Gewalt gegen Mitarbeiter: Klinik schult in Selbstverteidigung
Stand: 25.09.2024, 06:00 Uhr
Nach dem gewalttätigen Angriff auf Klinikpersonal in Essen mit mehreren Verletzten fordern Ärztevertreter mehr Geld für Sicherheitskräfte. In einer Leverkusener Klinik setzt man derweil schon auf Selbstverteidigung.
Die Krankenhausärzte-Vereinigung Marburger Bund fordert eine staatliche Finanzierung von Sicherheitskräften an Kliniken. Hintergrund der Stellungnahme vom Dienstag ist ein Vorfall an einem Essener Krankenhaus in der vergangenen Woche.
Angehörige eines gerade verstorbenen Patienten hatten Klinikmitarbeiter so heftig attackiert, dass sechs Angestellte verletzt wurden - eine davon schwer. Ein Tatverdächtiger wurde vorläufig festgenommen. Das Krankenhaus engagierte daraufhin einen Sicherheitsdienst.
Neu ist das Problem nicht: Fast die Hälfte der in Arztpraxen Beschäftigten war schon Gewalt ausgesetzt. Dies geht aus einer Mitte September veröffentlichten Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hervor.
Befragt wurden vor allem Ärzte sowie medizinische Fachangestellte. 43 Prozent und damit fast jeder zweite der rund 7.500 Befragten gab an, in den vergangenen fünf Jahren schon einmal selbst physisch angegriffen oder bedroht worden zu sein.
Einzelne Kliniken haben bereits vor Jahren auf die neue Bedrohung reagiert. Im Städtischen Klinikum Leverkusen werden Mitarbeiter sogar mit Selbstverteidigungs-Kursen geschult. Fragen an Chefarzt Marc Busche.
WDR: Welche Erfahrungen hat man in ihrem Haus mit Angriffen gemacht?
Marc Busche: Das gibt es bei uns im Haus schon länger, dass solche Vorfälle fast an der Tagesordnung sind, gerade in Bereichen wie der Notaufnahme. Das reicht von Beschimpfungen, Bedrohungen, Beleidigungen, Anspucken bis hin zu Festhalten, Schlagen und Treten.
WDR: Wer sind die Täter?
Busche: Das kann man nicht einer Personengruppe zuordnen. Es ist völlig unberechenbar, man kann es den Leuten nicht ansehen. Ich bin selbst schon einmal angegriffen worden. Das geht manchmal von null auf 100.
WDR: Was macht das mit Menschen, deren Beruf darin besteht, anderen zu helfen?
Marc Busche
Busche: Das ist natürlich schwer irritierend. Aber das ist ja nicht ein Phänomen, das von heute auf morgen gekommen ist. Es hat sich in den letzten Jahren immer weiter gesteigert. In vielen Häusern ist es auch totgeschwiegen worden. Jetzt reden alle offen darüber, aber es belastet die Mitarbeiter natürlich weiter.
WDR: Wie hat ihre Klinik darauf reagiert?
Busche: Wir haben seit 2022 angefangen, unsere Mitarbeiter zu schulen: in Gewaltprävention und Selbstverteidigung.
WDR: Was heißt Gewaltprävention konkret?
Busche: Unter anderem schulen wir unsere Mitarbeiter, so selbstsicher aufzutreten, dass sie auf potenzielle Gewalttäter nicht wie ein "Opfer" wirken. Außerdem sollen die Leute Warnzeichen erkennen, dass es bald gefährlich werden könnte. Dann sollen sie möglichst den potenziellen Gewalttätern nicht allein gegenübertreten oder sich anderweitig Hilfe holen. Bei der Selbstverteidigung sind es vor allem die Basics: Abstand halten, sicherer Stand, wie man sich schnell befreit oder den Kopf schützt.
WDR: Haben sie denn auch einen Sicherheitsdienst?
Busche: Nicht rund um die Uhr, sondern nur nachts. Aber ein Sicherheitsdienst ist auch nicht die Lösung für alles. Der wird ja meistens erst dann gerufen, wenn bereits etwas passiert ist. Wenn ein Patient plötzlich ausflippt, muss das Personal geschult sein, um Schaden sofort abzuwenden. Sonst müsste auf jedem Behandlungszimmer eine Sicherheitskraft ständig präsent sein.
Das Interview führte Thomas Schaaf.
Für die Onlineversion wurde das Gespräch sprachlich bearbeitet und gekürzt.
Unsere Quellen:
- Agenturen epd und AFP
- Interview mit Marc Busche im WDR 5-Morgenecho