Litcologne-Leiter: Rushdie sah keine große Gefahr mehr

Stand: 13.08.2022, 16:07 Uhr

Auf den islamkritischen Schriftsteller Salman Rushdie ist ein Attentat verübt worden. Im Interview berichtet Litcologne-Chef Rainer Osnowski von seinen Erfahrungen mit Rushdie und anderen gefährdeten Autoren.

Für islamische Fundamentalisten ist er die Hassfigur schlechthin: Salman Rushdie, Autor der "Satanischen Verse". Wegen dieses Werkes rief der damalige iranische Revolutionsführer Ajatollah Khomeini 1988 per Fatwa dazu auf, den Schriftsteller zu töten. Khomeini warf Rushdie vor, in seinem Roman den Islam, den Propheten und den Koran beleidigt zu haben.

Nun wurde Rushdie in Chautauqua im Bundesstaat New York tatsächlich Opfer eines brutalen Angriffs. Der WDR sprach mit Rainer Osnowski, Leiter des Literaturfestivals Litcologne, über seine Erfahrungen mit Rushdie und anderen gefährdeten Schriftstellern.

WDR: Was haben Sie gefühlt, als Sie von dem Attentat auf Salman Rushdie erfahren haben?

Rainer Osnowski, Geschäftsführer der lit.COLOGNE GmbH

Rainer Osnowski

Rainer Osnowski: Großes Entsetzen. Es ist furchtbar, dass es ein Extremist tatsächlich geschafft hat, Sicherheitskontrollen zu überwinden und den Mann, der seit vielen Jahrzehnten unter Morddrohungen steht, anzugreifen. Wir fühlen mit Salman Rushdie und seiner Familie und hoffen, dass er wieder gesund wird.

"Wir haben einen sehr entspannten Salman Rushdie erlebt. Er sagte, für ihn sei die große Gefahrenlage vorbei und er wünsche keinen Personenschutz." Rainer Osnowski, Leiter des Kölner Literaurfestivals Litcologne

WDR: Wie und wann haben Sie Rushdie das letzte Mal erlebt?

Osnowski: Er war bei der Litcologne spezial im Jahr 2019 mit seinem Quichotte-Buch und wir haben einen sehr entspannten Salman Rushdie erlebt. Er sagte, für ihn sei die große Gefahrenlage vorbei und er wünsche keinen Personenschutz. Wir haben dann mit der Polizei gesprochen und im Saal unauffällig zwei Sicherheitsmenschen gehabt, die zur Not hätten eingreifen können.

WDR: Das Thema Sicherheit war für Rushdie tatsächlich nicht mehr so relevant?

Osnowski: Der ist gar nicht groß auf das Thema eingegangen. Wir hatten den Kontakt zu seinem Verlag und der hat im Vorfeld mit ihm Rücksprache gehalten. Da hieß es, dass diese Lesereise ohne eine Gefahrensituation eingeschätzt wird.

WDR: Wie bereiten Sie sich auf gefährdete Autoren vor?

Osnowski: Im Vorfeld nehmen wir Rücksprache mit dem Bundeskriminalamt oder dem Landeskriminalamt und mit den lokalen Behörden in Köln und schätzen das Gefährdungsrisiko ein. Dementsprechend verhalten wir uns.

"Die extremste Situation war die mit Roberto Saviano, dem italienischen Autor, der sich mit dem Buch "Gomorrha" zum großen Feind der Mafia entwickelt hat." Rainer Osnowski, Litcologne-Chef

WDR: Sie hatten bei der Litcologne auch Autoren und politische Prominenz, die ein massives Polizeiaufgebot benötigten. An was erinnern Sie sich da?

Osnowski: Die extremste Situation war die mit Roberto Saviano, dem italienischen Autor, der sich mit dem Buch "Gomorrha" zum großen Feind der Mafia entwickelt hat. Die Mafia hat ihn bis heute mit Morddrohungen belegt. Bei ihm, der ständig seinen Wohnsitz wechseln muss, war es tatsächlich so, dass er bei öffentlichen Auftritten mit zwei Personenschützern auf der Bühne agierte. Das ist schon ein sehr mulmiges Gefühl, wenn Menschen, die ihre Meinung äußern und Recherchen angestellt haben, um bestimmte Sachverhalte aufzuklären, mit derartigen Gewaltszenarien belegt sind.

WDR: Gab es noch andere Fälle?

Osnowski: Ja, Can Dündar, der in der Türkei mit Haftstrafen bedroht ist. Türkische Extremisten sind natürlich scharf darauf, dem Mann etwas anzutun - aber interessanterweise nicht nur körperlich, sondern auch verbal. Und da wird es dann etwas perfide. Sie haben ihn im Saal und etwa 500 Menschen, von denen nur einige wenige Türkisch verstehen. Und dann kommen türkische Extremisten und beleidigen ihn und seine Familie auf das Übelste auf Türkisch. Da reagieren wir so, dass wir Security-Leute haben, die des Türkischen mächtig sind und die entsprechend reagieren und diese Störer mit Saalverbot belegen können.

WDR: Spielt man Situationen mit gefährdeten Personen vorher durch?

Osnowski: Ja, durchaus. Wir schätzen das im Vorfeld ein. Bisher sind wir aber noch nie zu dem Schluss gekommen, dass die Gefährdungslage so groß ist, dass wir eine Veranstaltung nicht durchführen können. Allerdings nehmen die extremistischen Auswüchse zu. Bei unserem Philosophiefestival hatten wir Karl Lauterbach auf der Bühne. Und da hatten wir im Vorfeld viele Drohungen, die er aber relativ entspannt abgetan hat. Wir haben dafür gesorgt, dass im Saal unauffällig Personenschützer postiert waren.

Das Interview führte Sebastian Galle.

Über dieses Thema berichteten wir am 13.08.2022 auch im WDR Fernsehen in der Aktuellen Stunde.