Kay Sebastian Lorentz, Chef des "Kom(m)ödchen" und Sohn des Gründerehepaars Kay und Lore Lorentz

Kommentar: Warum die Corona-Verschärfungen mit der Kultur die Falschen trifft

Stand: 20.10.2020, 14:58 Uhr

Theater und Konzertsäle in NRW fürchten um ihr Überleben in Corona-Zeiten. Nun sorgt die neue Schutzverordnung für noch größere Angst. Die Zitterpartie ist nicht vorbei. Ein Kommentar.

Von Marion Grob

Es hat Aufsehen erregt, über die Grenzen der Landeshauptstadt Düsseldorf und Umgebung hinaus: Das traditionsreiche Düsseldorfer "Kommödchen" wehrt sich gegen die schärferen Corona-Maßnahmen der NRW-Landesregierung. Sie seien der Tod des Theaters.

Angesichts einer Inzidenzzahl von 50 und darüber in einer Kommune nur noch 20 Prozent der Plätze im Theater, Konzerthaus, in der Oper belegen? Ich kann die Entrüstung des Theaterleiters Kay Lorentz gut verstehen und glaube ihm wie anderen seiner Zunft, dass das den Tod seines Theaters und das Aus seiner beruflichen Existenz bedeuten würde. Immerhin hat ja auch er in ein Hygiene-Schutzkonzept investiert, ohne das ohnehin keine Aufführung mehr stattfinden könnte.

Der Teufel steckt im Detail

Doch der Teufel liegt wie so oft im Detail und ist in diesem Fall schlicht ärgerlich: Die 20-Prozent-Einschränkung galt für die Landesverordnung vom 14. Oktober bis: Achtung: 17.Oktober. Aber während auf den Homepages etwa von Düsseldorf, von Dortmund und anderen Kommunen diese Einschränkung noch mindestens bis Montag zu lesen war und für Entsetzen sorgte, hatte das Land seine Corona-Schutzverordnung diesbezüglich wieder verändert und drei Tage später am Samstag veröffentlicht.

Die Kommunen wurdebn kalt erwischt und passen also erst seit gestern nun ihre Allgemeinverfügungen an. Da sehe ich vor meinem inneren Auge aus den Theatern und auch manchem Rathaus Rauchwolken des Zorns entweichen ob dieses Hin und Hers.

Aber geschenkt – ist nicht jetzt Aufatmen angesagt, weil diese 20-Prozent-Deckelung aus den Verordnungen raus ist? Leider nur zum Teil und nur bezogen auf diesen Aspekt. Aber das ist doch schon mal was, und ich sage auch offen: Gut so!

Ein Dickicht aus Regeln und Paragraphen

Doch steckt wieder der Teufel im Detail: Ein Paragraf der Landesverordnung ermöglicht der Kultur derzeit immerhin mehr als 300 Gäste im Konzerthaus oder Theater – natürlich mit entsprechendem, Lage- und Raum-angepassten Hygienekonzept. Doch unter dem Paragrafen „Regionale Anpassungen an das Infektionsgeschehen“ findet sich: Bleibt Ü50 als Inzidenzzahl länger als vier Tage, dann wird das alles aufgehoben und es gilt: Es dürfen maximal 250 Personen in Aufführungen und Veranstaltungen, inklusive aller möglichen Hygieneschutzkonzepte.

Wer fix rechnen kann und die großen Häuser in NRW kennt, weiß sofort: maximal 250 in z.B. der Essener Philharmonie mit deutlich mehr als 2000 Plätzen: das ist weit unter 20% . Für Städte wie Essen, Düsseldorf, Dortmund könnte das bald greifen. Die kleinen Theater wie das Kommödchen von Kay Lorentz können damit womöglich einigermaßen zurechtkommen.

Mit Kanonen auf Spatzen geschossen

Für andere, die größere Kapazität haben, ist es einnahmetechnisch ein Desaster. Denn ob privat getragen oder mit Steuergeldern gefördert, alle brauchen Geld, mit dem sie wirtschaften können. Es sind keine Freizeiteinrichtungen, nice to have, also verzichtbar für uns in Ü50-Zeiten, wie Ministerpräsident Laschet es in seinem Statement letzte Woche behauptete. Es sind Wirtschaftsbetriebe!

Und ich frage mich, ob mit dieser Deckelung nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. Bisher gibt es keinerlei Indiz dafür, dass an diesen Orten, wo sich Zuschauer hinsetzen, zusehen und zuhören, also den Mund halten, Infektionsherde sind. Zumal meist noch nicht mal mehr Begegnungen vor und nach Vorstellungen stattfinden.

Für mich riechen derlei schwer nachvollziehbare Unterscheidungen und die daraus resultierende Vorgaben nach aktionistischer Symbolpolitik. Aber Obacht: damit büßt Politik Glaubwürdigkeit ein, die sie dringend benötigt. Gerade jetzt, und auch von Kulturschaffenden, mit denen sie sich ja sonst sehr gern umgibt.