Die FDP-Krise und der Zorn des Gerhart Baum

Stand: 15.02.2023, 15:15 Uhr

Die FDP steckt in der Krise. Bei Landtagswahlen erleidet sie reihenweise Niederlagen. Aus dem Heimat-Landesverband von Parteichef Lindner kommt offene Kritik von einem Altliberalen.

Von Martin TeiglerMartin Teigeler

Es war ein Auftritt voller Zorn und politischer Leidenschaft: Gerhart Baum, Ex-Bundesinnenminister, Parteimitglied seit 1954 und so etwas wie der große alte Mann des politischen (Links-)Liberalismus in Deutschland, sprach bei Phoenix zur Lage der FDP.

Die Partei erreiche ihre Wähler nicht mehr und müsse sich entscheiden, ob sie "die liberale, urbane Wählerschaft, die nach vorne blickt, den neuen Mittelstand" ansprechen wolle. "Will sie sich eine Stammwählerschaft aufbauen oder irrlichtert sie hin und her", sagte Baum. Auch mehr liberale Konzepte für den Klimaschutz mahnte er an. Der in Köln lebende Jurist ist 90 Jahre alt, wirkte bei dem TV-Auftritt aber wie ein Politiker, der für die Zukunft seiner Partei brennt.

Kritik an Lindner

Direkt griff Baum Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner an und warf seinem Parteifreund aus NRW einen Mangel an Selbstkritik vor. "Immer sind andere Schuld. Und man macht einfach weiter", sagte Baum. "Zu kühl, zu kalt, zu rational" trete seine Partei auf. Er kritisierte, die FDP rede die Regierungsbeteiligung in der Ampel-Koalition "immer nieder".

Die Ampel müsse Erfolg haben und sei ohne echte Alternative, betonte Baum. Eindringlich warnte er Lindner vor einem Abrücken von der Ampel.

Bundesminister a. D. Gerhart Rudolf Baum und FDP-Chef Christian Lindner bei einer Pressekonferenz in Berlin

Gerhart Baum (l.) und Christian Lindner bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Baums Plädoyer ist die vielleicht markanteste Wortmeldung aus der Partei nach der Niederlage bei den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin. Erneut scheiterte die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde - wie zuvor im Saarland und in Niedersachsen. Hinzu kamen 2021 die Wahlpleiten mit Machtverlusten in Schleswig-Holstein und in NRW. Bei den nächsten Wahlen in Bremen und Bayern dürfte es für die FDP nicht leichter werden.

Junge Liberale: In der Regierung Kompromisse eingehen

Wie also soll es weitergehen? Der ostwestfälische FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler regte eine Personaldebatte bei den Liberalen an. "Es ist wie im Fußball. Wenn man über eine längere Zeit alle Spiele verliert, dann muss man die Mannschaftsaufstellung überdenken", sagte Schäffler der "Bild"-Zeitung. Konkrete Namen wollte er demnach nicht nennen. Klar sei aber, dass die Ampel-Koalition die Partei immer weiter nach unten ziehe. Baum indes sagt, auch vor der Ampel habe die FDP schon Landtagswahlen verloren.

Wenig offene Kritik an Lindner

Der NRW-Landeschef der Jungen Liberalen, Alexander Steffen, sagte am Mittwoch auf WDR-Anfrage: Man müsse den FDP-Anhängern "klar machen, dass Regieren nur mit Kompromissen funktionieren kann". Andere in der Partei wie Lindner-Vize Wolfgang Kubicki hatten dagegen für eine härtere Gangart in der Ampel vor allem gegenüber den Grünen plädiert. JuLi-Landeschef Steffen sagte weiter, die jüngsten Niederlagen seien "sehr bitter und schmerzhaft". Er warnte aber vor Pessimismus.

Christian Lindner

Lindner hatte seine politische Laufbahn in NRW gestartet.

Bis auf Baum äußert bisher kaum ein Liberaler offene Kritik an Christian Lindner, der die FDP 2017 erst zurück in die NRW-Landesregierung und kurz darauf aus der außerparlamentarischen Opposition in den Bundestag geführt hatte.

Mit der aktuellen Krise aber könnte manchen in der Partei klarer werden, dass Lindner die Liberalen zwar moderner präsentiert - aber eigentlich keine wirkliche inhaltliche Neupositionierung nach der Westerwelle-Brüderle-Niebel-Ära vorgenommen hat. Gegen ein Tempolimit und gegen Steuererhöhungen - für diese Punkte steht die FDP schon seit Jahrzehnten.

Baum: NRW-FDP in schwachem Zustand

Bei Phoenix beschrieb Gerhart Baum den eigenen FDP-Landesverband NRW als "schwach" nach einem "miserablen Wahlkampf" 2022 - und sprach von einer generellen Schwäche der FDP in den Ländern. Unlängst war der neue NRW-Landeschef Henning Höne nur mit 54 Prozent gewählt worden - und das ohne Gegenkandidaten.

Höne sagte dem WDR zur aktuellen Debatte, die FDP behalte die Nerven. Man sei "Garant für eine Politik der Mitte in der Bundesregierung. Das werden wir bleiben". Die Partei müsse "stärker betonen", warum man gebraucht werde. Als inhaltliche Pluspunkte nannte er unter anderem eine "solide Finanzpolitik", "Kampf gegen die Inflation", "Bürokratieabbau und Planungsbeschleunigung".

Zu Baums Kritik an Lindner und Schäfflers Forderung nach einer neuen Mannschaftsaufstellung sagte der Landeschef nichts.

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