Zwei Männer in Schutzkleidung justieren einen Tiefenbohrer.

Wärme mit Tiefgang - NRW will Geothermie fördern

Stand: 08.04.2024, 17:14 Uhr

NRW will die Erdwärme ausbauen, bis 2045 soll sie 20 Prozent der Energieversorgung ausmachen. NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur präsentierte Förderinstrumente.

Von Sabine TentaSabine Tenta

Wenn ein politisches Vorhaben als Schwergewicht daherkommen soll, dann geht es nicht schlicht um Programme oder Projekte, sondern um Masterpläne. Am Montag stellte Landeswirtschafts- und Energieministerin Mona Neubaur (Grüne) ihren "Masterplan Geothermie NRW" vor.

Bis 2045 sollen "bis zu 20 Prozent des Wärmebedarfs klimaneutral mit Erdwärme" gedeckt werden. Als erstes Bundesland, so Neubaur, lege NRW eine umfassende Strategie zur Erschließung der Erdwärme vor.

"Unter unseren Füßen liegt ein Schatz – eine unerschöpfliche und klimaneutrale Energiequelle, die wir heute noch zu wenig nutzen." Mona Neubaur, NRW-Wirtschaftsministerin

Starthilfe vom Land bei Probebohrungen

Die Präsentation des Masterplans fand in der NRW-Bank statt, denn die Förderbank der Landesregierung spielt eine wichtige Rolle bei dem Bemühen, den Schatz Erdwärme zu bergen: Sie soll das sogenannte "Fündigkeitsrisiko" absichern, also die Ungewissheit, die darüber besteht, ob am Ende einer Bohrung auch wirklich nutzbare Erdwärme angezapft werden kann.

Steht am Ende keinerlei Fündigkeit, dann trage die NRW Bank bis zu 45 Prozent der Kosten. Bei einer Teilfündigkeit gebe es einen entsprechend geringeren Zuschuss. Dafür stehe ein Fonds in Höhe von 20 Millionen Euro bereit, so Neubaur. Die 45 Prozent Unterstützung bezeichnete sie als "beihilferechtliche Höchstgrenze", man setzte sich auf EU-Ebene dafür ein, dass auch mehr Förderung möglich sei.

All das soll die Geothermie in NRW kräftig anheizen. Neubaur erhofft sich einen "Markthochlauf", der Privatpersonen und Industrie mit erneuerbarer Energie versorgt und Arbeitsplätze in NRW schafft, etwa im Anlagenbau oder im Auf- und Ausbau von Verteilnetzen.

Weitere Schritte zur Förderung

Das Land will durch den Geologischen Dienst NRW den Untergrund weiter untersuchen lassen und eine Reihe von Erkundungsbohrungen durchführen. Und in Zusammenarbeit mit dem LANUV sollen grundstücksbezogen die Potenziale der Erdwärme-Nutzung untersucht werden.

Eine blonde Frau hält eine Broschüre in die Kamera: Mona Neubaur präsentiert den Masterplan Geothermie

Mona Neubaur

Der Masterplan gibt zudem ein Versprechen, das in dieser Form seit Jahren in vielen Bereichen gehört wird: Die Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt werden. Denn aktuell dauert es vom Beginn der Planung bis zur Fertigstellung von Geothermie-Projekten laut Wirtschaftsministerium "mehrere Jahre". Eine Beschleunigung soll unter anderem durch einen Ausbau der Digitalisierung ermöglicht werden.

Und die Landesregierung setzt sich zum Ziel, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen. Sie soll durch eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit erreicht werden.

Die Risiken der Geothermie

Auch wenn Expertinnen und Experten die Risiken, die mit dem Bohren in teils unbekannten Erdschichten einhergehen, für überschaubar halten - es gibt Fälle, in denen diese Form der Energiegewinnung zu nachhaltigen Problemen geführt hat. Zu den bekanntesten Beispielen von Geothermie-Schäden gehört der Versuch, in Staufen (Baden-Württemberg) das historische Rathaus mit Erdwärme zu versorgen.

Dafür wurde 2007 in geringer Tiefe von 140 Metern eine Oberflächenbohrung gemacht. Kurz darauf wurden Risse an Gebäuden in der Altstadt festgestellt. Messungen ergaben, dass sich der Boden pro Monat um bis zu 11 Millimeter anhob. Durch die Bohrung vermischte sich Wasser mit Anhydrit, so entstand Gips, der im Erdreich aufquoll - und sich bis heute weiter ausdehnt.

Im Masterplan versichert die Landesregierung, dem Schutz von Umwelt und Eigentum der Bürger verpflichtet zu sein. Darum setze man "ausschließlich auf die hydrothermale Geothermie". Dabei seien die Eingriffe so minimal, dass "Schäden am Grundwasser und unerwünschte Erdbewegungen sehr unwahrscheinlich sind". Das risikoreiche Fracking schließe man aus.

Neubaur betonte auch die gute Datenbasis in NRW: "Wir können bereits vor der Nutzbarmachung einen guten Eindruck vermitteln, was unter der Erde los ist."

LEE: Masterplan ist ambitioniert

Hans-Josef Vogel, Vorsitzender des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW (LEE), begrüßte den Masterplan: "Auf solch ein wegweisendes Positionspapier hat das Land seit Jahren gewartet." Ohne eine massive Steigerung bei der Erdwärmenutzung sei eine klimaneutrale Wärmeversorgung nicht zu erreichen.

Dass in NRW im Jahr 2045 bis zu 20 Prozent des landesweiten Wärmebedarfs mit Erdwärme gedeckt werden soll, bewertete der Verband als ambitioniert und erfreulich zugleich: "Damit bewegt sich NRW auf den Spuren des Geothermie-Vorreiters Niederlande", so Vogel. Das Nachbarland, dessen Bevölkerungszahl mit knapp 18 Millionen Einwohnern vergleichbar mit der in NRW ist, habe bereits 2018 einen "Masterplan Aardwarmte" mit einem ähnlichen Ausbauziel vorgestellt.

Wirtschaftsministerin stellt Plan für Geothermie vor

WDR 5 Westblick - aktuell 08.04.2024 04:26 Min. Verfügbar bis 08.04.2025 WDR 5


Download

Zum Hintergrund: Geothermie in verschiedenen Schichten

Man unterscheidet bei der Erdwärme drei Verfahren, die auf unterschiedliche Erdschichten zugreifen. Von einer oberflächennahen Geothermie ist bei einer Bohrung bis zu 400 Meter die Rede. Sie steht laut Wirtschaftsministerium flächendeckend in ganz NRW zur Verfügung. Die mitteltiefe Geothermie von 400 bis 1.500 Metern und die tiefe Geothermie, die tiefer als 1.500 Meter bohrt, sind nur in einigen Teilen NRWs förderbar. Das gehe, so erklärte es Mona Neubaur, sehr gut im Rheinland, am Niederrhein, im Ruhrgebiet, im Münsterland und in OWL.

Geothermie-Nutzung in NRW: "Dringend notwendig"

WDR 5 Morgenecho - Interview 09.04.2024 05:06 Min. Verfügbar bis 09.04.2025 WDR 5


Download

Über das Thema berichten wir auch im WDR-Fernsehen und im WDR-5-Landesmagazin Westblick ab 17.04 Uhr.