ministerium mit, dass man derzeit an einem Konzept zum weiteren Ausbau des Schnellbusnetzes arbeite.
Für Frank vom Scheidt könnte das zu spät sein. Ob er in den kommenden Jahren noch einmal Geld von der ohnehin klammen Kommune für einen Schnellbus beschaffen kann, ist unklar.
2023 fiel jeder siebte Zug aus
Auch auf der Schiene scheint es nicht recht voranzugehen. Laut Koalitionsvertrag sollte das Angebot im ÖPNV um 60 Prozent erhöht werden, S-Bahnen auf den Hauptachsen bis 2030 im 15-Minuten-Takt fahren. Doch die Zahl der ausgefallenen Kilometer Zugstrecke in NRW ist auf Rekordhoch. Rund 16 Millionen Kilometer Strecke konnten im letzten Jahr nicht gefahren werden. Bei den Regionalzügen und S-Bahnen fiel im letzten Jahr jeder siebte Zug aus. Lothar Ebbers, Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn in NRW, wirbt seit Jahrzehnten für die Schiene und muss zugeben: „Eine solch unkalkulierbare Situation auf der Schiene habe ich in 60 Jahren Bahnfahren noch nicht erlebt.“
Der Minister sieht als Hauptursache dafür den Fachkräftemangel. Es fehle an Menschen, die Züge fahren, die Gleise betreuen und das System steuern würden. "Da packen wir jetzt die Sachen an.", verspricht Krischer im Westpol-Interview. Gemeint ist damit vor allem seine Fachkräfteoffensive bei Lokführern.
Wenig neue Initiativen im ÖPNV
Oliver Krischer (B‘90/Grüne), Verkehrsminister NRW
Und immerhin konnte der grüne Politiker als Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz das Deutschlandticket durchsetzen. Doch den Kampf um den Preis von 49 Euro hat er gegen Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) vorerst verloren. Das Ticket soll ab dem kommenden Jahr 58 Euro kosten, die Finanzierung ab 2026 ist sogar ganz unklar.
Schweres Erbe
Allerdings: Die Probleme bei der Bahn sind nicht allein dem jetzigen Verkehrsminister zuzuschreiben. Jahrzehnte lang wurde zu wenig saniert und investiert. Lothar Ebbers hätte von einem grünen Verkehrsminister trotzdem mehr Einsatz erwartet: “Ich habe wenig neue Initiativen gehört. In vielen Bereichen ist es ein Status Quo – und das reicht nicht, um mit der Verkehrswende voranzukommen.“ Aktuell könne man viele Pendler nicht davon überzeugen, vom Auto auf die Bahn umzusteigen.
ADAC kritisiert: keine hohe Priorität auf Verkehrsprojekten
Und das macht sich auf den Straßen bemerkbar. 144.000 Stunden Stau gab es im vorigen Jahr in NRW, fast so viele wie vor der Corona-Pandemie. Der ADAC kritisiert, Krischers Ministerium plane zu wenig und zu langsam: “Da ist Stillstand gewesen. Das zeigt schon, dass der Landesminister oder das Landesministerium da keine hohe Priorität draufgesetzt hat, Verkehrsprojekte voranzubringen.”, so Roman Suthold vom ADAC Nordrhein.
Tatsächlich gibt der Minister im Westpol-Interview unumwunden zu: "Ich will da gar nichts schön reden. Wir haben eine Verkehrssituation, das gilt für die Straße wie für die Schiene, da holt uns ein, dass wir über Jahrzehnte zu wenig in die Erhaltung investiert haben." Deshalb investiere das Land nun 220 Millionen Euro in die Sanierung - zuerst seien die Brücken dran. Jedes Jahr sollen mindestens 40 von ihnen repariert oder erneuert werden.