MEINUNG

Scholz' China-Reise ist ein Fehler!

Stand: 02.11.2022, 10:22 Uhr

Es gibt Reisen, die ein deutscher Kanzler nach den Erfahrungen mit Putin nicht antreten sollte. Jedenfalls nicht im Regierungsflieger und schon gar nicht mit einer zwölfköpfigen Wirtschaftsdelegation. Olaf Scholz macht es für seinen Antrittsbesuch in China an diesem Donnerstag trotzdem.

Von Ralph Sina

Ich liebe Quizfragen. Vor allem, wenn sie ungewöhnliche Tiere betreffen.

Zum Beispiel: Welches Tier altert optisch nicht, bekommt keinen Krebs, empfindet keinen Schmerz und lebt in einer Art permanentem Lockdown nach chinesischem Muster?

Zwei Nacktmulle in einem Tunnel unter der Erde | Bildquelle: WDR / picture alliance / blickwinkel/H. Schmidbauer

Antwort: die Nacktmulle. Sie sind ein Lieblingstier der Krebs-, Schmerz- und Altersforscher. Eigentlich müssten Nacktmulle auch ein Favorit der radikalen Null-Covid und Lockdown-Anhänger in der chinesischen Parteiführung sein! Denn die Nacktmulle leben völlig abgekapselt und getrennt von der Außenwelt in einem Tunnelsystem unter der Erde.

Vielleicht sollte Olaf Scholz neben den Chefs der wichtigsten deutschen Unternehmen auch eine Nacktmullen-Königin mit nach China nehmen. Der Düsseldorfer Aquazoo könnte ihm da sicher helfen. Aber noch viel besser wäre es, die China-Reise sofort abzusagen.

Falsche Reise zum falschen Zeitpunkt

Die China-Reise von Scholz ist nicht nur überflüssig und eine Zeitverschwendung, sondern ein Grund für Flugscham. Nicht primär aus ökologischen, sondern aus politischen Gründen. Der Kanzler fliegt zum völlig falschen Zeitpunkt in die völlig falsche Richtung.

Das deutsche Reiseziel müsste lauten: auf zu mehr Unabhängigkeit von China! Eine lange und komplizierte, aber sehr notwendige Reise. Wenn Scholz Pandas sehen will, kann er das auch in der Nähe des Kanzleramts - im Berliner Zoo. Denn sein Gastgeber Xi hat vor sieben Jahren das Panda-Pärchen Meng Meng und Jiao Qing an die Bundeshauptstadt übergeben. Als "Botschafter" der guten Beziehungen zwischen China und Deutschland. So versteht sich ja auch Olaf Scholz. Doch dem Kanzler geht es nicht darum, die Pandas im Berliner Zoo zu beobachten. Scholz will den politischen Aggressions-Panda in Peking hofieren. Genau das ist ein großer Fehler!

Scholz geht schon vor der Reise in die Knie

Es beginnt schon mit dem Gastgeschenk. Statt eines demonstrativ hässlichen Nacktmulls bringt Scholz sein desaströses "JA" zur Direktinvestition des chinesischen Staatskonzerns Cosco im Hamburger Hafen mit.

Leider hat Scholz keine Zeit, sich mal im Duisburger Binnenhafen nach deren Cosco-Erfahrungen umzuhören. In Duisburg tauchte sein Gastgeber Xi vor acht Jahren auf, als die NRW-Ministerpräsidentin noch Hannelore Kraft hieß und der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel war. Es war die Zeit, als Scholz' Parteifreund Gabriel ohne Skrupel den Gas-Speicher-Verkauf an Russland genehmigte. Und am Duisburger Hafenterminal neben Chinas Staatspräsidenten fröhlich applaudierte, als ein "Yuxinou"-Güterzug nach 16 Tagen aus der 11.000 Kilometer entfernten chinesischen Millionenmetropole Chongquing eintraf. Mittlerweile sind es 30 Züge pro Woche.

Duisburg als Drehscheibe für China. Container statt Kohle. Logistik statt Bergbau. NRW als Zentrum der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen: 800 chinesische Firmen gibt es in NRW.

Chinesische Investitionen in NRW

Davon konnte Hamburgs erster regierender Bürgermeister namens Olaf Scholz nur träumen. NRW ist der wichtigste Standort für chinesische Firmen in Europa. Die China-Importe nach NRW sind größer als die aus den USA und Großbritannien zusammen. Doch was bedeuten diese NRW-China-Superlative in den Zeiten der "Zeitenwende", von der Scholz so gerne spricht?

Sie bedeuten eine fatale wirtschaftliche China-Abhängigkeit! China weigert sich, Putin und dessen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen. Peking ist der wichtigste Alliierte des Völkermörders im Kreml. Pekings wichtigster Alliierter in der EU ist Scholz. Der deutsche Bundeskanzler ist der erste EU-Staats- und Regierungschef, der Xi nach dessen brutaler Selbstinszenierung auf dem Parteitag besucht. Im Alleingang. Ohne Frankreichs Präsidenten Macron, der angeboten hatte, Scholz zu begleiten.

Wenn es um die existentiell bedrohte Ukraine geht, lehnt Bundeskanzler Scholz einen deutschen Sonderweg strikt ab. Und verzögert monatelang die Lieferung bestimmter Waffen. Für den Aggressor China und dessen Hamburger Hafen-Ambitionen hingegen war Scholz zum schnellen Solo bereit. Kriegsdrohungen gegen Taiwan, Konzentrationslager für Uiguren, Xi-Diktatur auf Lebenszeit: alles offenbar zweitrangig. Für den Hamburger Scholz zählt vor allem der Hafen: Gegen die Empfehlung von sechs Bundesministerien, des Verfassungsschutzes, des Bundesnachrichtendienstes und gegen den Willen des grünen Koalitionspartners boxte Scholz den Verkauf Hamburger Infrastruktur an den chinesischen Staatskonzern Cosco durch. Sie alle warnen davor, dass ein von der chinesischen KP kontrollierter Konzern und Devisenbringer für Chinas Aufrüstung einen Fuß in den wichtigsten deutschen Hafen setzt. Wie ein engstirnig-provinzieller Hafenmeister, der die Konkurrenten Antwerpen und Rotterdam mehr fürchtet als die Cyber- und Atom-Supermacht China, die systematisch westliche Demokratien und Firmen unterwandert.

Im Griff des Roten Riesen

Von Daimler über Rossmann und Steigenberger bis Biontech - China hat in den letzten Jahren in wichtige deutsche Unternehmen investiert. Die Roboter des von China aufgekauften deutschen Kuka-Konzerns montieren die Porsche im Leipziger Werk des erfolgreichsten deutschen Sportwagen-Produzenten.

Der Hamburger Hafen ist also nur das vorerst letzte Glied in einer langen Kette.

Pelješac-Brücke in Kroatien | Bildquelle: IMAGO/Igor Kralj/PIXSELL

Als Brüssel-Korrespondent habe ich miterlebt, wie ein chinesisches Staatsunternehmen den auch mit unseren Steuergeldern finanzierten Bau der größten Brücke in der EU ergatterte. Strabag und Co: chancenlos. Gegen die staatssubventionierten und von der KP kontrollierten chinesischen Baufirmen kommen die besten deutschen und österreichischen Brückenbauer nicht an.

Scholz tritt mit seiner deplatzierten Chinareise in die Fußstapfen seines großen Hamburger Vorbilds Helmut Schmidt. Der sozialdemokratische Kult-Kanzler reiste bereits 1975 als erster deutscher Regierungschef in die Volksrepublik. Kein Tian'anmen-Massaker konnte Helmut Schmidt aufhalten, immer wieder die chinesische Führung zu besuchen. Bei der Beurteilung anderer Länder dürften keine europäischen Maßstäbe angelegt werden, dozierte Helmut Schmidt. Elementare Menschenrechte waren nach seiner Ansicht eben nicht überall gültig.

Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) | Bildquelle: Federico Gambarini/dpa

Gerhard Schröder setzte Schmidts China-Verehrung nahtlos fort. Vor einem Besuch in Peking erklärte der sozialdemokratische Amtsvorgänger von Scholz, er habe es satt, die chinesische Seite mit Listen politischer Gefangener zu belästigen.

So offen und unmissverständlich formuliert es Scholz nicht. Es werde beim Antrittsbesuch von Scholz in China "auch um die autokratischen Bestrebungen" gehen, kündigte allen Ernstes ein Regierungssprecher an.

Wie bitte? Autokratische Bestrebungen? Angesichts der Brutalität der chinesischen Unterdrückung gegenüber der Minderheit der Uiguren und der Kriegsdrohung gegenüber Taiwan sind solche Töne eine Verhöhnung der Opfer.

Scholz geht es im Kern darum, das China-Geschäft deutscher Großkonzerne anzukurbeln, ob von Thyssenkrupp, BASF oder VW. Aber auch von "hidden champions". Davon gibt es viele in NRW - zum Beispiel die GEA Westfalia Separator Group in Oelde, ein Maschinenbaukonzern mit Hauptsitz in Westfalen. Und natürlich wäre es aus der falschen Weltsicht von Scholz ein Mega-Erfolg, wenn er Biontech helfen könnte, den chinesischen Markt mit Covid-Impfstoff zu beliefern. Was für ein Schwachsinn!

Biontech braucht China nicht

Biontech ist auch ohne China supererfolgreich! Die Mainzer Firma braucht keinen Kniefall vor dem langfristig gefährlichsten Autokraten der Welt namens Xi zu machen. Biontech ist nicht nur wegen seiner Covid-Impfstoffe ein Milliardengewinner, sondern auch wegen neuer Ansätze in der Krebstherapie und wegen seiner erfolgreichen Malaria- und Tuberkulose-Präparate in Afrika. Biontech braucht China nicht. Allenfalls ist es umgekehrt.

Deshalb ist nicht nur die Reise von Scholz nach China falsch, sondern auch seine Biontech-Reisebegleitung aus Mainz. Scholz' Wunschvorstellung, die Chinesen würden den Mainzer Impfstoff ihrer Bevölkerung zugänglich machen, den Lockdown für Millionen chinesischer Arbeitskräfte lockern und dadurch eine wichtige Lieferketten-Problematik aus der deutschen Welt schaffen, ist abenteuerlich naiv. Biontech bemüht sich seit 2020 um eine Marktzulassung in China und hat dafür statt des US-Konzerns Pfizer ein chinesisches Unternehmen ins Boot geholt, das Aktienpakete von dem Mainzer Konzern kaufte und sich an Entwicklungskosten des Covid-Impfstoffs beteiligte. Doch bisher benutzt Peking die Kooperation nur, um zu versuchen, die mRNA-Technologie zu kopieren. Scholz wird diese chinesische Mauer nicht einreißen.

Aber der Kanzler will es um jeden Preis versuchen. Denn der Exportmeister Bundesrepublik schwächelt bedrohlich. Und der bisherige Weltwirtschaftsmotor China auch. Und diese Art von Zeitenwende will der Kanzler stoppen. "Erst kommt das Fressen, dann die Moral", sagt sein Parteifreund Sigmar Gabriel.

Irgendwo und irgendwie müssen sie ja erwirtschaftet werden, die deutschen Sozialleistungen. In Dortmund leben rund 30 Prozent der Kinder in Hartz-IV-Haushalten. In Gelsenkirchen über 40 Prozent. Flächendeckendere und massivere Armut gibt es nirgendwo in der Bundesrepublik.

Duisburg-Marxloh, Dortmund Nord, Gladbeck, Gelsenkirchen, Bottrop-Boy: Ohne staatliche Unterstützung sind hier Unruhen vorprogrammiert. Der soziale Friede im Pott und der teure deutsche Sozialstaat haben ihren Preis. Ohne das profitable China-Business und ohne die Gewinne von VW, BMW und Daimler im Reich der Mitte geht es nicht. Zumindest noch nicht. Diese Tatsache ist aber kein Grund, dass Scholz ausgerechnet jetzt allein nach Peking reist und auch noch Konzerne wie Biontech mitnimmt, die China als Absatzmarkt gar nicht nötig haben.

Scholz unnötig in der Panda-Falle

Der Kanzler begibt sich mit diesem Solo unnötig in die Panda-Falle. Demonstrativ erneut nach Kiew fahren, der Ukraine mehr deutsche Flugabwehrsysteme und Panzer liefern und China damit die Entschlossenheit und Unerschrockenheit Berlins zeigen - das wäre jetzt die angemessene Geste gegenüber Peking.

Gesucht wird neue China-Strategie

Gemeinsam in der EU eine Hafenstrategie zu entwickeln. Und eine Strategie, damit auch NRW von China unabhängiger wird. Das ist nach Deutschlands Putin-Debakel jetzt die oberste Aufgabe. Mit seinem unnötigen Alleingang ins Xi-Reich schwächt Scholz die EU gegenüber Peking und isoliert Deutschland in Europa. Ob der Kanzler mit seiner Reise die deutsche Wirtschaft stärkt, ist völlig offen. Nutzen und Risiken dieses Solos stehen in keinem Verhältnis.

Scholz als Nacktmull

Scholz sollte lieber die Panda-Pärchen im Berliner Zoo beobachten, als den Tyrannen und Putin-Allierten Xi mit seinem Besuch aufzuwerten. Sonst steht Scholz nach seiner Peking-Visite wie ein Nacktmull da: völlig isoliert.

Was meinen Sie? Ist es richtig, dass Scholz gerade jetzt nach China reist? Gibt das den Push, den die deutsche Exportwirtschaft jetzt dringend braucht? Kann er Chinas allmächtigen Staatspräsidenten Xi vielleicht sogar von einem möglichen Angriff auf Taiwan abhalten? Sind die deutsche Volkswirtschaft und NRW gar nicht so abhängig von China, wie immer alle behaupten? Diskutieren Sie mit!

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Kommentare zum Thema

  • Anonym 08.11.2022, 08:31 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)

  • Anno Nühm 05.11.2022, 10:21 Uhr

    Der Fehler ist nicht die Chinareise, der Fehler ist Scholz selbst. Er ist persönlich als Bundeskanzler nicht geeignet. Scholz und sein gesamtes Kabinett sind nicht länger tragbar für unser Land.

    • Anonym 06.11.2022, 01:39 Uhr

      Das Einzige, was Sozis und ihre Greenhörner vom Geld verstehen, ist , daß sie es von anderen haben wollen ! So schnell. wie sie beim Wähler seit Anfang 2022 abgestürzt sind, so schnell kann man gar nicht gucken ! Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei !

    • Anonym 06.11.2022, 13:27 Uhr

      Sozis und seine Greenhörner agieren nur noch borniert realtätsblind im Nirgendwo. Das beweist auch einmal mehr der linke Außenstürmer der Sozis, ihr BT-Fraktionschef iR. Mützenich, der aktuell idealtypische Täter-Opfer-Umkehr betreibt: Obwohl wir alle inzwischen wissen, daß besonders die Genossen durch ihre Kuschelei mit dem Kreml in den vergangenen 3 Dekaden D in die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen geführt haben , deretwegen jetzt D mit seinen Importpreizahlungen an Rußland auch der mit Abstand größte ausländische Finanzier der Russenkriege in Nah-Ost und besonders in Ukraine ist, faselt er wahnhaft daher, wie er sich allen Ernstes ausdrückt,die Ukrainer, die diese katastrophale Politik jetzt am meisten auszubaden haben in Gestalt der Zerstörung ihres Landes , Toten en masse und möglicher Annektierung , "hätten "ihn schon vor längerer Zeit auf eine Terrorliste gesetzt". Die Apparatschicks der SPD, die aktuell den Kurs bestimmen, kann man nicht mehr voll nehmen.

    • Anonym 06.11.2022, 15:06 Uhr

      Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)

  • Tina 04.11.2022, 12:49 Uhr

    There is no alternative! Wer hat's gesagt? Das war Magaret Thatcher, die das Tina Prinzip in ihrer Handtasche mit sich führte. Galt es schon/noch 2010 als Vorlage für Merkels Unwort des Jahres "alternativlos" so ist es nun Prinzip der US geführten Außenpolitik Europas geworden? Ist es wirklich alternativlos nur noch US Meinungen zu vertreten und bedingungslos dafür alle Beziehungen zu Andersdenkenden abzubrechen, selbst wenn es auf Armut und Abhängigkeit hinausläuft? Schauen wir auf England, welches nach Brexit nur noch US Verbindungen zu pflegen scheint. Dort zeichnete sich schon vor Ukraine ein Energiefiasko auf Strommarkt ab und die Leute werden in diesem Jahr auf Sparsamkeit Enthaltungen und kalten Winter eingeschworen, obwohl sie selber riesige Öl und Gasvorkommen besaßen? Wo ist dieser Reichtum geblieben? So aber reimt sich Tina nicht nur auf China, sondern führt uns auf Englands Abwege, wenn wir die Kontakte wie jetzt zu Russland auch zu China abbrechen?!