Brände, Explosionen, Schüsse, Geiselnahmen - die Polizei im Raum Köln ist derzeit mit einer neuen Dimension von Gewalt unter kriminellen Banden konfrontiert. Unbeteiligte Bürgerinnen und Bürger laufen Gefahr, durch Zufall in die Schusslinie zu geraten.
Der neueste Fall: Am Sonntagmorgen hat es in Wachtberg bei Bonn eine schwere Explosion an einem Einfamilienhaus gegeben. Verletzte wurde niemand. Polizei und LKA untersuchen derzeit, ob es einen Zusammenhang zu anderen Explosionen in Köln und Umgebung gibt. Im Kölner Stadtteil Niehl wurden noch am frühen Samstagmorgen mit einer Maschinenpistole mehr als 30 Schüsse auf ein Uhrengeschäft abgefeuert, das sich in einem Wohnhaus befindet.
Straßenumfrage: Unsicherheit und Unbehagen
Das sorgt für ungute Gefühle. "Sicher fühlt man sich auf jeden Fall nicht mehr", sagte ein Passant in der Kölner Innenstadt am Samstag dem WDR. "Rausgehen überlegt man sich dreimal." Trotzdem wolle er sich nicht einsperren lassen. "Man muss ja weiterleben."
Eine Innenstadt-Besucherin sagte bei der WDR-Straßenumfrage: "Ich bin froh, dass ich hier nicht wohne." Sie überlege sich, welche Gegenden sie in Großstädten besuche. Eine andere Passantin antwortete auf die Frage, was diese Ereignisse bei ihr auslösten: "Angst - Wann trifft's mich? - Kommt noch mehr? - Unbehagen - Man will eigentlich nicht mehr raus."
Welche Taten gab es bisher?
Neben den Schüssen auf ein Uhrengeschäft hat es in Köln zuletzt noch weitere Gewalttaten gegeben. Dazu zählen unter anderem zwei Explosionen: Nachdem am frühen Montagmorgen eine Explosion vor dem Vanity Club am Hohenzollernring bereits die Kölner Innenstadt erschüttert hat, gab es in der Nacht auf Mittwoch den nächsten Knall - vor dem Bekleidungsgeschäfts LFDY ("Live Fast Die Young") in der Ehrenstraße.
Auch in den vergangenen Wochen und Monaten gab es ähnliche Vorfälle:
- Schüsse auf ein Wohnhaus in Köln-Ensen im September,
- Fund einer scharfen Handgranate unter einem ausgebrannten Auto in Köln-Ostheim im September,
- Schüsse auf ein Mehrfamilienhaus in Köln-Ostheim im August,
- eine Explosion in einem Mehrfamilienhaus und Schüsse auf dieses Haus in Köln-Meschenich im Juli.
Neben solchen Ereignissen wie diesen gab es im Juli auch eine Geiselnahme in Bochum, die später in einer Villa in Köln-Rodenkirchen durch die Polizei beendet wurde. Es gab damals auch Explosionen in Düsseldorf, Engelskirchen und Duisburg, die damit in Verbindung stehen könnten. Darüber hinaus gab es auch in Hürth bei Köln eine Geiselnahme.
Was sagt die Polizei dazu?
"Wir stehen hier als Polizei Köln aktuell vor großen Herausforderungen durch beispiellose Fälle der Gewalt und Schwerkriminalität, die es bis dato in Köln so noch nicht gegeben hat", sagte der Chef der Kölner Kriminalpolizei, Michael Esser, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.
Er musste dabei einräumen: "Wir können Ihnen heute noch keine Ermittlungserfolge präsentieren." Es werde aber mit Hochdruck ermittelt. Mehr als 60 Ermittlerinnen und Ermittler bearbeiteten den Komplex. Insgesamt liefen schon rund 30 Ermittlungsverfahren gegen 25 Beschuldigte.
Die Ermittlungen zu den Hintermännern, so die Polizei, werden dadurch erschwert, dass sich sowohl die Verdächtigen als auch die Opfer mit Informationen zurückhalten - wohl weil sie andernfalls Racheakte befürchten.
Worum geht es bei den Taten?
Hintergrund der Taten sind laut dem Kölner Kripo-Chef Esser Auseinandersetzungen unter Banden: "Es gibt offensichtlich im Milieu offene Rechnungen, die noch beglichen werden." In einem der Fälle geht es laut Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer um das Verschwinden von schätzungsweise 300 Kilogramm Cannabis im Bereich der Organisierten Kriminalität (OK).
Die Gruppierung, die um diese Drogen geprellt worden sei, versuche nun, das Cannabis zurückzubekommen oder Schadenersatz zu erhalten. In diesem Kontext seien auch zwei Geiselnahmen von Ende Juni/Anfang Juli in Hürth bei Köln und im Kölner Stadtteil Rodenkirchen zu sehen.
"Die Verbindungen der Taten zur OK in den Niederlanden liegen auf der Hand. Sprengungen zur Warnung oder Schüsse auf Häuser sind dort bereits seit langem an der Tagesordnung", so Kripo-Chef Esser am Donnerstag bei der Pressekonferenz.
Bei anderen Taten wiederum geht es offenbar um einen Streit unter Rocker-Gruppen, wie aus Polizeikreisen zu erfahren war. Auch bei dieser Auseinandersetzung seien wohl Schüsse auf zumindest ein Gebäude abgegeben worden.
Geht das jetzt so weiter?
"Ich kann nicht prognostizieren, dass es morgen aufhört", sagte Oliver Huth, NRW-Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, am Samstag dem WDR. "Was ich allerdings sagen kann, dass meine Kolleginnen und Kollegen in Köln alles dafür tun, dass die Kölner Bevölkerung sicher leben kann."
Man könne in Köln "ganz normal" auf die Straße gehen. "Wir haben keine Verhältnisse wie in New York." Die Fälle gäben zwar Anlass zur Sorge. "Das erfordert hohe Präsenz der Polizei und intensiven Ermittlungsdruck - das ist gar keine Frage." Aber dennoch sei Köln eine sichere Stadt. "Es gibt keinen Grund, sich dort zu Hause einzuschließen."
Unsere Quellen:
- WDR-Interview mit Oliver Huth
- WDR-Straßenumfrage
- Nachrichtenagentur dpa
- WDR-Reporter