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Die neue Grundsteuer: Abfrage für das Bürokratiemonster

Stand: 26.08.2022, 19:16 Uhr

6,5 Millionen Grundstücke müssen in NRW neu bewertet werden. Doch das Verfahren ist kompliziert, die Abfrage umständlich. Viele Hauseigentümer sind verärgert und ratlos.

Von Michael Hoverath

Holger Küppers hat Post bekommen - vom Finanzamt. Die Grundsteuer für sein rund 60 Jahre altes Häuschen in Moers muss neu berechnet werden. Die Fragen: Wem gehört das Grundstück? Wo liegt es und wie groß ist es? Die Behörde fordert die Antworten online bis Ende Oktober.

Wie er das machen soll, weiß Holger Küppers nicht. "Mit dem Computer bin ich nicht vertraut", berichtet er dem WDR. Damit geht es ihm wie Millionen anderer Grundbesitzer in NRW, denn 6,5 Millionen Grundstücke im Land müssen nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 nun neu berechnet werden. Das gilt für Villen ebenso wie für Gewerbegrundstücke, Reihenhäuschen oder Pferdekoppeln.

Fragen für Steuerjuristen

"Gerade ältere Menschen sind damit heillos überfordert", sagt Michael Buser. Beim Geschäftsführer des Verbandes Haus und Grund in Moers stapeln sich die Hilfegesuche von Mitgliedern, die nicht wissen, was sie tun sollen. "Sie haben schon Schwierigkeiten damit, sich überhaupt beim Finanzamt anzumelden", sagt der Fachanwalt für Steuerrecht. Auch das gehe nämlich nur online.

Wer diese Hürde gemeistert hat, stehe vor den nächsten Problemen. Die Online-Formulare seien in reinstem Steuerjuristen-Deutsch formuliert. Was ein Flurstück ist, wüssten viele Hausbesitzer schon nicht und dächten eher an die eigene Diele.

Selbst simpel klingende Fragen wie die nach Wohnfläche seien nicht leicht zu beantworten, da Dachschrägen, Loggien oder Räume mit geringer Höhe jeweils unterschiedlich bewertet werden müssten. "Wer hier Fehler macht, zahlt zu viel Steuern", warnt Buser.

Andere Bundesländer zeigen: Es ginge einfacher

Dabei hätte NRW die Sache auch einfacher regeln können. Statt einfach das Mustergesetz des Bundes zu übernehmen, hätte die schwarz-gelbe Vorgängerregierung unter Armin Laschet ein eigenes Modell entwickeln können. In Hessen etwa nutzen die Finanzämter nur die Daten, die ohnehin vorliegen und lassen die Bürger ansonsten in Ruhe.

Genau das Modell wünscht sich Ralf Witzel (FDP) auch für Nordrhein-Westfalen und nennt den großen Vorteil: "Die Bürger bekämen dann einen vorausgefüllten Steuerbescheid, bei dem sie nur noch die Richtigkeit der Abgaben überprüfen müssen."

Die Zeit bis Ende Oktober reicht wohl nicht

Marcus Optendrenk, CDU

Marcus Optendrenk (CDU)

Während der Bund der Steuerzahler und die Immobilienwirtschaft dieses Modell unterstützen, lehnt NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) ein Umsteuern ab. Er glaubt, dass das Verfahren zu weit fortgeschritten sei, um es noch zu ändern.

Die Gewerkschaft der Finanzbeamten schlägt dagegen Alarm. Im Moment habe gerade mal jeder achte Grundbesitzer seine Daten abgegeben. Und schon jetzt sei in den Finanzämtern "Land unter". Zu groß sei der Beratungsbedarf, um das Projekt wie geplant bis Ende Oktober abzuschließen. NRW-Gewerkschaftsvorsitzender Manfred Lehmann mahnt zumindest eine Fristverlängerung an, der Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) offen gegenübersteht.

Hilfe beim Ausfüllen ist teuer

Allein die Fristen zu verlängern, würde Grundbesitzern wie Holger Küppers aus Moers aber wenig bringen. "Wer mit den Formularen heute nicht zurechtkommt, wird es im November auch nicht schaffen", sagt Michael Buser von Haus und Grund.

Die Betroffenen müssten daher nicht nur Arbeit, sondern auch Geld für die Unterstützung investieren. 250 Euro nimmt "Haus und Grund" von seinen Mitgliedern dafür. Steuerberater verlangen oft deutlich mehr. Und das alles dafür, Daten zu übermitteln, die der Staat schon kennt.

Über dieses Thema berichten wir im Politmagazin Westpol am Sonntag, 28.08.22 ab 19.30 Uhr im WDR Fernsehen.

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