Streit um Klarheit in Polizeiberichten

Maulkorb für die Polizei bei Ausländern?

Stand: 12.01.2016, 18:24 Uhr

  • Seit Jahren existieren Erlasse, die regeln, wann die Polizei die Herkunft von Tatverdächtigen nennen darf
  • Das Innenministerium nennt sie Leitlinien zum Schutz vor Diskriminierungen
  • Hohe Hürden für die Polizei bei der Angabe der Herkunft

Von Rainer Kellers

Seit Jahren gibt es die Gerüchte: Auf die Polizei werde Druck ausgeübt, die Herkunft von Tatverdächtigen zu verschweigen. Die Vorkommnisse nach der Kölner Silvesternacht scheinen die Gerüchte nun zu bestätigen. In der Pressekonferenz am Montag nach Silvester stritten Polizeipräsident Wolfgang Albers und Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker ab, die Identität der Tatverdächtigen zu kennen. Zumindest Albers wusste es besser. Warum aber hat er nichts gesagt? Gibt es Anweisungen "von oben", nicht über die Herkunft von Kriminellen zu sprechen? Oder, wie der Vorsitzender der deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, am Montagabend (11.01.2016) bei "Hart aber Fair" sagte: Weiß jeder Beamte, dass er eine "bestimmte politische Erwartungshaltung zu erfüllen hat"?

Taten von oder gegen Zuwanderer werden intern gekennzeichnet

Die Frage ist politisch heikel. Und so beeilten sich Innenminister Ralf Jäger und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (beide SPD) zu versichern, es gebe keine entsprechenden Erlasse oder sonstigen Anweisungen. Im Gegenteil, sagte Jäger am Montag nach der Sitzung des Innenausschusses. Er habe per Erlass geregelt, dass die Polizei alle Taten von oder gegen Zuwanderer als solche kennzeichnet. Das Ministerium stellte am Dienstag allerdings klar, dass dies nur bei der internen Kommunikation zutreffe. Für die Kommunikation nach außen gelten offenbar andere Regeln.

Leitlinien für die Polizei

In zwei älteren Erlassen aus den Jahren 2008 und 2011 werden "Leitlinien für die Polizei des Landes zum Schutz nationaler Minderheiten vor Diskriminierungen" aufgezeigt. Die Papiere sind öffentlich einsehbar. Dort steht unter anderem, die Polizei dürfe nicht stigmatisieren oder kategorisieren. "Auf die Zugehörigkeit zu einer Minderheit wird in der internen und externen Berichterstattung nur hingewiesen, wenn sie das Verständnis eines Sachverhaltes oder für die Herstellung eines sachlichen Bezuges zwingend erforderlich ist." Und weiter: "Medienauskünfte enthalten nur dann Hinweise auf eine Beteiligung nationaler Minderheiten, wenn im Einzelfall ein überwiegendes Informationsinteresse oder ein Fahndungsinteresse dazu besteht." Fast wortwörtlich steht es so übrigens auch im Pressekodex des deutschen Presserates.

Hohe Hürden für die Veröffentlichung der Herkunft

Was bedeutet das? Es heißt, dass es seit vielen Jahren - und nicht erst seit Amtsantritt der rot-grünen Landesregierung - relativ hohe Hürden für die Polizei gibt, die Nationalität von Straftätern zu veröffentlichen. Minderheiten sollen so vor Diskriminierung geschützt werden. Eine Sprecherin des Innenministeriums sagte am Dienstag dem WDR, die Erlasse gäben einen Rahmen für die Polizei vor, an dem sie sich orientieren könne. Die Polizei vor Ort müsse dann von Fall zu Fall entscheiden, ob sie die Herkunft von Tatverdächtigen öffentlich macht oder nicht. In Köln ist diese Abwägung - im Nachhinein betrachtet - offensichtlich falsch gewesen.

Jäger und Kraft wissen von diesen Erlassen. Haben sie also die Unwahrheit gesagt, wenn sie behaupten, es gebe keine direkten Handlungsanweisungen an die Polizei? Oder ist es Interpretationssache, was man unter "direkter Einmischung" versteht? Werden die Erlasse von den Beamten unangemessen restriktiv ausgelegt? Ist vorauseilender Gehorsam im Spiel oder doch Druck von oben? All diese Fragen gehören zu den noch offenen Hintergründen der Chaos-Nacht von Köln.

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