Jugendwort des Jahres
Aktuelle Stunde. 22.10.2023. UT. Verfügbar bis 22.10.2025. WDR. Von Dorothea Schluttig.
"Goofy" ist Jugendwort des Jahres 2023
Stand: 22.10.2023, 19:58 Uhr
Was haben ein Comic-Hund, ein besonderer Blick und eine Videospielfigur gemeinsam? "Goofy", "side Eye" und "NPC" sind die drei Finalisten für das Jugendwort des Jahres 2023. Jetzt steht der Sieger fest: es ist das Wort "goofy". Doch nutzen die Jugendlichen solche Worte wirklich, wie schauen junge Poeten auf Jugendwörter und wozu sind sie überhaupt gut?
"Wenn irgendwer etwas Komisches gemacht hat, sagt man: Boah, bist du goofy", erklärt der 17-jährige Ayaz aus Düsseldorf. Er steht in einer Gruppe von Gleichaltrigen und betrachtet das Jugendwort 2023 auf einem Ipad. Der 18-jährige Robin stimmt ihm zu: "Goofy benutzen wir relativ oft für jemanden, der etwas Lustiges oder Komisches macht". Und so scheint das neue Jugendwort tatsächlich nah dran zu sein, an dem, wie junge Menschen sprechen. Jedes Jahr kürt es der Langenscheidt-Verlag, gewählt wird es von Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 20 Jahren.
Social Media beeinflusst Jugendsprache stark
Vor allem die Social-Media-Kanäle hätten einen großen Einfluss auf die Sprachentwicklung der jungen Generation, erklärt Patricia Kunth, die die Kampagne für Langenscheidt mitverantwortet hat.
Ayaz, 17 Jahre alt
So findet sich das zweitplatzierte Wort "side eye" auch tausendfach als Meme im Netz. Es steht für einen skeptischen Blick gegenüber einer Person oder Situation. Auch der drittplatzierte Begriff "NPC" entstammt virtuellen Welten und ist die Abkürzung für "Non-player character", eine Videospielfigur, die man nicht steuern kann. Genutzt wird das Wort im echten Leben für eher passive Menschen, erklärt die 17-jährige Jolie: "Ein NPC ist eigentlich jemand, den man vielleicht in einer Gruppe nicht so richtig wahrnimmt."
Poetry-Slammerin: "Schöne alte Worte geraten in Vergessenheit"
Poetry-Slammerin Liselotte Holtmann , 17 Jahre alt
Doch längst nicht alle Jugendlichen benutzen solche Worte. Liselotte Holtmann sitzt auf einer Bank in der Düsseldorfer Innenstadt, aufmerksam beobachtet sie die vorbeieilenden Menschen. In ihr gelbes Buch macht sich die 17-Jährige allerlei Notizen. Sie ist Poetry-Slammerin und schreibt vor allem gesellschaftskritische Texte und wählt ihre Worte stets bewusst - "goofy" und Co sind aber nur selten dabei.
Zwar bringen einige Jugendwörter bestimmte Sachverhalte durchaus besser auf den Punkt, sagt sie: "allerdings finde ich es ein bisschen schade, dass gerade auch Jugendworte, Anglizismen und Abkürzungen so inflationär gebraucht werden, wodurch eben andere veraltete Worte vielleicht auch ein bisschen in Vergessenheit geraten, die jedoch mindestens genauso schön sind."
Jugendsprache weltweit: Abgrenzung gegenüber Erwachsenen
Kilu von Prince, Professorin für Linguistik, Heinrich Heine Universität Düsseldorf
Doch warum gibt es sie überhaupt, diese besonderen Begriffe, die (fast) nur die Jugend versteht? Kilu von Prince, Professorin für Linguistik an der Heinrich Heine Universität in Düsseldorf sagt, sie dienten den Jugendlichen zur Identitätsstiftung innerhalb der eigenen Gruppe. Zudem gehe es darum, sich von Erwachsenen abzugrenzen, die dann nicht alles verstehen, was man sagt.
Dieses Phänomen finde man aber nicht nur bei uns, auch in Ozeanien, wo die 44-Jährige Feldforschung betrieben hat, sei dies zu beobachten: "Dort gibt es einen Sprachlaut, der bei der jüngeren Generation verschwindet. Dabei ist die Zungenspitze an der Oberlippe zu sehen. Den Laut produzieren die jüngeren Sprecher und Sprecherinnen nicht mehr, auch weil sie meinen, dass das nicht gut aussieht."
"Famos, oberaffengeil, krass": Halbwertszeit vieler Jugendwörter ist kurz
Doch wie lange bleiben Jugendworte erhalten? Tatsächlich schaffen es einige von ihnen, dauerhaft zu überleben. So ist der Begriff "cool" auch heute noch im Sprachgebrauch vieler Menschen, die das Jugendalter längst hinter sich gelassen haben. Viele in der Jugend genutzte Worte verlieren sich jedoch mit dem Erwachsenwerden. So wurde, was man im 19. Jahrhundert noch "famos" fand, im Laufe der Jahrzehnte erst "knorke", dann "dufte", in den 80er Jahren "oberaffengeil" und irgendwann "ultrakrass" oder "fett".
Auch Birgit Rebholz erinnert sich: "Wenn wir was gut fanden, haben wir oft gesagt, das ist stark oder bombe", und Maria Wonz aus Remscheid merkt an: "Ich habe gesagt: Das ist super oder perfekt. Aber dieses Wort geil oder so, das kannte ich nicht." Ob sie bleiben oder gehen, ob sie gefallen oder missfallen - letztlich sind Jugendwörter ein Zeichen dafür, dass eine Sprache in Bewegung und vital ist. - Kein Grund also für ein "Side eye".