An der Tür einer Hausarztpraxis hängt ein Schild mit der Aufschrift "Praxis vorübergehend geschlossen"

Kassenärzte-Chef warnt wegen hoher Energiepreise vor Praxis-Schließungen

Stand: 15.10.2022, 17:45 Uhr

Die steigenden Energiekosten treffen auch die Hausärzte. Kassenärzte-Chef Gassen zufolge könne dies erhebliche Folgen für die Gesundheitsversorgung haben. Die gesetzlichen Krankenkassen kritisieren seine "Unkenrufe".

Von Christian Zelle

Andreas Gassen hat am Freitag im Gespräch mit Zeitungen der Funke Mediengruppe vor einer Verschlechterung der ärztlichen Versorgung infolge der Energiekrise gewarnt. Massiv steigende Heiz- und Stromkosten könnten dafür sorgen, "dass im Zuge dieser Krise Praxen schließen oder ihr Angebot massiv einschränken müssen". Dies bescherte ihm am Samstag massive Kritik von Seiten der gesetzlichen Krankenkassen.

Honorarsteigerung von 11.000 Euro pro Ärztin und Arzt

"Diese Unkenrufe verunsichern Millionen von Patientinnen und Patienten und erstaunen gerade deshalb, weil ein Praxisbesitzer pro Jahr im Durchschnitt weit über 200.000 Euro an Reinertrag erhält", sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, Florian Lanz, der Nachrichtenagentur AFP. Bei Radiologie-Praxen seien es sogar mehr als 400.000 Euro.

"Es steht bereits fest, dass das Ärzte-Gesamthonorar im kommenden Jahr um 1,4 Milliarden Euro steigt." GKV-Sprecher Florian Lanz

"Es steht bereits fest, dass das Ärzte-Gesamthonorar im kommenden Jahr um 1,4 Milliarden Euro steigt", argumentierte Lanz weiter. Das seien "rechnerisch 11.000 Euro pro Ärztin und pro Arzt mehr, die aus den Portemonnaies der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler kommen". Diese sollten daher lieber "diesen Honorarzuwachs, den Millionen Menschen durch ihre Krankenkassenbeiträge finanzieren, würdigen, statt reflexhaft nach noch mehr zu rufen".

Gassen warnte einen Tag zuvor, dass etwa MRT-Untersuchungen nicht mehr wirtschaftlich durchführbar sein könnten, "wenn sich Stromkosten für Radiologen verfünffachen oder sogar verzehnfachen". Er erwarte, dass diejenigen, die ohnehin am Ende ihrer Berufslaufbahn seien, jetzt früher als geplant ihre Mietverträge nicht mehr verlängerten und aufhörten. Bei den Hausärzten sei ein Drittel über 60 Jahre alt. 

"Die wohnortnahe Versorgung ist dann noch stärker gefährdet." Kassenärzte-Chef Andreas Kassen

Gesundheitsministerium steht im Austausch mit Ärzteschaft

Krisenbedingte Praxis-Schließungen würden spätestens im nächsten oder übernächsten Jahr mit voller Wucht zu spüren sein: "Und das in einer Lage, wo wir jetzt schon viele Praxen nicht nachbesetzen können. Die wohnortnahe Versorgung ist dann noch stärker gefährdet", sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

Das NRW-Gesundheitsministerium (MAGS) bestätigte auf WDR-Anfrage, dass man aus den Reihen der Ärzte bereits erste Warnsignale empfangen habe: "Das MAGS steht im regelmäßigen Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Ärzteschaft. Dabei wurde auf die schwierige Situation, insbesondere im Bereich Radiologie, hingewiesen", sagte ein Ministeriumssprecher am Samstag.

NRW wartet Ergebnis der vom Bund beschlossenen Maßnahmen ab

Die Länder hätten sich in diesem Zusammenhang bereits an den zuständigen Bundesgesetzgeber gewandt, der "derzeit mithilfe einer Expertenkommission Maßnahmen ('Gaspreisbremse'/'Strompreisbremse')" erarbeite, die verhindern sollen, dass die Energiekosten die Verbraucherinnen und Verbraucher und Unternehmen in Deutschland überfordern.

Sobald die Ausgestaltung dieser Maßnahmen abgeschlossen sei und man wisse, wie sie wirken, könne das Land prüfen, "ob in der Gesundheitswirtschaft oder in anderen Wirtschaftsbereichen landesseitig weitere zielgenaue Maßnahmen zur Unterstützung notwendig sind".