Corona: Große Hürden bei Anerkennung von Impfschäden

Stand: 11.12.2022, 18:37 Uhr

In NRW sind bis heute 14,7 Millionen Menschen mindestens einmal geimpft. Der Impfstoff wirkt nachweislich gegen eine Corona-Infektion. Wer aber vermutet einen Impfschaden zu haben, steht vor großen Hürden.

Von Petra Dierks

Selin Islami und ihre Mutter Aylin Dalgül

Selin Islami und ihre Mutter Aylin Dalgül

Selin Islami ist 17 und kerngesund, Leistungsturnerin und macht gerade eine Ausbildung, als sie sich gegen das Corona-Virus impfen lässt. Tage später treten erste Symptome auf. Heute ist sie schwer krank, hat Pflegestufe vier und kann nur durch regelmäßige Blutwäschen überleben. Sie leidet unter einer ultraseltenen Form der Autoimmunerkrankung Myasthenia Gravis.

Tina Baumhör war vor ihrer dritten Impfung gesund

Tina Baumhör war vor ihrer dritten Impfung gesund

Auch Tina Baumhör war kerngesund, sportlich und will Physiotherapeutin werden, als sie sich das dritte mal gegen Corona impfen lässt. Unmittelbar danach versagen ihre Beine ihr den Dienst. Was sie hat und ob ein Zusammenhang mit der Impfung besteht, wissen die Ärzte nicht. Eine Diagnose fehlt.

Krank durch Impfung?

Selin und Tina - wurden sie durch die Impfung krank? Einen Zusammenhang nachzuweisen, ist extrem schwer. Vor allem, wenn das Krankheitsbild selten oder nicht diagnostizierbar ist.

Peter Anders, Landschaftsverband Rheinland

Peter Anders, Landschaftsverband Rheinland

In NRW prüfen die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe mögliche Impfschäden. Bei einer Bewilligung bekommen Impfgeschädigte nicht nur eine Entschädigung, sondern werden in vielen Lebensbereichen ganz anders unterstützt.

Doch die Prüfung dauert oft Monate. Der Zusammenhang zwischen einer Impfung und einer Krankheit ist in Deutschland extrem schwer nachzuweisen. Das Meldesystem ist dezentral und muss aktiv von Privatleuten, Ärzten, Apotheken und anderen Instituten an das Paul-Ehrlich-Institut gemeldet werden.

Fehlende Statistiken

Alles, was nicht gemeldet wird, taucht in keiner Statistik auf. Wenn eine Krankheit nicht statistisch erfasst ist, ist der Nachweis noch schwieriger.

Aktenordner voller Dokumente

Alles nach der Impfung

Selins Erkrankung ist es nicht. Und Tinas Schwäche hat noch nicht einmal eine Diagnose - ein Antrag ohne Diagnose hat noch weniger Chancen auf Bewilligung. Bei Verdachtsfällen müssen Betroffene einen Antrag stellen und ihr komplettes medizinisches Leben bis zur Impfung dokumentiert einreichen. Auch die Krankenakten nach der Impfung sind notwendig. Gibt es keine Hinweise, werden Experten hinzugezogen.

14,7 Millionen Geimpfte - 31 Impfschäden

Seit 2021 sind 829 Entschädigungsanträge nach Coronaimpfungen bei den Landschaftsverbänden in NRW eingegangen. 31 davon wurden bis jetzt genehmigt  und 93 abgelehnt. 678 müssen noch geprüft werden - und das Personal ist knapp.

Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) kritisiert, dass es bis heute keinen politischen Willen zur digitalen Erfassung sämtlicher Krankenakten zu geben scheint.

Durch das aktuelle dezentrale Meldesystem sei davon auszugehen, dass nur die Spitze des Eisberges an Impfschäden sichtbar sei. Wären die Daten digital verfügbar, könne man ein Monitoring-System aufbauen, das auch auf Zusammenhänge zwischen Impfung und Krankheit hinweise.

Lösungsansätze im Ausland

In Israel gibt es ein solches System. Der Staat hat sämtliche Patientenakten zentral erfasst und digitalisiert. KI-Systeme sind so unter anderem in der Lage, mögliche Zusammenhänge zwischen Impfung und Erkrankung zu erkennen.

Symbolbild: Ein Mensch erhält eine Impfung

Die ersten Hinweise auf Herzmuskelentzündungen bei jungen Männern nach einer Impfung mit Biontech Pfizer kamen aus Israel - was in Studien belegt werden konnte. So könnten mit den Daten auch potentielle Impfschäden besser abgewogen werden.

Digitale Erfassung technisch nicht möglich.

Zwar existiert die digital erfasste Patientenakten. Den „gläsernen Patienten“ gibt es in Deutschland aber nicht. Das Bundesgesundheitsministerium teilte auf Anfrage mit, dass ein ähnliches Monitoring-System unter anderem aus technischen Gründen nicht möglich sei.

Es hätte in den bisherigen Datensätzen eine umfangreiche Nacherfassung stattfinden müssen. So fehlen auch Daten darüber, wie viele Menschen tatsächlich nach einer Impfung erkrankt sind.

Und so stehen die Familien von Selin und Tina weiter allein da. Es zeigt sich, wer einen Impfschaden vermutet trifft oft auf medizinische Zurückhaltung und überforderte Erfassungssysteme.

Über das Thema berichtet auch die Sendung Westpol am 11.12.22 um 19:30 Uhr.