NRW streicht Kinderwunsch-Förderung

Aktuelle Stunde 04.09.2024 16:41 Min. UT Verfügbar bis 31.01.2025 WDR Von Martina Koch

Kinderwunsch-Behandlung ohne Förderung: Was das für Betroffene heißt

Stand: 04.09.2024, 20:13 Uhr

Paare mit Kinderwunsch sollen künftig keine finanzielle Förderung vom Land mehr bekommen. Kritik kommt von Betroffenen, der FDP und einer Influencerin.

Sandra Kolodziej wünscht sich ein Kind und braucht dafür medizinische Unterstützung

Sandra Kolodziej

Eine Familie gründen. Für viele Paare ist das der größte Wunsch. So auch für Sandra Kolodziej (30) und ihren Mann (36) aus dem Sauerland. Die beiden wandten sich kurz nach der Hochzeit an eine Kinderwunschklinik. "Wir wussten, dass ich auf natürlichem Weg nicht schwanger werden würde." Der Grund dafür: ein ausbleibender Eisprung. Zwei Jahre lang sei sie in Kliniken behandelt, ihr Körper mit Hormonen stimuliert worden. Doch schwanger wurde sie noch nicht. Jetzt habe der Arzt eine künstliche Befruchtung vorgeschlagen.

NRW will Förderung streichen

Sandra Kolodziej und ihr Mann sind eines von vielen Paaren, die diesen Weg gehen, um ein Kind auf die Welt zu bringen. "In Deutschland ist fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos", schreibt das Bundesfamilienministerium. Um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen, sind sie auf medizinische Hilfe angewiesen. Die Behandlung ist nicht nur körperlich und seelisch eine Belastung. Sie ist kostet auch viel Geld.

Neben der gesetzlichen Krankenkasse (50 Prozent) beteiligten sich daran bis Ende 2023 unter bestimmten Bedingungen auch das Land NRW und der Bund (zusammen 25 Prozent). Der Eigenanteil der Paare betrug 25 Prozent. Doch jetzt will das Land NRW die finanzielle Förderung für eine Kinderwunschbehandlung von ungewollt kinderlosen Paaren streichen - vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags. Der Grund laut Sprecherin des Familienministeriums: gekürzte Fördermittel des Bundes. Damit würde der Eigenanteil, den Paare bei der Behandlung zahlen müssen, von 25 Prozent auf 50 Prozent steigen. 

Jan-Steffen Krüssel, Leiter des Kinderwunschzentrums an der Düsseldorfer Uniklinik, nennt 3.600 Euro als durchschnittliche Kosten für eine künstliche Befruchtung. Davon müssten Betroffene dann künftig statt 900 Euro einen Eigenanteil von 1.800 Euro zahlen.

Viele Paare nehmen mehrere Behandlungen in Anspruch, die Chance auf eine Schwangerschaft steigt bei mehreren künstlichen Befruchtungen. Nach vier Embryotransfers vom Reagenzglas in den Mutterleib werde mehr als jede zweite Frau schwanger, schreibt das Kinderwunschzentrum der Düsseldorfer Uniklinik.

Elf künstliche Befruchtungen, bis es klappte

Anna Adamyan aus Köln

Influencerin Anna Adamyan

Die Influencerin Anna Adamyan aus Köln erfuhr mit Anfang 20 von ihrer Unfruchtbarkeit. Auch sie und ihr Mann wollten unbedingt ein Kind. Sie brauchten elf künstliche Befruchtungen, bis es klappte. Auf Instagram lässt sie ihre Community teilhaben, will anderen Mut machen. Sie hatte Glück - andere nicht, das findet sie ungerecht. Deshalb startete sie die Petition "#KiwuFürAlle - für eine faire Kostenübernahme von Kinderwunschbehandlungen". Mehr als 100.000 Menschen haben sich bei change.org schon daran beteiligt.

NRW unterstützt nicht bei Kinderwunsch

WDR Studios NRW 04.09.2024 00:21 Min. Verfügbar bis 04.09.2026 WDR Online


"Landesregierung ist sich bewusst, dass dies viele enttäuscht"

Der Bund habe im vergangenen Jahr ohne Rücksprache mit den Ländern angekündigt, seine Fördermittel für die Kinderwunschbehandlung für 2024 zu kürzen - und nun sei auch eine weitere Kürzung für 2025 geplant, so die Sprecherin. Das gehe aus der Verabschiedung des Bundeshaushalts für 2024 und einem vom Bund erhaltenen Zuweisungsschreiben hervor. "Die Landesregierung ist sich darüber bewusst, dass dies viele Interessierte enttäuscht."

Entäuscht. Das ist auch Sandra Kolodziej, die unmittelbar davon betroffen ist. Nachdem die Krankenkasse ihre Behandlung bewilligt hat, wäre der Antrag für die Förderung von Bund und Land jetzt der nächste Schritt gewesen. Daraus wird jetzt wohl nichts. Bearbeitet werden nur noch Anträge, die bis Ende 2023 gestellt wurden.

"Es werden Menschen im Stich gelassen, die sich nichts sehnlicher wünschen, als ein Kind zu bekommen. Das zu unterstützen, ist eine gesellschaftliche Verantwortung." Sandra Kolodziej

Jan-Steffen Krüssel vom Kinderwunschzentrum an der Düsseldorfer Uniklinik sieht das ähnlich. Gerade die Paare, die nicht so viel zur Verfügung haben, könnten sich die Behandlung jetzt nicht mehr wirklich leisten - oder sie müssten erst mal sparen und warten, wodurch wieder Zeit verloren gehe. Dabei sei gerade auch Zeit ein kritischer Faktor bei der künstlichen Befruchtung: Je älter, desto schwieriger werde es.

Wie läuft eine künstliche Befruchtung ab?

Für wen kommt eine künstliche Befruchtung infrage, welche Arten gibt es und wie läuft so etwas ab? Antworten darauf haben wir hier:

Der Wegfall der Förderung fällt außerdem in eine Zeit, in der die Geburtenrate sinkt. Laut Statistischem Landesamt NRW sind 2023 so wenige Kinder auf die Welt gekommen wie seit etwa zehn Jahren nicht mehr. Das Streichen der Förderung könnte den Trend verstärken.

Die Förderung von Land und Bund lief seit 2019. Nach Angaben des NRW-Familienministeriums wurden bis zu 6.650 Anträge pro Jahr bewilligt - das entspricht 95 Prozent der Anträge. Bevor die Förderung jetzt gestrichen wurde, war sie seit 31. Dezember 2023 ausgesetzt worden - aber Betroffene hatten bisher noch auf eine Wiederaufnahme des Programms gehofft.

FDP: Kinderwunsch darf nicht am Geld scheitern

Die Entscheidung der schwarz-grünen Landesregierung stößt auf scharfe Kritik der FDP-Landtagsfraktion. Sie fordert, dass der Zugang zu Kinderwunschbehandlungen nicht vom Geldbeutel abhängen dürfe. "Es ist absolut unverständlich, dass die Landesregierung sich entschieden hat, die Förderung komplett zu streichen und damit tausende ungewollt kinderlose Paare im Stich lässt. Ein Kinderwunsch darf nicht am Geld scheitern", sagt Marcel Hafke, Parlamentarischer Geschäftsführer und familienpolitischer Sprecher der Fraktion. Die FDP-Fraktion fordert, dass das Land NRW eigenständig ausreichend Mittel bereitstellt.

Unsere Quellen:

Über dieses Thema berichtete der WDR auch im Fernsehen, unter anderem in der Aktuellen Stunde am 04.09.2024 um 18.45 Uhr

Kommentare zum Thema

24 Kommentare

  • 24 thorsten frenser 05.09.2024, 22:28 Uhr

    Besser hätte Frau Josefine Paul die "Asozialisierung" und den sozialen Niedergang Deutschlands nicht bezeichnen können. Man kann sich nur Wünschen und für alle Betroffenen hoffen, das hier ein Umdenken stattfindet. Ich bitte darum!

  • 23 Marie-Luise Chanderh 05.09.2024, 19:19 Uhr

    Die Familie, wie auch immer sie sich zusammensetzt, ist und bleibt elementare Kernzelle eines jeden Landes - nur dieses nicht. Es ist eine Schande, wie weit diese Regierung rücksichtslos und gnadenlos die Bevölkerung des eigenen Landes minimiert, dafür aber Flüchtlinge und Migranten in unüberschaubarer Anzahl ins Land lässt. Keinesfalls bin ich gegen Flüchtlinge eingestellt, im Gegenteil, jedoch darf die eigene Bevölkerung dabei nicht zu kurz kommen. Diese Zumutung ist ein weiterer Beweis für die Unfähigkeit dieser Regierung - so man sie als solche denn bezeichnen kann. Es wird höchste Zeit für einen entscheidenden Wechsel.

  • 22 Peter Jungen 05.09.2024, 18:02 Uhr

    Das Gesundheitswesen wird immer teuerer. Zähne etc werden kaum bezahlt. Geschlechtsverstümmelung und Kinderwunsch werden fast ohne Einschränkungen gefördert. Keiner fragt sich warum mehr und mehr Menschen zwischen 20 und 42 Jahre zu unterstützenden Maßnahmen greifen müssen um schwanger zu werden. Warum viele immer später Kinder bekommen wollen jedoch die Kosten diese Bemühungen auf die Allgemeinheit abwälzen wollen. Es ist nicht fair.

  • 21 Betroffene 05.09.2024, 17:17 Uhr

    Ein absolutes Disaster! Und politisch bewundert man das Problem des demografischen Wandels, aber handelt nicht entsprechend. War im letzten Koalitionsvertrag nicht noch Gegenteiliges zu lesen?!!

  • 20 Arno 05.09.2024, 14:52 Uhr

    Ich finde es angebracht, wenn der Staat sich beteiligt. Im Übrigen muss man die Diskussion aufweiten: Jede*r sollte über ihre/seine Kinderplanung so entscheiden können, dass es nicht vom Geldbeutel abhängt. Ich war vor einigen Jahren in einer guten Situation und konnte mir eine Vasektomie selbst leisten, damit ich nicht versehentlich Vater werde - aber vielen anderen geht es nicht so gut, und es würde unserer Gesellschaft gut zu Gesicht stehen, wenn wir diese fundamentalen Wünsche der Lebensplanung allen Menschen zugestehen und für Kinderwunschbehandlungen, aber auch Verhütungsoptionen aufkommen - egal, ob sie es sich selber leisten können, oder nicht.

  • 19 Nele 05.09.2024, 14:10 Uhr

    Ich finde es definitiv auch nicht in Ordnung, allerdings gibt es auch gleichgeschlechtliche Paare und Alleinstehende Frauen die in keinster Weise eine finanzielle Unterstützung bekommen, weder vom Bund noch von der Krankenkasse. Ich könnte jetzt sagen, hier wird auf nem hohen Niveu gejammert, denn es sind ja immerhin nur 50 % die selbst gezahlt werden müssen, andere zahlen weitaus mehr und benötigen zum Teil ja auch noch Spendersamen, die die Kosten zusätzlich in die Höhe treiben. FAIR IST DAS ALLES NICHT!!! Und leider geht dieses Thema in eine völlig falsche Richtung. Die ganzen Belastungen die Menschen auf sich nehmen sind nicht zu unterschätzen, egal in welcher Konstellation man sich befindet. Eine Angleichung der Unterstützung wäre wünschenswert, für alle Menschen die dies auf sich nehmen und nicht eine Wegnahme!!! VÖLLIG FALSCHE RICHTUNG

  • 18 To Do 05.09.2024, 13:30 Uhr

    Traurig, traurig so manche Kommentare. "Ist von der Natur so gewollt..." dann bitte ich diese Personen auf jegliche Behandlung bei einer Erkrankung zu verzichten, da es ja gegen die Natur ist. "Dann kann man mal adoptieren/Pflegekinder aufnehmen..." Die Zeiten in denen man- wenn man wollte-sofort Kinder adoptieren konnte, sind zum Glück vorbei. Auf ein Kind kommen 10 Paare! Die Hürden dafür sind immens hoch. Bei Pflegekindern genauso, zudem haben diese Kinder noch ein Päckchen mit sich rum zutragen und benötigen dementsprechend professionelle Unterstützung, ggf muss man diese Kinder auch nach 10 Jahren wieder an die leiblichen Eltern abgegeben können. Ich wünsche diesen Paaren nur das Beste! Zumindest sollten finanziell unterstützt werden.

  • 17 Dagmar 05.09.2024, 12:33 Uhr

    Ich kann die große Enttäuschung verstehen, die damit einhergeht. Um nichts in der Welt möchte ich mit jemandem tauschen, der diese Belastung erleben muss. Aber wenn ich als Frau keine Konder möchte, muss ich mich auch selber um die Verhütung kümmern und Sterilisation, Spirale usw. alles selber tragen. Da übernimmt weder der Staat noch die Krankenkasse auch nur einen einzigen Euro. Im Sinne der Gleichbehandlung sollte daher entweder beides oder nichts gefördert werden - ich bin im Übrigen dafür, dass BEIDES gefördert werden sollte!

  • 16 Nina 05.09.2024, 10:51 Uhr

    Nach 3 künstlichen Befruchtungen und 20.000 € Kosten im Eigenanteil kann ich nur sagen, dass das wohl ein Witz sein soll! Die Förderung ist sowieso schon ein sehr geringer Anteil an den Gesamtkosten, aber es erleichtert trotzdem. Was mit einer solchen Behandlung einhergeht an finanzieller, zeitlicher, aber vor allem emotionaler Belastung kann sich niemand vorstellen, der nicht betroffen ist. Hier sollte viel mehr Unterstützung geboten werden, statt diese zu streichen! Kinder sind kein Haus, Auto oder Schiff, dass man sich kauft… sie sind unsere Zukunft. Die Zukunft unserer Gesellschaft, Wirtschaft und des ganzen Landes. Es wird an so vielen Stellen Geld verschwendet… Und wer sagt, die Natur würde das dann so wollen… der sollte die Erfahrung selbst mal machen! Unser Sohn ist unser größtes Geschenk, wir sind so dankbar, dass es diese medizinische Möglichkeit gibt!!

  • 15 Petra 05.09.2024, 09:35 Uhr

    Unsere Kinderwunschbehandlung ist nun schon über 20 her. Das auf und ab was es mit einem macht ist schon schwierig genug, aber dabei noch Geldsorgen zu haben macht es fast unmöglich. Wir sind so froh und stolz zwei gesunde Kinder zu haben.

  • 14 Tinchen 05.09.2024, 09:25 Uhr

    Wurde zwar mit einem Kind auf natürlichem Weg gesegnet, aber der Wunsch nach dem zweiten blieb unerfüllt. Die hohen Kosten und der psychische Stress schreckten meinen Mann ab, weswegen wir eine KiWu-Behandlung gar nicht erst angegangen sind. Ich finde ungewollt Kinderlose sollten unterstützt werden, bis zu einem gewissen Limit an Versuchen meiner Meinung nach zu 100%! Warum gibt es für so etwas keine Stiftung?!

    Antworten (1)
    • @Sandra 05.09.2024, 13:44 Uhr

      @Frank: Ihre Aussage ignoriert die fundamentale Rolle von Kindern in der Gesellschaft. Der Wunsch nach eigenen Kindern ist kein egozentrisches Weltbild, sondern ein tiefes, menschliches Bedürfnis. Es ist absurd, die Bedeutung leiblicher Kinder für die Gesellschaft herunterzuspielen. Kinder sichern den Fortbestand unseres Sozialsystems, finanzieren durch ihre Arbeit und Steuern die Zukunft unseres Landes. Es ist nicht irrelevant, ob Eltern leibliche oder fremde Kinder großziehen – der Staat muss beides ermöglichen. Adoption oder Pflegekinder aufzunehmen ist wichtig, aber das Bedürfnis, eigene Kinder zu haben, ist keine rein egoistische Entscheidung, sondern eng mit der Fortführung der Gesellschaft verknüpft. Der Staat sollte Hindernisse abbauen, nicht den Wunsch nach Familie als „Anspruchsdenken“ abtun.