Symbolfoto: Eine Grundschullehrerin sitzt verzweifelt vor ihrer Klasse

Schulleiter beklagen Gewalt gegen Lehrkräfte

Stand: 11.11.2022, 10:30 Uhr

Gewalt gegen Lehrkräfte kommt an vielen Schulen vor - und sie nimmt zu. Das geht aus einer aktuellen Umfrage hervor. Viele Schulleitungen halten dies für ein Tabu-Thema.

Von Rainer StriewskiRainer Striewski

Immer mehr Aufgaben, wenig Zeit und auch zunehmende Gewalt von Schülern und auch Eltern: Schulleitungen sind mit ihrem Job oft unzufrieden. Das geht aus einer aktuellen Umfrage hervor, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa anlässlich des diesjährigen Schulleiterkongresses (DSLK) in Düsseldorf durchgeführt hat.

Hatte 2019 noch ein hoher Anteil von 96 Prozent eher oder sehr gern eine Schule geleitet, sind es heute nur noch 79 Prozent. Ein besonderes Augenmerk legte die repräsentative Umfrage auf das Thema Gewalt gegen Lehrkräfte. "Gewalt gegen Lehrkräfte und Schulleitungen ist an der Tagesordnung und wird seit dem Beginn der Coronapandemie zu einem immer größeren Problem in den Schulen", erklärt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE).

Lehrkräfte bedroht oder körperlich angegriffen

Fast zwei Drittel der befragten Schulleitungen meldeten zurück, dass es innerhalb der letzten fünf Jahre Fälle psychischer Gewalt, beispielsweise in Form von Beleidigungen, Bedrohungen oder Belästigungen an ihrer Schule gegeben hätte. An jeder dritten Schule kam es demnach zu Gewaltvorfällen, bei denen Lehrkräfte über das Internet diffamiert oder bedroht wurden - oder bei denen Lehrkräfte sogar körperlich angegriffen wurden.

Zu körperlichen Angriffen kam es demnach überdurchschnittlich häufig an Förder- und Sonderschulen. Vorfälle von Mobbing über das Internet sind hingegen an Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie an Gymnasien überdurchschnittlich häufig vorgekommen.

Zunahme seit Coronapandemie

"Der Schutz der Lehrkräfte muss dringend auf die politische Agenda", fordert deshalb VBE-Vorsitzender Beckmann. "Rechnet man die Prozentangaben auf die Grundgesamtheit der allgemeinbildenden Schulen hoch, bedeutet das, dass es in den letzten fünf Jahren an fast 20.000 Schulen zu psychischer und an jeweils gut 10.000 Schulen zu Cyber-Mobbing oder körperlicher Gewalt kam."

Fast die Hälfte der Befragten (49 %) gab an, dass die Anzahl der Fälle seit Beginn der Coronapandemie stark zugenommen habe.

Auch Eltern üben Gewalt aus

Wenn es um psychische Gewalt ging, wurde diese sehr häufig von Eltern (77 %) oder Schülerinnen und Schülern (70 %) ausgeübt. Physische Gewalt ging hingegen zu 97 Prozent von Schülerinnen und Schülern aus und nur zu 8 Prozent von Eltern.

Tabu-Thema in Deutschland?

Meinte vor zwei Jahren noch die Hälfte der Schulleitungen, dass mit dem Thema Gewalt gegen Lehrkräfte weitgehend offen umgegangen würde, hat sich dies nun geändert. Nur noch etwa ein Drittel der befragten Schulleitungen (32 %) sind der Ansicht, dass damit offen umgegangen wird. Fast die Hälfte aller Schulleitungen (49 %) hält dies eher für ein Tabu-Thema.

"Angesichts der Bedingungen, unter denen Schulleitungen heute arbeiten müssen, ist es wenig verwunderlich, wenn die Hälfte der Befragten zurückmeldet, dass sie den Beruf der Schulleitung wahrscheinlich nicht oder auf gar keinen Fall weiterempfehlen würden", betont VBE-Vorsitzender Udo Beckmann. "Politik muss Schulleitungen und Lehrkräften endlich die Rahmenbedingungen liefern, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben brauchen."

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