Ärzte fordern Abschaffung der Kinderkrankschreibung

02:40 Min. Verfügbar bis 28.03.2026

Kinderärzte fordern Abschaffung der Kinderkrankschreibungen

Stand: 28.03.2024, 18:10 Uhr

Wenn die Kinder krank sind, brauchen Eltern für ihre Arbeitgeber eine Krankschreibung, um zu Hause bleiben zu können. Der Kinderärzteverband hält das bei leichten Erkrankungen für unnötig.

Von Jörn KießlerJörn Kießler und Moritz Börner

Vor allem, weil die Krankschreibungen den Kinderärztinnen und -ärzten zusätzliche Arbeit macht. Denn selbst wenn ein Kind nur eine laufende Nase habe, kämen Eltern oft in die Praxen, um eine Bescheinigung für ihren Arbeitgeber zu bekommen. Dies komme einem "unnötigen Einsatz von pädiatrischen Ressourcen" gleich, sagte Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) der Ärzte-Zeitung.

Das kann Dr. Axel Gerschlauer bestätigen. Laut dem Bonner Kinderarzt ist das Problem, dass viele Eltern in seine Praxis kommen, weil sie ein Attest für ihren Arbeitgeber oder die Kita brauchen "oder glauben zu brauchen".

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Bonner Kinderarzt: "Fünf Minuten pro Kind"

Für Gerschlauer bedeutet das, dass er die Kinder untersuchen muss "und natürlich sind wir auch schnell, aber selbst wenn du dich ganz ganz schnell beeilst, du brauchst auf jeden Fall fünf Minuten für so ein Kind" - auch wenn es nur Schnupfen oder Husten habe. "Da brauchst du keinen Arzt, da brauchst du ein Sofa, eine Mama die dir vorliest und Papa der mit dir kuschelt, und das war's", sagt Gerschlauer.

Kinder- und Jugendarzt Axel Gerschlauer

Kinderarzt Dr. Axel Gerschlauer

Was die Situation für viele Ärzte noch belastender macht ist, dass viele dieser Untersuchungen trotz Krankschreibung nicht nötig wären. Denn seit Dezember vergangenen Jahres können Ärzte ihre Patienten auch wieder telefonisch Krankschreiben - gerade bei leichten Erkrankungen wie Husten und Schnupfen.

"Aber noch immer ist das so, dass viele Eltern für entweder diese Kinderkrankschreibungen oder andere unsinnige Atteste in die Praxis kommen." Dr. Axel Gerschlauer, Kinderarzt aus Bonn

Kita-Personal reagiert schneller auf Krankheiten

Laut Susanne Kuger, Forschungsdirektorin am Deutschen Jugendinstitut (DJI), kommen die Eltern aber nicht "aus Jux und Dollerei" in die Arztpraxen. "Sondern weil sich der Druck auf sie seit Jahren immer weiter erhöht hat", sagt Kuger. Das geht unter anderem aus der Corona-Kita-Studie und den Elternbefragungen im Rahmen des Kinderbetreuungsreports hervor, die das DJI durchgeführt hat.

"Darin zeigt sich unter anderem, dass die Kitas vorsichtiger geworden sind und Kinder, die husten oder fiebern, schneller nach Hause schicken, einfach um die anderen Kinder und auch das Personal zu schützen", sagt Kuger. Diese Sensibilität werde zudem verstärkt durch den Personalnotstand, der ohnehin in den Kitas herrsche und es noch dringlicher mache, Erkrankungen bei den Mitarbeitenden zu verhindern.

Psychologin: Arbeitgeber fordern mehr von Eltern ein

All das führe dazu, dass Eltern, die heute öfter beide berufstätig seien, häufiger mit der Situation konfrontiert würden, ein Kind betreuen zu müssen. "In unseren Befragungen sehen wir, dass Eltern durch solche unvorhersehbaren Ereignisse größere Probleme mit der Kinderbetreuung bekommen, als noch vor ein paar Jahren", so Kuger. Dafür sorgt ihrer Meinung nach auch, dass die Arbeitgeber häufiger ein Attest fordern, dass das Kind auch wirklich krank ist.

Unsere Quellen

  • Nachrichtenagentur dpa
  • Interview mit Kinderarzt Dr. Axel Gerschlauer
  • Interview mit Susanne Kuger, Forschungsdirektorin am Deutschen Jugendinstitut

Über dieses Thema berichtet der WDR am 28. März 2024 unter anderem im Hörfunk.