An diesem Freitag haben hunderte Kleinunternehmer und Soloselbständige nach Münster geschaut: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat über die Corona-Soforthilfen verhandelt. "Das ist ein wichtiges Urteil", sagte Reiner Hermann, Sprecher der Interessengemeinschaft Soforthilfe NRW im Vorfeld. Darauf hätten viele Menschen bundesweit gewartet. Nun ist das Urteil da: Die Rückforderungen von Corona-Soforthilfen für Soloselbständige in Nordrhein-Westfalen waren rechtswidrig, so das Gericht.
Land NRW hat sich nicht an seine Bedingungen gehalten
Die Begründung des OVG: Das Land habe schon bei der Auszahlung bestimmte Bedingungen festgesetzt. "An diese Vorgaben musste das Land sich dann auch halten, als es später abgerechnet hat und zurückgefordert hat", sagte Gerichtssprecherin Gudrun Dahme.
Das hatte das Land aber nicht getan. Für seine finalen Abrechnungen hatte es die Bedingungen angepasst. Das war rechtswidrig. Deshalb hat das höchste Verwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen den Klägern in den drei Musterverfahren Recht gegeben.
Ein Sieg mit Abstrichen
Trotzdem ist es auch für die Kläger nur einen Sieg mit Abstrichen. Sie hatten argumentiert, die Corona-Hilfen - in den drei Verfahren jeweils 9.000 Euro - seien ihnen auch für Umsatzeinbußen ausgezahlt worden. Sie wollten das Geld also behalten, wenn sie weniger Einnahmen hatten. Und zwar unabhängig davon, ob sie in der Zeit auch Ausgaben eingespart hatten, etwa für den Sprit für Fahrten zum Auftraggeber.
Dem ist das OVG am Freitag nicht gefolgt. Die Hilfe sei in den meisten Fällen von vorneherein nur für den echten Verlust in einer finanziellen Notsituation ausbezahlt worden - zumindest nach den Förderbedingungen, die das Land bei Auszahlung selbst aufgestellt hatte.
Allerdings war das aus den Bescheiden nur schwer herauszulesen, so der Senat. Für Empfänger sei es "wirklich nicht so einfach" gewesen herauszufinden, was die Vorgaben sein sollten, so Gerichtssprecherin Dahme. "Und dazu kamen noch Hinweise auf den Internsetseiten, die auch nicht so ganz passten."
Viel Kritik vom Gericht
Überhaupt gab es viel Kritik vom Gericht: Der Staat habe hier zwar freiwillige Leistungen gewährt. Handwerklich sind die aber offenbar schlecht umgesetzt worden. Es wäre sinnvoll gewesen, wenn das Land nochmal einen Sprachwissenschaftler über den Bescheid hätte gucken lassen, bevor er über 400.000 Mal verschickt wurde, so der Vorsitzende Richter wörtlich.
Die Kläger waren deshalb nach dem Urteil insgesamt recht zufrieden. Reiner Hermann von der Interessengemeinschaft der Betroffenen hofft nun auf positive Urteile in den übrigen Klageverfahren. "Die haben schon die Leviten gelesen bekommen", sagte er.
Für die übrigen etwa 2.000 Kläger müsse das Land nun ein neues Abrechnungsverfahren aufsetzen, so Hermann.
Urteil hat für viele Betroffene keine Auswirkung
Keine Wirkung hat das Urteil hingegen für die vielen Betroffenen, die nicht gegen ihre Schlussabrechnungen geklagt haben. Zwar könnte das Land auch in diesen insgesamt etwa 220.000 Fällen neu abrechnen - und das womöglich teils auch zulasten der Betroffenen. Bislang hieß es aber, dass die Landesregierung das nicht vor habe.
Das Urteil ist zwar nur für die Fälle in NRW wegweisend, dürfte aber auch für das gesamte Bundesgebiet ein wichtiger Fingerzeig sein. Und auch für den künftigen Umgang mit Krisen und Hilfs-Programmen dürfte das Urteil sehr relevant sein.
Eine Revision gegen das Urteil hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen.
Über dieses Thema berichten wir am 17.03.2023 auch in den Hörfunknachrichten, unter anderem bei WDR5.