Gewerkschaft fordert Ausweitung der Kontrollen in der Fleischwirtschaft

Stand: 20.09.2022, 17:24 Uhr

Nachdem die Behörden in NRW bei einer Schwerpunktkontrolle viele Rechtsverstöße in der Fleischwirtschaft festgestellt haben, fordert die Gewerkschaft NGG eine massive Ausweitung der Kontrollen.

Von Sabine Tenta und Katja Goebel

Für Thomas Bernhard von der Gewerkschaft NGG (Nahrung-Genuss-Gaststätten) sind die von den NRW-Behörden festgestellten Verstöße in der Fleischwirtschaft keine Einzelfälle. Vielmehr handele es sich um "ein strukturelles Problem", sagte der Gewerkschafter dem WDR auf Nachfrage. Die Fleischpreise würden nicht den Wert des Lebensmittels abbilden, in der Branche herrsche "ein mörderischer Preiskampf", gespart werde auch bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Bernhard fordert: "Wir brauchen eine massive Ausweitung der Kontrollen", denn nur so könne man die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen in der Fleischwirtschaft sicherstellen.

Schwerpunktkontrollen der Behörden in NRW

Am Sonntag hatten die Behörden von einer Schwerpunktkontrolle in der Fleischwirtschaft berichtet: Vom 29. August bis zum 2. September 2022 kontrollierten mehr als 400 Einsatzkräfte unangekündigt Betriebe. Sie überprüften dabei landesweit 81 Arbeitgeber in 63 Fleischbetrieben sowie 1.681 Beschäftigte, teilten das NRW-Arbeits- und das Wirtschaftsministerium dem WDR mit.

Zur Einordnung: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren Ende 2021 in NRW in 1.078 Schlacht- und Fleischverarbeitungsbetrieben 41.545 Menschen beschäftigt.

Beschädigte Maschinen

Gemeinschaftsunterkünfte wurden ins Visier genommen, aber insbesondere wurde kontrolliert, ob der Arbeitsschutz eingehalten wird. In zwei Drittel der Betriebe gab es Defizite. Es wurden zum Beispiel beschädigte oder nicht vollständig zusammengebaute Maschinen verwendet, es fehlten Sicherheitsabdeckungen an Maschinen oder es waren Stapler beschädigt. Ein grundsätzliches Problem waren auch abgenutzte Messer. Zudem wurden in fast allen Betrieben Mängel bei der Lagerung von Gefahrstoffen festgestellt.

Häufige und schwerwiegendere Mängel seien überwiegend in kleineren Betrieben mit weniger als 100 Beschäftigten festgestellt worden. Thomas Bernhard von der NGG sagt, dass die großen Fleischbetriebe rund 80 Prozent des Marktes ausmachen, 20 Prozent seien mittelständische Betriebe.

Mindestlohn nicht gezahlt

Die Bediensteten der Zollverwaltung leiteten in 46 Fällen von Verstößen Verfahren ein. 61 Sachverhalte werden noch weiter geprüft. In 30 Fällen sei möglicherweise der Mindestlohn nicht gezahlt worden. Das Arbeitsministerium und das Wirtschaftsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hatten 2018 mit der Generalzolldirektion gemeinsame Arbeitsschutzkontrollen vereinbart.

Schwerpunktkontrollen bereits zum zweiten Mal in Folge

Nach 2021 wurde auch 2022 wieder die Fleischindustrie zum Branchenschwerpunkt des Aktionstages der NRW-Behörden. Dies hat die Kontrollen in dem Bereich enorm erhöht. Auf WDR-Nachfrage listete das NRW-Arbeitsministerium auf: Im Jahr 2019 habe man 193 Kontrollen durchgeführt. 2020, also im ersten Pandemiejahr, waren es 2.315 und 2021 in Summe 1.040 Kontrollen.

Das Arbeitsministerium betont: "Die inzwischen sichtbaren positiven Ansätze in der Entwicklung des Arbeitsschutzes in der Fleischindustrie müssen weiterhin durch Kontrollen begleitet und damit für eine Verstetigung gesorgt werden." Fernziel seien "flächendeckend Arbeitsbedingungen, die keine besonderen Kontrolltätigkeiten mehr erfordern", so ein Sprecher des Arbeitsministeriums. Er ergänzte: "Bis dahin ist es aber trotz positiver Entwicklungen sicher noch ein weiter Weg." Generell verfolge das Ministerium das Ziel, die Zahl der Kontrollen zu erhöhen. Dabei werde ein Schwerpunkt auf den Branchen mit prekären Beschäftigungssituationen liegen.

Fleischverband will Auswertung der Ministerien abwarten

Der Verband der Fleischwirtschaft e.V. teilte dem WDR auf Nachfrage mit: Da das Ministerium in seiner Mitteilung erwähnt habe, dass "eine Vielzahl von Sachverhalten der weiteren Überprüfung" bedürfen, möchte der Verband diese Überprüfung "zunächst abwarten, bevor für uns als Verband daraus Schlüsse gezogen werden können". Die angeschlossenen Unternehmen würden regelmäßig auf die geltenden gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen.

Branche im Umbruch

Der intensive Preiskampf in der Fleischindustrie wird sich voraussichtlich weiter verschärfen, denn die Branche ist im Umbruch. Gewerkschafter Thomas Bernhard nennt als Stichworte die Tierhaltung, die Auswirkungen des Fleischkonsums auf das Klima und die Inflation. Binnen eines Jahres sei die Zahl der gehaltenen Schweine in Deutschland um 25 Prozent zurückgegangen, vegane und vegetarische Ersatzprodukte hätten große Wachstumsraten.