Das NRW-Wirtschaftsministerium hat am Freitag angekündigt, beim Oberverwaltungsgericht Münster Berufung gegen die Urteile der Verwaltungsgerichte Düsseldorf, Köln und Gelsenkirchen zur Corona-Soforthilfe-NRW 2020 einzulegen.
Ministerin Mona Neubaur (Grüne) begründete den Gang nach Münster damit, dass die drei unterschiedlichen Urteile der jeweiligen Verwaltungsgerichte keine Rechtsklarheit gebracht hätten. "Eine mögliche daraus resultierende Ungleichbehandlung wollen wir durch eine Berufungsentscheidung vermeiden." Zudem sei es "aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" geboten, Berufung gegen die Urteile einzulegen.
Das Ministerium kündigte zugleich an, dass "angesichts der angespannten wirtschaftlichen Situation vieler Unternehmen" geprüft werde, "ob und in welcher Form ein Zahlungsmoratorium erlassen werden kann".
Rund 2.500 Klagen gegen Schlussbescheide - Ausgang offen
Laut NRW-Wirtschaftsministerium sind in NRW bei den Verwaltungsgerichten rund 2.500 Klagen gegen die Schlussbescheide eingelegt worden. Die Verwaltungsgerichte hätten in insgesamt elf repräsentativen Verfahren entschieden. Alle Verwaltungsgerichte haben die Berufung wegen der besonderen Bedeutung der Sache zugelassen.
SPD fordert Stopp der Rückzahlungs-Forderungen
Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, André Stinka, sagte am Freitag: "Dass die Landesregierung nun Berufung gegen die Urteile einlegt, muss für die betroffenen Unternehmen und Selbstständigen wie blanker Hohn wirken. Sie kommen gerade aus der Corona-Krise und stecken nun in der Energiekrise." Sie bräuchten nun die Unterstützung der Wirtschaftsministerin. Darum sollte die Landesregierung die Urteile anerkennen und die Rückforderungen stoppen, forderte Stinka.
Das Ministerium solle prüfen, ob man denen, die nicht geklagt, sondern die geforderte Rückzahlung an das Land geleistet hätten - immerhin seien das 60.000 Betroffene - diese Gelder erstatten könne. "Das wäre eine unmittelbare Unterstützung in wirtschaftlich ohnehin schwierigen Zeiten."
Drei Pilotverfahren in Düsseldorf
In drei Pilotverfahren hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf Mitte August den Empfängern der Soforthilfe Recht gegeben: Die Schlussbescheide der Bezirksregierung Düsseldorf mit ihren Rückforderungen in Höhe von Tausenden von Euro wurden zunächst als rechtswidrig aufgehoben.
Als Begründung gab das Gericht an, die Antragsformulare und die Genehmigungsbescheide für die Corona-Soforthilfe seien missverständlich formuliert gewesen. Die Antragsteller hätten zu Recht davon ausgehen können, dass Maßstab für die Soforthilfen ihre Umsatzeinbußen seien und nicht die durch die Pandemie eingetretenen Verluste. Letzteres hatte das Land erst Wochen später klargestellt. Unklarheiten müssten zulasten der Behörden, nicht der Empfänger gehen, befand das Gericht.
Konkret hatten vor dem Verwaltungsgericht der Betreiber eines Düsseldorfer Schnellrestaurants, die Betreiberin eines Kosmetikstudios aus Remscheid und ein auf Fortbildungsangebote spezialisierter Steuerberater aus Düsseldorf geklagt. Sie alle hatten zu Beginn der Corona-Pandemie 9.000 Euro Soforthilfe erhalten. Später forderte die Bezirksregierung aber jeweils rund 7.000 Euro zurück. Dagegen wehrten sie sich mit ihren nun in erster Instanz erfolgreichen Klagen.
Auch vor dem Verwaltungsgericht Köln waren Mitte September Klagen gegen die Rückzahlung von Corona-Soforthilfen erfolgreich. Ähnlich urteilte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen.
Die Corona-Soforthilfen 2020
Zu Beginn des coronabedingten Lockdowns im März 2020 war für Hunderttausende Solo-Selbständige, Freiberufler sowie kleine und mittlere Unternehmen mit Unterstützung des Bundes das milliardenschwere Programm "NRW-Soforthilfe 2020" aufgelegt worden. Ausgezahlt wurde zunächst eine Pauschale - um Zeit zu gewinnen, erfolgte die Liquiditätsprüfung erst nachgelagert.