Viele Menschen steigen an einem vollen Bahnsteig in einen Regionalzug ein (06.06.2022)

Bahnverkehr: Dichterer Takt in NRW braucht viel Geduld

Stand: 08.06.2022, 10:48 Uhr

Pfingsten und der 9-Euro-Ticket-Start haben gezeigt: Der Bahnverkehr in NRW braucht mehr Züge und dichtere Takte. Was die möglichen künftigen Koalitionsparteien vorhaben und wo das Land beim Ausbau steht.

Von Peter Hild

Bei den Zielen für die künftigen Bahnmobilität scheinen sich CDU und Grüne in NRW, wahrscheinliche Partner in der nächsten Landesregierung, relativ einig zu sein. Die CDU will einen "Grundtakt von 15 Minuten" auf allen Strecken, die Grünen versprechen eine Mobilitätsgarantie vom frühen Morgen bis zum späten Abend.

Außerdem wollen beide Seiten mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagern, heißt es im Sondierungspapier. Es dürfte also künftig noch enger auf den Gleisen durch NRW werden. Gleichzeitig ist in Sachen Taktung wohl kaum mehr möglich im derzeitigen Schienennetz an Rhein und Ruhr.

Ausbau geht nur schleppend voran

Trotz Rekordinvestionen der Bahn und einer ankündigten ÖPNV-Offensive der schwarz-gelben Landesregierung von vier Milliarden Euro bis 2030: Der Ausbau des Zugverkehrs kommt in NRW nur schleppend voran.

Bahnschwellen liegen auf einem 700 Meter langer Gleisumbauzug zwischen Köln und Düsseldorf, der alte gegen neu Schienen austauscht (Symbolbild)

Nach Angaben des NRW-Verkehrsministeriums und der Verkehrsverbünde sind "Nahverkehrszüge an Werktagen mindestens im Stundentakt" unterwegs, "in wichtigen Zentren auch vor 6 Uhr und nach 20 Uhr". Deutlich von den gesteckten Zielen und Anforderungen vieler Bahnreisender entfernt.

Bei der Digitalisierung klafft auch noch eine große Lücke: Nur knapp zwei Drittel der Bahnstrecken sind elektrifiziert, in zehn Jahren sollen es 72 Prozent sein. Viele Stellwerke müssen noch auf digitale Leit- und Signaltechnik umgestellt werden. Das moderne Zugleitsystem ECTS, durch das Züge dichter hintereinander und schneller fahren können, soll bis zum kommenden Jahr auf 500 Kilometern Schienenstrecke nutzbar sein - das entspricht gerade einmal gut zehn Prozent aller Schienenkilometer in NRW.

Landesregierung: Plan für Netzausbau bis 2040

Im Frühjahr hat das NRW-Verkehrsministerium einen mehrstufigen Plan für den Schienennetzausbau bis 2032 und bis 2040 vorgestellt. Der 15-Minuten-Takt soll in großen Teilen des S-Bahn-Netzes zum Standard werden.

Es gibt konkrete Pläne für zwei neue S-Bahn-Netze im Münsterland und Ostwestfalen, mehr Bahnen in die Ballungszentren am Rhein und im Ruhrgebiet, insgesamt 50 neue Bahnhalte. Experten schätzen die Gesamtkosten dafür auf rund 40 Milliarden Euro.

Streit ums Geld zwischen Bund und Ländern

Geld, das NRW allein nicht aufbringen kann. Der Bund zahlt den Ländern sogenannte Regionalisierungmittel für die Finanzierung des Schienenverkehrs, zuletzt gut zehn Milliarden Euro im Jahr. Trotz Erhöhung in den vergangenen Jahren fordert NRW-Verkehrsministerin Ina Brandes (CDU) mehr Mittel vom Bund, damit die Klimaziele und die angestrebte Verkehrswende umgesetzt werden könnten.

Die Bundesregierung fordert im Gegenzug mehr Effizienz und Transparenz im Umgang mit den Geldern. Zu viele verschiedene Verkehrsverbünde und Tarife, zu undurchsichtig, wohin die Mittel fließen und für was sie tatsächlich genutzt würden. Eine klare Kritik an der Nahverkehrsstruktur in NRW, der man auch an Rhein und Ruhr zum Teil selbstkritisch zustimmte.

Verbesserungen dauern Jahre

Eine spürbare Verbesserung wie eine flächendeckende Taktverkürzung dauert Jahre. Denn dafür braucht es mehr Züge, einen Streckenausbau und genügend Personal. Drei Beispiele:

Lange Ausschreibung und Produktion für neue Fahrzeuge

Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr und der Zwecksverband Nahverkehr Rheinland haben vergangene Woche 100 neue, größere S-Bahn-Züge ausgeschrieben, die die Kapazität rund um Köln um 25 Prozent erhöhen sollen.

Allein das Vergabeverfahren inklusive des Austauschs mit den potentiellen Herstellern wird voraussichtlich bis Ende nächsten Jahres dauern. Geschätzter Betriebsstart der neuen Züge: 2027 bis 2029. Der Planungsvorlauf, um Kapazitäten mit neuen Fahrzeugen erhöhen zu können, beträgt demnach mehr als ein halbes Jahrzehnt.

Streckenausbau beim RRX zieht sich

Die Bauarbeiten für den Rhein-Ruhr-Express, dem Prestigeprojekt des Landes, mit dem ein 15-Minuten-Takt zwischen Köln und Dortmund erreicht werden soll, sind 2017 gestartet. Nach fünf Jahren sind aktuell erst zwei von 15 Teilabschnitten fertiggestellt, in Köln und Mülheim an der Ruhr.

An Teilstrecken in Leverkusen und in Langenfeld wird gebaut. Für die Abschnitte in Bochum und Essen liegt nach Angaben des NRW-Verkehrsministeriums Baurecht vor. Umsiedlungen geschützter Tierarten sind zum Teil vor den Bauarbeiten nötig, darüber hinaus gibt es Klagen gegen die Ausbauplanungen, etwa im Düsseldorfer Norden.

Fachkräftemangel bei der Umsetzung

In den vergangenen Jahren hatte die Bahn stets angekündigt, für NRW jeweils mehrere hundert Planer und Ingenieure zusätzlich einzustellen, die die Großprojekte mit umsetzen sollen. Nach Einschätzung des Berufsverbands der Bahningenieure bräuchte es allerdings mindestens 30.000 zusätzliche Fachkräfte bis 2030, um die derzeitigen Pläne der Politik Realität werden zu lassen. Auch in den Zügen würden deutlich mehr Mitarbeiter gebraucht, die heute schon an vielen Stellen fehlen.