Affenpocken: Zahlen in NRW stark rückläufig
Stand: 07.10.2022, 15:38 Uhr
Die Affenpocken-Infektionszahlen sind in NRW inzwischen deutlich zurückgegangen. Laut Gesundheitsministerium ist die Lage "recht entspannt". Die Aidshilfe NRW lobt das Vorgehen der Landesregierung, fordert aber mehr Impfdosen.
Von Samuel Acker
Ukrainekrieg, Energiekrise, Coronapandemie - und dann auch noch die Affenpocken. Im Sommer sah es so aus, als ob eine weitere Krise Deutschland und Nordrhein-Westfalen nachhaltig erschüttern könnte. Für NRW gibt es aber gute Nachrichten: Die Affenpocken-Infektionszahlen sind mittlerweile stark gesunken.
Im Juli hatten die gemeldeten Infektionszahlen in NRW noch einen Höchststand erreicht: 117 neue Infektionen innerhalb einer Woche. Die Weltgesundheitsorganisation WHO erklärte die Affenpocken zu einer "Notlage von internationaler Tragweite". Nun, im Herbst, scheint zumindest für NRW diese Notlage nicht mehr gegeben zu sein: Nur drei neue Affenpocken-Infektionen wurden in der vergangenen Woche gemeldet, in der Woche zuvor ebenfalls drei. Allerdings weist das Gesundheitsministerium darauf hin, dass potenziell noch Nachmeldungen möglich sind.
Gesundheitsministerium: Lage "recht entspannt"
Dennoch lasse sich schon jetzt sagen, dass die Affenpocken-Lage "recht entspannt" sei, so eine Sprecherin des Ministeriums auf WDR-Anfrage. Der Rückgang der Infektionszahlen um etwa 97 Prozent seit Juli zeige das deutlich. "Die Risikokommunikation ist bei den hauptsächlich betroffenen Gruppen gut angekommen", so die Sprecherin. "Dadurch können aktuell weitere Übertragungen in Risikogruppen vermieden oder schnell erkannt werden." Das Infektionsgeschehen werde weiterhin beobachtet, "um bei Bedarf schnell reagieren zu können."
Symptome der Affenpocken sind typischerweise bläschenartiger Ausschlag sowie Fieber, Kopfschmerzen und allgemeine Erschöpfung. Allerdings kann die Infektion auch so milde verlaufen, dass sie unentdeckt bleibt. Am anderen Ende des Spektrums sind, in seltenen Fällen, auch tödliche Verläufe möglich.
Nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums gibt es schätzungsweise etwa 28.000 Menschen in NRW, die ein besonderes Risiko mit Bezug zu den Affenpocken haben und daher möglichst zeitnah eine Impfung erhalten sollten. Das Robert Koch-Institut (RKI) schätzte gegenüber dem WDR die Risikogruppe in NRW ähnlich groß ein. Für die Impfung ist in der Regel nach der ersten Spritze noch eine zweite – zeitlich versetzte – Dosis notwendig. Also werden etwa 56.000 Impfdosen benötigt, wenn alle diese Menschen vollständig immunisiert werden sollen.
Bis Ende August wurden in NRW allerdings nur knapp 5.500 Impfungen verabreicht, so das Gesundheitsministerium. Die Zahlen für den September lägen der Behörde noch nicht vor. Dass die Infektionszahlen seit dem Sommer so deutlich zurückgegangen sind, lässt sich also, sollte es im September nicht eine regelrechte "Impf-Explosion" gegeben haben, wohl nur zu einem Teil mit den Impfungen erklären - vermutlich spielt auch ein verändertes Verhalten der Personengruppen mit besonderem Risiko eine Rolle.
Wer zählt zur Risikogruppe?
Die Ständige Impfkommission (Stiko) sieht in der Affenpocken-Risikogruppe insbesondere "Männer, die Sex mit Männern haben und dabei häufig die Partner wechseln". Eine RKI-Sprecherin wurde in einer Antwort an den WDR im Sommer detaillierter: "Männer mit HIV-Prognose", "Männer mit PrEP-Nutzung" (vereinfacht gesagt: Männer, die Medikamente einnehmen, um einer HIV-Infektion vorzubeugen), sowie Männer die in den letzten zwölf Monaten "kondomlosen Analverkehr" mit mehr als zwei Partnern hatten.
Tatsächlich betraf der Großteil der Affenpocken-Infektionen im Sommer die schwule Community – allerdings weisen Experten daraufhin, dass sexuelle Kontakte beziehungsweise enger Körperkontakt auch bei Frauen und Heterosexuellen zu einer Infektion führen können. Tendenziell ist eine Übertragung des Affenpocken-Virus auch über kontaminierte Gegenstände und große Tröpfchen in der Luft möglich.
Lob von der Aidshilfe
Die Aidshilfe NRW, die für einige Männer in der Risikogruppe ein wichtiger Ansprechpartner in Gesundheitsfragen ist, lobt das bisherige Affenpocken-Management der Landesregierung: "Die Kommunikation des [Ministeriums] mit den zielgruppennahen Organisationen, dem Öffentlichen Gesundheitsdienst und den Ärzt*innen verlief sehr gut und effektiv." Die Priorisierung, welche Personen den Impfstoff zuerst gespritzt bekommen sollen, habe gut funktioniert. "Die Strategie ist aufgegangen", sagt ein Sprecher.
Statt 40.000 nur 23.400 Impfdosen bekommen
Allerdings schränkt die Aidshilfe direkt ein: Der Erfolg sei "vorläufig". Es seien "noch lange nicht alle in Frage kommenden Männern geimpft". Die sinkenden Infektionszahlen seien auch damit zu erklären, dass sich Menschen im Sexualverhalten "deutlich zurückgehalten" hätten. "Diese Zurückhaltung wird sich nicht ewig hinziehen." Daher fordert die Aidshilfe vom Bundesgesundheitsministerium mehr Impfdosen. "Um alle Impfwilligen tatsächlich zu versorgen und eine nachhaltige Vorsorge sicherzustellen, bedarf es weit größerer Lieferungen als bisher."
Der Bund bestellt zentral den Affenpocken-Impfstoff und verteilt ihn dann an die Länder. Mitte August hatte das NRW-Gesundheitsministerium mitgeteilt, der Bund erwarte bis spätestens Ende September rund 200.000 Impfdosen. Etwa ein Fünftel davon - also 40.000 - würden nach NRW gehen. Tatsächlich wurden Ende September aber nur 23.400 Impfdosen vom Bund nach Nordrhein-Westfalen geliefert, teilte das NRW-Gesundheitsministerium dem WDR nun mit. "Ein Grund dafür ist uns bisher nicht bekannt, wir haben dem Bund mitgeteilt, dass wir alle Dosen nehmen, die wir kriegen können", so die Ministeriums-Sprecherin.
Auf WDR-Anfrage schreibt das Bundesgesundheitsministerium, dass der NRW-Landesregierung keineswegs mitgeteilt worden sei, dass 40.000 Affenpocken-Impfdosen bis Ende September nach Nordrhein-Westfalen gehen. "Den Ländern wurde nach Ankündigung einer jeden Teillieferung die konkrete Menge mitgeteilt, die ausgeliefert wird. Die 23.400 Dosen beziehen sich alleine auf die letzte Teillieferung. Weitere Lieferungen werden noch folgen", so ein Sprecher des Bundesministeriums.