Anschlag auf Weihnachtsmarkt geplant: Islamisten festgenommen
Aktuelle Stunde. 29.11.2023. UT. Verfügbar bis 29.11.2025. WDR. Von Sebastian Auer.
Anschlag auf Weihnachtsmarkt geplant: Was bisher über die Terrorverdächtigen bekannt ist
Stand: 30.11.2023, 09:50 Uhr
Die Polizei hat zwei junge Islamisten vorläufig festgenommen - einen davon in der Nähe von Leverkusen. Die Terrorverdächtigen sollen sich über einen Anschlag ausgetauscht haben.
Von Christian Wolf
Immer wieder warnen Sicherheitsexperten vor einer hohen Anschlagsgefahr - auch in NRW. Erst kürzlich sprach Innenminister Herbert Reul (CDU) von einer "hohen abstrakten Gefahr" und verwies auf die zugespitzte Situation im Nahen Osten, die auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage hierzulande habe.
Nun scheint sich genau das zu bestätigen. So haben Ermittler am Dienstag zwei Jugendliche vorläufig festgenommen - einen in NRW und einen in Brandenburg. Entsprechende WDR-Informationen wurden am Mittwoch bestätigt. Die jungen Islamisten sollen sich über einen Terroranschlag ausgetauscht haben. Nach WDR-Informationen dachten die beiden offenbar über eine Attacke mit Brandsätzen oder einem Kleinlaster nach. Als Datum wurde wohl der kommende Freitag ins Visier genommen.
Konkreter Weihnachtsmarkt ausgesucht
"Es wirkte sehr konkret", sagte NRW-Innenminister Reul am Mittwoch und erklärte: "Wir haben aus dem Ausland einen Hinweis auf mögliche Anschlagsplanungen einer Person aus NRW erhalten und dann ist der Sicherheitsapparat losgegangen." In Chats seien mehrere Szenarien für einen Anschlag besprochen worden - offenbar auch auf eine Synagoge. Am Ende habe es einen Plan für einen Anschlag auf einen "ganz konkreten Weihnachtsmarkt" gegeben. Den Ort nannte Reul auf Nachfrage nicht. Aus Sicherheitskreisen hieß es am Mittwochabend, dass es um einen Weihnachtsmarkt in Leverkusen gegangen sei. Zuvor war im Laufe des Tages die Stadt Köln genannt worden.
Haftbefehl gegen 15-Jährigen erlassen
Bei einem der Tatverdächtigen handelt es sich nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf um einen 15 Jahre alten Deutsch-Afghanen aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis. Am Mittwoch habe das Amtsgericht Leverkusen Haftbefehl gegen ihn erlassen. Es gehe um den Verdacht "der Planung und Vorbereitung eines terroristisch motivierten Anschlages". Zudem bestätigten die Ermittler eine Wohnungsdurchsuchung am Dienstag. Weitere Einzelheiten würden mit Blick auf das jugendliche Alter des Beschuldigten derzeit nicht mitgeteilt. Laut Reul war der 15-Jährige den Sicherheitsbehörden bislang nicht bekannt.
Bei dem zweiten Verdächtigen handelt es sich nach Angaben des brandenburgischen Innenministeriums um einen Jugendlichen mit russischer Staatsangehörigkeit. Gegen ihn hat das Amtsgericht Neuruppin inzwischen auch Haftbefehl erlassen wegen des Verdachts der Planung eines Terroranschlags. Das teilte die Behörde am Donnerstag mit. Nach Informationen des "Tagesspiegels" gilt der 16-Jährige als waffenaffin. Er und sein Bruder seien extrem gewaltbereit. Bei der Festnahme hatte er angeblich ein Messer dabei.
Weitere Hintergründe zu den Anschlagsplänen dürften nun genauer ermittelt werden. "Wie konkret das alles war, müssen die Ermittlungen zeigen. Es waren zumindest zwei junge Männer, die offensichtlich sehr ernsthaft darüber geredet haben", sagt WDR-Investigativjournalist Florian Flade. Der 16-Jährige aus Brandenburg sei von den Sicherheitsbehörden bereits als "relevante Person" der islamistischen Szene eingestuft worden. Aber: "Nach unseren Recherchen gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass die beiden jungen Männer alleine gehandelt haben."
Dass sie einen Weihnachtsmarkt ins Auge gefasst haben sollen, erinnert an den Anschlag im Dezember 2016 auf dem Breitscheidplatz in Berlin. Damals war ein islamistischer Terrorist in einem entführten Lastwagen in den Weihnachtsmarkt gefahren. Durch die Tat starben insgesamt 13 Menschen, einer von ihnen Jahre später an den Folgen.
Verfassungsschutz warnt vor akuter Gefahr
Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang
Vor Bekanntwerden der beiden Festnahmen in NRW und Brandenburg hat das Bundesamt für Verfassungsschutz am Mittwoch vor der akuten Gefahr islamistischer Anschläge gewarnt. "Die Gefahr ist real und so hoch wie seit langem nicht mehr", sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang und nannte als Hintergrund den Nahostkonflikt. Das Anschlagsrisiko habe "eine neue Qualität" erreicht.
Der Verfassungsschutz beobachte "seit längerem den erklärten Willen von Islamisten, Anschläge im Westen zu verüben". Er selbst habe "immer wieder betont, dass jeden Tag auch in Deutschland ein islamistischer Anschlag verübt werden kann".
Studiogespräch: Holger Schmidt, ARD-Terrorismusexperte
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Die größte Gefahr gehe aber nicht von Anhängern der Hamas oder der pro-iranischen Hisbollah aus, die sich mit öffentlichen Äußerungen zurückhielten. Vielmehr gelinge es Terrorgruppen wie Al-Kaida oder dem "Islamischen Staat" wieder vermehrt, vorwiegend junge Menschen anzustacheln. Die Opfer israelischer Bombardierung im Gazastreifen und die humanitäre Notlage in dem palästinensischen Gebiet würden als Teil einer vermeintlich anti-muslimischen westlichen Strategie dargestellt.
Festnahme in Duisburg vor einem Monat
Dazu passt die Festnahme eines vorbestraften Islamisten Ende Oktober in Duisburg. Laut der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft steht der 29-Jährige unter dringendem Tatverdacht, sich zu einem islamistisch motivierten Anschlag auf eine pro-israelische Demonstration bereit erklärt zu haben. Er soll gegenüber einem Chatpartner in Syrien seine Zustimmung geäußert haben.
Journalist Flade weist bei diesen Festnahmen darauf hin, dass die Vorbereitungsphase für Anschläge immer kürzer wird. Brandsätze ließen sich einfach bauen und Autos leicht als Waffe verwenden. "Das erklärt vielleicht auch ein bisschen die Alarmstimmung, warum die Behörden da so sensibel sind und so frühzeitig zugreifen", erklärt Flade.
Die Kölner Polizei äußerte sich am Mittwochabend noch und teilte mit, der Haftbefehl gegen einen Jugendlichen zeige, dass das Frühwarnsystem der Sicherheitskräfte funktioniert habe. "Wir sind sehr wachsam, stehen im ständigen Austausch mit den Sicherheitsbehörden in Land und Bund und tun alles, um die Bevölkerung zu schützen", sagte der Leiter der Direktion Kriminalität, Michael Esser, zur Sicherheit auf Weihnachtsmärkten und an jüdischen Einrichtungen. "Aktuell ergeben sich aus dem Verfahren keine Hinweise, die für eine Neubewertung der aktuellen Sicherheitslage sprechen."