Letzter Ausweg Hotel

Westpol 28.01.2024 UT DGS Verfügbar bis 28.01.2029 WDR

Flüchtlinge in Kommunen: Letzter Ausweg Hotel

Stand: 26.01.2024, 15:30 Uhr

Fast 65.000 Asylsuchende sind im letzten Jahr neu nach NRW gekommen. Hinzu kommen die Schutzsuchenden aus der Ukraine. Für die Unterbringung nutzen große wie kleine Kommunen zunehmend auch Hotels.

Von Martina KochMartina Koch und Jakob Rhein

257 Städte und Gemeinden haben dem WDR geantwortet. Mehr als 10 Prozent von ihnen nutzen Hotels oder ähnliche Beherbergungsstätten für Geflüchtete, haben dies bereits getan oder wollen es demnächst tun. Als Grund nennen die Städte und Gemeinden vor allem ausgelastete städtische Unterkünfte. Außerdem fehlt es an Wohnungen, um die Geflüchteten dezentral unterzubringen.

Kostspielig und nicht ideal

Mit den Hotels sein man flexibler, sagt der Kölner Sozialdezernent Harald Rau im WDR-Interview. Aktuell kommen 50 bis 60 Personen pro Woche neu in die Stadt, die man dann irgendwie unterbringen müsse. Das sei teuer und ein wirkliches Ankommen für die Geflüchteten in der Stadtgesellschaft so schwierig, so Rau.

Harald Rau, Sozialdezernent Köln

Harald Rau, Sozialdezernent Köln

Köln hat mit 41 gewerblichen Beherbergungsbetrieben Vereinbarungen getroffen, wie die Stadt es förmlich nennt. Das heißt, es werden vielerorts einzelne Zimmer in Hotels angemietet. Aktuell sind mehr als 2.200 Geflüchtete dort untergebracht. Die Kosten betragen zwischen 20 und 47 Euro pro Person und Nacht. Das belastet die Stadt finanziell. Und Köln ist kein Einzelfall.

Kommunen zahlen drauf

Die Unterbringung der geflüchteten Personen erfolgt nicht kostendeckend. Im Ergebnis bedeutet das, dass die Stadt Duisburg hier eigene Mittel aufwendet, um eine ordnungsgemäße Unterbringung zu gewährleisten.“, schreibt Pressesprecherin Gabi Priem dem WDR. Die Hotelkosten lagen im letzten Jahr bei 6,1 Millionen Euro. Ende Dezember waren 317 Geflüchtete in Duisburger Hotels untergebracht.

Wer kann, vermeidet das. Die Stadt Plettenberg (Märkischer Kreis) schreibt dem WDR, dass Hotels „glücklicherweise bisher nicht von Nöten gewesen sind“. Und auch Heiligenhaus (Kreis Mettmann) konnte ein Unterbringung im Hotel umgehen, wie es von dort heißt.

Städte und Gemeinden bekommen für die Aufnahme der Geflüchteten pro Kopf jährliche Pauschalen. Und die, so schreiben viele, seien nicht kostendeckend. Köln etwa musste 70 Millionen Euro selbst beisteuern.

Lieber Hotels als Turnhallen für Geflüchtete

Dennoch entscheiden sich Kommunen für die Hotelunterbringung, damit sie nicht wieder Turnhallen dafür nutzen müssen. Das sei die denkbar schlechteste Möglichkeit, so Krefelds Stadtdirektor Markus Schön (SPD).

 „Einerseits nimmt man nämlich Kindern und Sportvereinen die Turnhalle weg, um dort Sport zu treiben. Andererseits ist so eine Unterbringung in der Turnhalle auch unter humanitären Aspekten nicht gut für die Menschen mit einer Fluchtgeschichte.“

In Krefeld müssen sie seit November eine Sporthalle als Flüchtlingsunterkunft nutzen. Die soll möglichst schnell dem Verein zurückgegeben werden. Auch deshalb nutzt die Stadt lieber zwei Hotels.

Kommunen fordern mehr Unterstützung von Land und Bund

Markus Schön, Stadtdirektor Krefeld (SPD)

Markus Schön (Stadtdirektor Krefeld, SPD)

Wir müssen in der Flüchtlingsunterbringung weg vom Krisenmodus – in einen strategisch planbaren Modus“, fordert deshalb der Krefelder Stadtdirektor. Die Kommunen wollen dauerhaft Unterkünfte schaffen, unabhängig von der Belegung der Plätze. Die Vorhaltekosten sollten dann aber Bund und Länder finanzieren, so Schön. Doch die wollen das bisher nicht.

Das Land verspricht stattdessen mehr Plätze in seinen eigenen Unterkünften zu schaffen, damit die Kommunen entlastet werden.

Auch Landesregierung setzt zunehmend auf Hotels

Bislang hatte das Land nur ein Hotel gemietet, seit 2016 in Bielefeld. Nun ändert sich das. Um bis Ende März die schon lange versprochenen 34.000 Plätze für Geflüchtete zu erreichen, mietet das Land Hotels in Dortmund, Remscheid, Ratingen und Wuppertal an. Weitere könnten folgen, wegen der schnelleren Verfügbarkeit, sagt Integrationsministerin Josefine Paul (B‘90/Grüne).  Die Mietkosten liegen je nach Größe bei knapp 100.000 bis 250.000 Euro im Monat.

Flüchtlingsunterbringung: Letzter Ausweg Hotel?

WDR 5 Westblick - aktuell 26.01.2024 05:59 Min. Verfügbar bis 25.01.2025 WDR 5


Download

Ich kann Ihnen garantieren, dass es sich hierbei nicht um Luxusunterbringungen in Luxushotels handelt“, sagt Ministerin Josefine Paul gegenüber dem WDR und versucht, absehbarer Stimmungsmache vorzubeugen. Die Zimmer erhalten zum Beispiel Doppelstockbetten, es werden Küchen eingebaut, um den Anforderungen einer Flüchtlingsunterkunft zu genügen. In Dortmund kann das ehemalige IBIS-Hotel seit dieser Woche Geflüchtete aufnehmen.

SPD sieht darin falsches Signal

Lisa-Kristin Kapteinat, stellvertretende Fraktionsvorsitzende im NRW-Landtag, sieht diese Entwicklung kritisch. Zum einen sei das Leben im Hotel nichts, was Wege für die Integration aufzeige. Dann könnte bei einigen Menschen das Gefühl einer vermeintlichen Besserstellung von Geflüchteten entstehen, die nachvollziehbar ist. Und mit Blick auf die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft könnten die Hotels für Kommunen, die keine langfristigen Vereinbarungen haben, richtig teuer werden. Denn dann werden tausende Fans aus ganz Europa in NRW erwartet, die auch Hotelzimmer brauchen werden.

Tatsächlich konnten einige Kommunen, wie etwa Krefeld, mit den Hotels teils nur Verträge bis Juni abschließen. Und Köln befürchtet, dass die Zimmer dann richtig teuer werden.