Erste Einsamkeitskonferenz der Landesregierung
Stand: 06.06.2024, 14:05 Uhr
Comedian Atze Schröder sprach von Einsamkeitsmomenten, Wissenschaftlerinnen gaben Impulse und Kabinettsmitglieder vertieften in Düsseldorf Einzelaspekte.
Von Sabine Tenta
Die NRW-Landesregierung aus CDU und Grünen sagt der Einsamkeit, insbesondere bei jungen Menschen, den Kampf an. Am Donnerstag richtete sie in der Staatskanzlei in Düsseldorf erstmals eine Einsamkeitskonferenz aus. Das Motto der Einsamkeitskonferenz lautet "Du + Wir = Eins". Partner der Landesregierung bei der Ausrichtung der Konferenz sind die Bertelsmann Stiftung und die Liz Mohn Stiftung.
Wüst: "Neue soziale Frage"
Zur Eröffnung betonte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), die Bekämpfung der Einsamkeit sei "die neue soziale Frage unserer Zeit". Wie groß die Auswirkungen von Einsamkeit auf die Gesellschaft sind, sei unter anderem daran zu sehen, dass Betroffene eher radikale Ansichten entwickelten. Es sei wichtig, das Thema Einsamkeit zu entstigmatisieren, sich zu vernetzen und voneinander zu lernen.
Die unterschiedlichen Aspekte der Einsamkeit
Wie weit Einsamkeit verbreitet ist, zeigte unter anderem eine Podiumsdiskussion. Dort bekannte der Fotograf Tim Kramer offen, sich zu Beginn der Konferenz fremd gefühlt zu haben, weil er in einer neuen Rolle sei und unter unbekannten Menschen. Sein eigenes Gefühl der Einsamkeit hatte bei Kramer in der Pandemie den Impuls gegeben, das Projekt "Eigen - von Einsam- und Gemeinsamkeiten" zu gründen. Er arbeitet unter anderem für den VfL Bochum und weiß, einsam können sich auch Menschen inmitten einer Menschenmasse im Stadion fühlen. Dialog-Veranstaltungen und Workshops von Eigen sollen für das Problem sensibilisieren.
Atze Schröder einsam in Madrid
Ebenfalls auf dem Podium war der Comedian Atze Schröder. Er hatte sich des Themas vor fünf Jahren in seinem Podcast "Betreutes Fühlen" angenommen. In Düsseldorf bezeichnete er sich selbst als sehr kontaktfreudigen Menschen, konnte aber dennoch eine Einsamkeits-Erfahrung beisteuern: Bei einem vierwöchigen Spanischkurs in Madrid habe er gemerkt, wie zentral das Beherrschen der Landessprache ist und wie schnell Menschen ausgeschlossen sein können. "Das gilt zum Beispiel auch für Geflüchtete oder Menschen mit Migrationshintergrund." Schröder zitierte ein treffendes türkisches Sprichwort: "Eine Sprache, ein Mensch. Will sagen, ohne Sprache bist du kein Mensch."
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse
Auf der Konferenz gab es auch mehrere Impulse aus der Wissenschaft. So stellten Matthias Meis von der Liz Mohn Stiftung und Marek Wallenfells von der Bertelsmann Stiftung das Impulspapier "Jung und einsam" vor. Es ist ein Vergleich unterschiedlicher Länder, aus dem sie Perspektiven für Einsamkeit als politisches Handlungsfeld entwickeln.
Und Maike Luhmann von der Ruhr-Universität Bochum, die bereits im Auftrag der NRW-Landesregierung eine Studie zur Einsamkeit erstellt hat, bot einen Vortrag, der vollgepackt war mit Basisinformationen zum Thema. Sie zeigte auf, wie stark gerade unter Jugendlichen in der Corona-Pandemie, aber auch danach, der Anteil der Einsamen angestiegen ist.
Und sie nannte Risikofaktoren, die direkt oder indirekt zur Einsamkeit führen. Dazu gehören:
- emotionale Instabilität
- Introvertiertheit
- Arbeitslosigkeit
- Migrationshintergrund
- Ehelosigkeit
- Geringes Einkommen
- wenige Kontakte
- schlechte Gesundheit
- schlechte Beziehungen
Zu den psychologischen Folgen von Einsamkeit gehört laut Luhmann, ein Gefühl der Bedrohung, das dazu führe, dass soziale Interaktionen negativ interpretiert werden. Das werde wiederum als Feindseligkeit empfunden und führe zum weiteren Rückzug. Diesen Kreislauf gelte es zu durchbrechen, schlussfolgerte die Wissenschaftlerin.
Landesregierung breit auf Konferenz vertreten
Teil der Konferenz waren auch vier Foren, die sich den Schwerpunkten Alter, Jugend, Gesellschaft und Nachbarschaft, Engagement und soziale Infrastruktur widmeten. Daran teilgenommen haben Schulministerin Dorothee Feller (CDU), der Leiter der Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU), Jugendministerin Josefine Paul (Grüne) und Matthias Heidmeier (CDU), Staatssekretär im Sozialministerium.
Damit werden die Impulse der Konferenz nicht nur in Fachkreisen diskutiert, sondern unmittelbar in zentrale Ministerien der Landesregierung getragen. Aber auch viele Abgeordnete waren unter den Teilnehmenden.
Politische Roadmap der Landesregierung
NRW-Ministerpräsident Wüst hat den Kampf gegen die Einsamkeit zu einem zentralen Thema seiner Regierungszeit erklärt. Bislang hat die Landesregierung eine Stabsstelle Einsamkeit und eine Online-Plattform eingerichtet, die Studie der Ruhr-Universität Bochum beauftragt und eine Handlungsstrategie vorgelegt. Die Einsamkeitskonferenz in Düsseldorf nannte Wüst einen "Meilenstein auf dem Weg zum Aktionsplan, der Maßnahmen bündeln soll".
Über das Thema berichten wir auch im WDR-Hörfunk, zum Beispiel im WDR-5-Landesmagazin Westblick ab 17.04 Uhr.