Flüchtlinge in NRW: Von Unterbringungs-Problemen und gelebter Integration

Stand: 27.04.2023, 19:36 Uhr

Die Integrationsminister haben zwei Tage (26./27.04.2023) über die Unterbringung und Integration von Geflüchteten beraten. Wie sieht es in NRW aus? Da gibt es zum Beispiel Proteste in einer Herner Unterkunft, aber auch praktische Hilfe für eine junge Syrerin auf dem Weg zu ihrem Traumjob.

Von Luisa Meyer

Fahrlehrerin werden - das ist das Ziel von Doha Nhar aus Unna. Die 26-Jährige ist vor acht Jahren aus Syrien nach Deutschland geflohen und hat sich in den letzten Jahren um ihre beiden Töchter gekümmert. Jetzt ist sie ihrem Traum einen Schritt näher: Sie hat einen Ausbildungsplatz als Sozialassistentin gefunden. Eine abgeschlossene Ausbildung ist Voraussetzung für die Fahrlehrerausbildung.

Bei der Bewerbung unterstützt hat sie eine Mentorin, die Doha Nhar über das Mentoringprojekt "MoveMENT" in Unna kennengelernt hat.

Anissa hat mir geholfen, den Lebenslauf und das Anschreiben zu schreiben. Ohne sie hätte ich das nicht geschafft! Doha Nhar
Doha Nhar will Fahrlehrerin werden

Doha Nhar will Fahrlehrerin werden

Mit ihrer Mentorin habe sie sich inzwischen angefreundet. Sie gehen zusammen spazieren und Kaffee trinken. Ehrenamtliche Integrationsprojekte wie dieses gibt es an vielen Orten in NRW. Gelebte Integration im Kleinen.

Allerdings stehen viele Kommunen auch vor großen Herausforderungen: Wo die vielen geflüchteten Menschen unterbringen, die gerade neu ankommen, wenn überall der Wohnraum knapp ist? Woher das Geld dafür nehmen? Über Fragen wie diese haben diese Woche die Integrationsminister der Länder in Wiesbaden beraten.

Probleme und Lösungen bei der Unterbringung

Für die Unterbringung hat zum Beispiel Bielefeld eine gute Lösung gefunden: Leerstehende Offiziershäuser, die früher von der britischen Armee genutzt wurden, wurden zur Notunterkunft für bis zu 400 Bewohner ausgebaut. Im Februar konnten die ersten Geflüchteten einziehen.

Dass Gebäude leer stehen, die sich als Unterkunft eignen, ist in NRWs Städten eher die Ausnahme. In Herne hat deshalb das Land eine Notunterkunft aus Leichtbauhallen mit Zeltdächern aufgebaut. 467 Menschen sind dort derzeit untergebracht, so die zuständige Bezirksregierung Arnsberg.

Viele der Bewohner erleben die Bedingungen in der Unterkunft in Herne aber als unzumutbar. Vergangene Woche (17.4.) protestierten dutzende Geflüchtete vor der Notunterkunft. WDR-Reporter Miltiadis Oulios war vor Ort. Ein jesidisch-georgisches Paar berichtete ihm, es gäbe kaum Privatsphäre. Die Schlafplätze seien nur mit Tüchern voneinander abgetrennt. Tamari, die Mutter erzählt: "Unser Baby ist sechs Monate alt, es hat keine einzige Nacht geschlafen". Andere Geflüchtete sagen, das Essen sei kaum genießbar und zu wenig. Die Bezirksregierung Arnsberg weist die Vorwürfe auf Anfrage zurück. Die Verpflegung sei ausreichend, die Unterkunft sei zuletzt im Februar kontrolliert worden.

Sprache als Integrations-Schlüssel

Ein wichtiger Schlüssel, um in Deutschland anzukommen: die Sprache. Doch Asylsuchende können in der Regel erst mit Aufenthaltstitel einen Integrationskurs besuchen. Ksenija Sakelšek, stellvertretende Vorsitzende des Landesintegrationsrats, sagt: Asylbewerber sollten sofort Deutsch lernen und arbeiten können. "Viele junge Menschen sind hochmotiviert, wenn sie hier ankommen. Diese Motivation sollte man mitnehmen. Stattdessen müssen sie oft monatelang in den Unterkünften warten, das tut vielen nicht gut."

Sprachcafé für ältere Ukrainerinnen

Ehrenamtliche Lehrerin Annemarie Bechert steht in einem Klassenraum mit einer Gruppe Ukrainerinnen, die Deutsch lernen wollen

Annemarie Bechert unterrichtet ehrenamtlich Deutsch für ukrainische Geflüchtete

Was ist aber mit denen, die bei den Sprachkursen durchs Raster fallen? In Königswinter gibt es ein Sprachcafé, in das vor allem ältere ukrainische Frauen kommen, denen das Tempo im Integrationskurs zu schnell ist. Ausgerichtet wird es vom Forum Ehrenamt Königswinter in den Räumen der städtischen Begegnungsstätte "Grenzenlos". Die pensionierte Fremdsprachenlehrerin Annemarie Bechert unterrichtet hier einmal die Woche die Gruppe von zehn bis zwölf Ukrainerinnen.

Die 76-Jährige hat selbst einige Jahre in Odessa in der Ukraine gelebt, spricht Russisch und versteht Ukrainisch. Bechert sagt, sie merke im Unterricht: "Die Frauen sind mit einem Herz hier, mit einem Herz bei ihren Angehörigen in der Ukraine". Im Sprachcafé will sie ihnen erstmal mit Vokabeln für den Alltag hier helfen: "Gerade ging es um Ostern und Frühling - zum Beispiel, wie man mit einem Arzt über Heuschnupfen spricht".

Über das Thema berichten wir am 26.04.2023 auch im WDR 5 Morgenecho und in der Aktuellen Stunde im WDR Fernsehen.