Aus den Augen, aus dem Sinn - das gilt für das Wasser der morgendlichen Dusche, das abgegossene Nudelwasser oder die Toilettenspülung. Wohl kaum einer macht sich im Alltag darüber Gedanken, was mit dem Abwasser noch alles gemacht werden könnte. Dabei gibt es spannende Möglichkeiten.
Eine davon ist es, mit dem gebrauchten Wasser die Wohnung zu heizen. Lange Zeit dachte man beim Thema Heizen vor allem an Gas oder Öl. Das war und ist der Standard in vielen Haushalten - auch in NRW. Doch mit dem Ziel, im Sinne des Klimas nicht mehr auf dreckige Energieträger zu setzen, rücken andere Möglichkeiten in den Fokus. Vor allem die Wärmepumpe gilt als Hoffnungsträger für die Zukunft. In vielen Fällen nutzt sie die Luft aus der Umgebung, um Wärme zu produzieren.
Wärme von Abwasser zum Heizen nutzen
Genauso kann aber auch das Abwasser genommen werden, das wir alle täglich produzieren. Experten sagen, dass es im Durchschnitt 25 Grad hat, wenn es die Haushalte verlässt. Danach fließt es in gut isolierte unterirdische Kanäle und behält dort noch eine Temperatur von 10 bis 15 Grad. Mit technischen Mitteln, einem sogenannten Wärmetauscher auf dem Boden des Kanals, kann diese Wärme übertragen werden, sodass sie eine Wärmepumpe zum Heizen nutzt - oder im Sommer zum Kühlen.
Das Allheilmittel für die Wärmewende wird das Schmutzwasser zwar nicht, es könnte aber ein Baustein sein. So gehen die Berliner Wasserwerke davon aus, dass allein in der Hauptstadt bis zu fünf Prozent des Wärmebedarfs damit gedeckt werden könnte. Auch in NRW werden Hoffnungen in diese Technik gesetzt. Der Wasserwirtschaftsverband Emschergenossenschaft sieht große Potentiale, gerade in dicht besiedelten Räumen wie dem Ruhrgebiet. Der Vorstandsvorsitzende Uli Paetzel sprach schon im Sommer von einem "ungehobenen Schatz".
SPD will Potenziale nutzen
SPD-Fraktionsgeschäftsführer André Stinka
Unterstützung kommt von der SPD-Fraktion im NRW-Landtag. Sie will in der kommenden Woche einen Antrag einbringen, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, die Chancen landesweit bekannt zu machen. So sollen Städte und Gemeinden aktiv informiert und aufgefordert werden, die Potenziale in den kommunalen Wärmeplänen zu berücksichtigen. Außerdem sollen die Betreiber der Kanalnetze verpflichtet werden, Karten zu erstellen, wo die Abwasserwärme besonders gut genutzt werden kann. Eine NRW-weite Karte vom Land soll diese Informationen bündeln. Auch soll geprüft werden, ob und wie landeseigene Gebäude die Technik nutzen können.
"Wir wissen, dass jede Menge ungenutzte Energie in die Abwasserkanäle geleitet wird", sagte Fraktionsgeschäftsführer André Stinka am Mittwoch bei der Vorstellung des Antrags. Die Energie aus Abwärme sei stets verfügbar und in Ballungsräumen in großen Mengen vorhanden.
Technik soll wirtschaftlich sein
Emschergenossenschaft-Chef Paetzel erklärte, dass die Abwasserwärme vor allem für Mehrfamilienhäuser und größere Einrichtungen wie Schulen eine gute Lösung sein könne. Dadurch, dass die Preise für andere Energieträger inzwischen so hoch seien und durch den CO2-Preis noch stiegen, sei die Technik inzwischen auch wirtschaftlich. "Da ist echt was möglich", sagte Paetzel. Studien zeigten, dass sieben bis zehn Prozent des Wärmebedarfs so gedeckt werden könnten.
Beispiele aus der Praxis, wo das Abwasser zum Heizen genutzt wird, gibt es bereits. So kommt die Technik seit Jahren im Nord-West-Bad Bochum zum Einsatz. 60 Prozent des Wärmebedarfs werden dadurch nach Angaben der Emschergenossenschaft gedeckt. Die Folge: 73 Prozent Energieeinsparungen und 40 Prozent CO2-Einsparungen. In Dortmund wird seit 2018 der Seniorenwohnsitz Westholz über Wärme aus einem Abwasserkanal gewärmt.
Kommunen und Stadtwerke müssen überzeugt werden
Trotzdem ist die Zahl der hierzulande realisierten Abwasserwärme-Vorhaben noch überschaubar und hinkt der Entwicklung in anderen europäischen Ländern hinterher, wie schon im Sommer auf einer Tagung in Essen deutlich wurde. Die Technik sei noch zu unbekannt und es scheitere oft an dem Austausch zwischen Wasserwirtschaft und Energiebranche, hieß es. Erst steigende Gaspreise im Zuge des Kriegs in der Ukraine hätten eine größere Nachfrage in Gang gesetzt.
Paetzel hofft in den Reihen der Kommunen und Stadtwerke nun auf eine gewisse Offenheit. Manche zeigten sich schon bereit, die Technik zu prüfen und einzubauen, andere seien hingegen noch abwartend.
Quellen:
- Pressekonferenz der SPD-Landtagsfraktion
- Nachrichtenagentur dpa
- Emschergenossenschaft