Fahrtauglichkeit bei Senioren: Welche Tests es gibt und was Angehörige tun können
Stand: 06.01.2023, 18:05 Uhr
Bei über 38.000 Unfällen im Zeitraum von knapp drei Jahren waren Senioren in NRW Hauptverursacher. Wie diese Zahlen einzuordnen sind, wie man die eigene Fahrtauglichkeit überprüfen kann - und warum das nicht nur Ältere tun sollten.
In NRW sind von insgesamt mehr als einer Millionen Verkehrsunfälle rund 38.600 Menschen über 60 Jahre als Hauptverursacher erfasst worden. Die Zahl bezieht sich auf den Zeitraum von 2020 bis 2022. Sie geht aus einer aktuellen Antwort des NRW-Verkehrsministeriums auf eine Anfrage der AfD-Landtagsfragktion hervor. 560 der Verursacher waren sogar 90 bis 100 Jahre alt. Doch was sagen uns diese Zahlen?
Gerade nach schweren Verkehrsunfällen wird immer wieder über die Fahrtauglichkeit von Älteren diskutiert. Zur Realität gehört aber auch, dass viele Menschen in NRW - gerade in ländlichen Regionen - auf ihr Auto, Pedelec oder einen Roller angewiesen sind. Oft entsteht dadurch eine schwierige Situation für Betroffene und ihre Angehörigen. Welche Wege es gibt, die eigene Fahrtauglichkeit zu überprüfen.
Wie sind die Zahlen vom NRW-Verkehrsministerium überhaupt zu bewerten?
In der Zeit von 2020 bis September 2022 waren 38.600 Senioren Hauptverursacher von Unfällen in NRW. Insgesamt gab es in 2020 und 2021 aber über eine Million Verkehrsunfälle im Westen, an der Mehrzahl der Unfälle sind Senioren also nicht beteiligt. Probleme bereiten unter anderem zu hohe Geschwindigkeit und Fahrten unter Drogeneinfluss.
Senioren seien "durch ihre erhöhte Anfälligkeit für Verletzungen eher Gefährdete als Gefährder", sagt der ADAC. Mehr als jeder zweite tödlich verunglückte Radfahrer und Fußgänger ist 65 Jahre oder älter. Generell ist "die steigende Anzahl von Lebensälteren im Straßenverkehr eine der Herausforderungen für die Verkehrssicherheitsarbeit", so die NRW-Verkehrsstatistik 2021.
Warum kann die Verkehrstauglichkeit leiden?
Unter anderem, weil Informationen nicht mehr so schnell aufgenommen werden, sich die Reaktionszeit verlängert oder weil die Beweglichkeit nachlässt.
Die Fahrtüchtigkeit lässt spätestens ab dem 75. Lebensjahr deutlich nach, so die Landesverkehrswacht NRW. Aber: Generell kann bei jedem Menschen - unabhängig vom Alter - ein Zeitpunkt erreicht sein, ab dem die Fahreignung nicht mehr gegeben ist. Etwa bei Frauen und Männern mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder bei einer Medikamenten-Einnahme. Daher sollten Verkehrsteilnehmende ihre Fahrtauglichkeit prüfen lassen.
Wo kann man die eigene Verkehrstauglichkeit überprüfen lassen?
Ein erster Schritt ist ein Online-Selbsttest des Deutschen Verkehrssicherheitrats. Dieser kann in wenigen Minuten durchgeführt werden – anonym und unverbindlich.
Sicher unterwegs - egal mit welchem Verkehrsmittel
Der Verkehrssicherheitsrat hat auch das Programm "Sicher mobil" konzipiert. Es soll dabei helfen, den Überblick im wachsenden Verkehrsaufkommen zu behalten. Auch Themen wie Gesundheit und Mobilität werden in kostenfreien Veranstaltungen thematisiert. Geeignet ist das Programm für Verkehrsteilnehmer ab 65 Jahre - ganz gleich, ob sie mit Auto, Rad, Pedelec, zu Fuß oder mit Bus und Bahn unterwegs sind.
Für die Fahreignung gibt es verschiedene Begutachtungsstellen. Sie sind durch die Bundesanstalt für Straßenwesen amtlich anerkannt und müssen strenge Qualitätskriterien erfüllen. Das wird regelmäßig geprüft. Hier gibt es eine Übersicht über Begutachtungsstellen für Fahreignung, geordnet nach Postleitzahlen:
Für Senioren gibt es ein Fahrtraining bei der Landesverkehrswacht. Auch der ADAC bietet einen Fahr-Fitness-Check an. Wichtig zu wissen: Der Check ist freiwillig. Es erfolgt keine Meldung der Ergebnisse an Behörden.
Welche Checks sollte man sonst noch durchführen?
Wer Medikamente einnimmt, sollte mit dem Hausarzt oder der Hausärztin abklären, ob die Arzneimittel womöglich die Fahreigung einschränken.
Wichtig sind auch Seh- und Hörtest. Nach Angaben der Landesverkehrswacht NRW sollten Autofahrer ab 40 Jahren einmal im Jahr beim Augenarzt ihre Sehschärfe prüfen lassen - auch bei Dämmerung und Nacht. Ab 60 Jahren sollten Autofahrer alle zwei Jahre zum Ohrenarzt gehen.
Welche Tipps gibt es noch fürs sichere Autofahren?
Wer nicht mehr gut sieht oder langsamer reagiert, kann ein paar Dinge beherzigen - zum Beispiel:
- außerhalb der Hauptverkehrszeiten fahren
- auf saubere Scheiben und gutes Licht achten
- Nachtfahrten und unbekannte Strecken meiden
- regelmäßig fahren, um in Übung zu bleiben
Generell kann jeder, der sich am Steuer unsicher fühlt, zudem eine so genannte "Feedback"- oder "Rückmeldefahrt" in der örtlichen Fahrschule machen. Der Fahrlehrer richtet sich danach, wo und wie sein Kunde fahren möchte und gibt dann gezielt auf diesen Strecken Tipps.
Was können Angehörige tun?
Die AOK-Krankenkasse rät: Wer den Eindruck hat, dass ältere Verwandte unsicher fahren, sollte das Gespräch suchen. Dabei kommt es darauf an, die Ich-Perspektive zu wählen, damit das Gegenüber sich nicht angegriffen fühlt. Am besten sei es, das Gespräch mit den Worten "Ich habe den Eindruck, dass ..." einzuleiten. Thematisiert werden sollten konkrete Vorfälle von einer gemeinsamen Fahrt. "Machen Sie deutlich, dass Sie sich Sorgen machen", rät die AOK.