Glücksspiel-Bericht
Aktuelle Stunde. 13.11.2023. UT. Verfügbar bis 13.11.2025. WDR. Von Alexander Roettig.
Probleme durch Glücksspiel bei Millionen Menschen - das lässt sich dagegen tun
Stand: 14.11.2023, 07:59 Uhr
Lotto, Fußballwetten, Poker, Spielautomaten, Online-Casino - fast jeder dritte Mensch in Deutschland macht sogenannte Glücksspiele. Das geht aus dem am Montag vorgestellten "Glücksspielatlas Deutschland 2023" hervor.
Glücksspiel kann süchtig machen - so sehr, dass Familien zerstört und Existenzen vernichtet werden. Etwa jeder dreizehnte Betroffene entwickelt durch die Teilnahme an Automatenspielen, Sportwetten und anderen Glücksspielen gesundheitliche, finanzielle oder auch soziale Probleme. Das ist eines der Ergebnisse des am Montag veröffentlichten Glücksspielatlas Deutschland 2023.
Die wichtigsten Fakten aus dem Glücksspielatlas 2023:
- 30 Prozent der Menschen in Deutschland nahmen 2021 an Glücksspielen teil.
- 2,3 Prozent der Bevölkerung von 18 bis 70 Jahren haben eine Glücksspielstörung (umgangssprachlich Glücksspielsucht). Von allen Glücksspielenden sind dies 7,7 Prozent. In absoluten Zahlen sind es etwa 1,3 Millionen Menschen.
- Weitere 5,7 Prozent der Erwachsenen bis 70 Jahren zeigen erste Symptome einer Glücksspielstörung. Das sind etwa 3,25 Millionen Menschen.
- Vier von zehn Teilnehmenden an Geldspielautomaten weisen eine Glücksspielstörung auf.
- Die Nachfrage von Online-Glücksspielenden nach ambulanten Hilfeangeboten ist in den vergangenen fünf Jahren stark angestiegen.
- Die Daten zur Spielsucht basieren auf einer Umfrage von 2021.
Welche Aussagen eignen sich, um sich selbst auf Glücksspielsucht zu testen?
- Ich kann mit dem Glücksspielen erst aufhören, wenn ich kein Geld mehr habe.
- Ich denke oft an das Glücksspielen und verspüre einen inneren Drang dazu.
- Ich versuche immer durch erneutes Glücksspielen meine Verluste auszugleichen.
- Zur Geldbeschaffung habe ich schon einmal gelogen oder Tricks angewandt.
Wenn zwei oder mehr dieser Aussagen zutreffen, ist das einen Hinweis auf Probleme mit dem Glücksspielen. Das heißt zwar nicht, dass eine Sucht vorliegen muss, aber es besteht ein Beratungsbedarf, der ernst zu nehmen ist.
Ist Glücksspielsucht eine Krankheit?
Laut der Landesfachstelle Glücksspielsucht NRW haben die Spitzenverbände der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger 2001 die "Empfehlungen für die medizinische Rehabilitation bei Pathologischem Glücksspielen" verabschiedet und somit das Pathologische Glücksspielen als Erkrankung anerkannt. Diese Empfehlungen bilden die Grundlage für die Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen.
Matthias aus Düsseldorf ist 40 Jahre alt und ehemaliger Spielsüchtiger. Er schildert, was es für ein Gefühl war, spielsüchtig zu sein: "In mir war eine gewisse Leere, aber auch ein Gefühl der Freiheit. In der Zeit, in der ich gezockt habe, musste ich mich um nichts anderes kümmern. Nicht um die Arbeit, die Familie oder Freunde."
Welche Auswirkungen kann Glücksspielsucht haben?
Glücksspielsucht könne die Existenz gefährden und den Arbeitsplatz kosten, sagt Burkhard Blienert, der Bundesdrogenbeauftragte. Deswegen ist es aus seiner Sicht wichtig, zu regulieren und illegale Angebote zu bekämpfen.
Es brauche verstärkt Maßnahmen im Straf- und Ordnungsrecht, damit illegale Angebote leichter vom Markt genommen werden können.
Was können Betroffene tun?
Sie sollten sich der Situation stellen und anerkennen, dass es ein Problem mit Glücksspielen gibt, das gelöst werden kann. Weitere Tipps für Betroffene: Beginnen Sie offen und ehrlich zu sein und vermeiden Sie Lügen und Heimlichtuereien, vor allem gegenüber Angehörigen. Sprechen Sie über ihre Situation und über Ihre Schwierigkeiten mit dem Glücksspielen.
Meiden Sie die Orte, an denen Sie gespielt haben und Personen, mit denen Sie gespielt haben. Notfalls machen Sie einen Umweg. Hilfreich kann auch eine zeitlich begrenzte Geldverwaltung durch eine Vertrauensperson sein. Falls Sie Casinospieler sind, veranlassen sie eine Spielersperre für sich.
Denken Sie über ein suchtfreies Leben nach und entwickeln Sie neue Ziele. Gestalten Sie ihre Freizeit aktiv und treiben Sie Sport. Beobachten Sie sich selbst. Nehmen Sie bewusst wahr, was Sie fühlen, denken und wie Sie handeln.
Die Landesfachstelle Glücksspielsucht NRW hat eine Expertenhotline eingerichtet. Diese ist montags bis freitags von 10 bis 16 Uhr erreichbar: 0800 – 077 66 11. Der Anruf ist kostenfrei und anonym.
Was können Angehörige tun?
Angehörige sollten akzeptieren, dass pathologisches Spielen eine Krankheit ist. Betroffene finden immer einen Weg zum Glücksspielen und Ihre Nerven liegen irgendwann blank. Man sollte nicht die Schuld oder die Verantwortung für das Glücksspielen ihrer Angehörigen übernehmen.
Auch noch wichtig: Angehörige sollten kein Geld verleihen und anderen Angehörigen oder Freunden die Situation erklären, damit auch sie kein Geld an glücksspielsüchtige Angehörige verleihen.
Wer verdient eigentlich an Glücksspielen?
Als Faustregel lässt sich sagen: Immerhin die Hälfte der Einnahmen aus Glücksspielen landet wieder bei den Spielerinnen und Spielern. Aber auch der Staat verdient stark mit - und zwar über die Lotteriesteuer, die Sportwettsteuer, die Virtuelle Automatensteuer und die Online-Poker-Steuer. In der Summen waren das nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im vergangenen Jahr zweieinhalb Milliarden Euro.
Trotzdem verdienen auch die Betreiberinnen und Betreiber - zum Beispiel von Spielhallen - in der Summe nicht wenig am Glücksspiel. Allein die Spielautomaten-Branche in Deutschland setzt jährlich Milliarden Euro um - vor der Corona-Pandemie mehr als fünf Milliarden.
Über dieses Thema berichteten wir am 13.11.2023 auch im "Morgenecho" bei WDR 5.
Unsere Quellen:
- Glücksspielatlas Deutschland 2023 und Pressemitteilung
- Landesfachstelle Glücksspielsucht der Suchtkooperation NRW