An einem Arbeitsplatz für Motorklemmen ist ein Mitarbeiter im Rollstuhl mit Montagearbeiten beschäftigt.

Inklusion: 60 Prozent der Arbeitgeber kaufen sich frei

Stand: 30.11.2022, 19:06 Uhr

Die Aktion Mensch kritisiert, dass Arbeitgeber nicht genug tun, um Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Mehr als die Hälfte von ihnen zahlt lieber eine Strafabgabe anstatt ihre Pflichtquote zu erfüllen.

Die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung liegt fast doppelt so hoch wie die allgemeine Arbeitslosenquote. In ihrem Inklusionsbarometer Arbeit 2022 haben der gemeinnützige Verein Aktion Mensch und das Handelsblatt Research Institut die Situation von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt untersucht.

"Haltung der Unternehmen muss sich verändern"

Im vergangenen Jahr waren demnach 11,5 Prozent der Erwerbspersonen mit Behinderung arbeitslos, in der Gesamtbevölkerung lag die Arbeitslosigkeit hingegen bei nur 5,7 Prozent. In die Berechnung flossen nur Personen mit ein, die eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben oder suchen, also dem ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Warum also sind nicht mehr Menschen mit Behinderung in Beschäftigung? Die Aktion Mensch sieht die Arbeitgeber in der Verantwortung: "Die Haltung der Unternehmen muss sich verändern", sagt Christina Marx von der Aktion Mensch dem WDR.

Arbeitgeber erfüllen Quote nicht

Der Staat verpflichtet die Arbeitgeber bereits eine Mindestquote zu erfüllen. Unternehmen ab einer Größe von 20 Arbeitsplätzen müssen mindestens zu fünf Prozent schwerbehinderte Menschen beschäftigen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, müssen sie eine Strafe zahlen - die Ausgleichsabgabe. Sie beträgt für jeden unbesetzten Arbeitsplatz bis zu 360 Euro im Monat.

Dennoch erfüllen rund 60 Prozent der Arbeitgeber die Beschäftigungspflicht nicht, nur rund 40 Prozent besetzen alle ihre Pflichtarbeitsplätze. Ein Viertel der betroffenen Unternehmen beschäftigt sogar keine einzige Person mit Behinderung.

Aus Sicht von Christina Marx von der Aktion Mensch ist das erstaunlich: "Wir wissen aus unseren Studien, dass die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu 80 Prozent sagen, dass sie keine Leistungsunterschiede feststellen, wenn einmal ein Mensch mit Behinderung im Unternehmen ist."

Anteil der Langzeitarbeitslosen in NRW höher

Nordrhein-Westfalen schneidet in diesem Bereich besser ab als der Bundesdurchschnitt, in NRW beschäftigen nur 22 Prozent der betroffenen Arbeitgeber keine Menschen mit Behinderung (bundesweit 26 Prozent). Andererseits ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen unter den Schwerbehinderten in NRW vergleichsweise hoch. Mehr als die Hälfte der arbeitslosen Menschen mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen sind über ein Jahr lang arbeitslos, gelten also als langzeitarbeitslos. In Bayern sind es nur 39 Prozent.

Um mehr Druck auf die Arbeitgeber auszuüben, fordert der Sozialverband VdK eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe. Die Ampel-Regierung hat sich im Koalitionsvertrag zumindest auf eine höhere Abgabe für Arbeitgeber geeinigt, die überhaupt keine Menschen mit Behinderung beschäftigen.

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