Weltfahrradtag: Mängel liegen in den Strukturen

03:01 Min. Verfügbar bis 03.06.2026

Weltfahrradtag: Experten sprechen sich gegen Helm-Pflicht aus

Stand: 03.06.2024, 13:00 Uhr

Mit dem Weltfahrradtag am 3. Juni möchten die Vereinten Nationen für das Fahrradfahren werben. Mit Helmen wird das Radfahren sicherer. Dennoch sind Experten gegen eine Pflicht.

Für die einen gehört ein Fahrradhelm zu jeder Fahrt mit dem Fahrrad dazu, andere stört er eher. Zweifellos schützt ein Helm vor schweren Kopfverletzungen - ganz gleich, ob man auf einer langen Fahrradtour unterwegs ist oder nur zum Bäcker um die Ecke fährt. Eine Helmpflicht gibt es in Deutschland aber nicht. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) lehnt eine Pflicht ab. Axel Fell, Landesvorsitzender des ADFC NRW, spricht gegenüber dem WDR von einem "unverhältnismäßigen Eingriff".

Melonentest: Warum ein Helm schützt

Auch Prof. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung, lehnt eine Helmplicht ab und hält es für sinnvoller, die Radfahrenden von der Schutzwirkung eines Helmes zu überzeugen.

Wenn wir es schaffen würden, dass ein Helm nicht als uncool gilt, sondern als ganz vernünftige Handlung, dann wäre mehr erreicht. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung

Um den Schutz eines Helmes zu verdeutlichen, verweist der Neurologe auf den Melonentest: Lässt man eine Wassermelone aus 1,50 m Höhe auf den Boden fallen, zerbricht sie. Wird die Melone allerdings in einem Helm befestigt fallen gelassen, bleibt sie unbeschädigt. Der Grund dafür ist die Verteilung der Aufprallkraft: Beim Schutz durch einen Helm verteilt sich der Druck auf der Helmfläche.

Prallt der Kopf ungeschützt auf Asphalt auf, kann es zu schweren Blutungen und Gewebeverletzungen im Gehirn kommen, so Neurologe Erbguth. Sprache, Motorik oder Bewusstsein könnten so geschädigt werden. "Sie sind als Mensch und Persönlichkeit im schlimmsten Fall ausgelöscht", warnt Erbguth vor den möglicherweise drastischen Folgen eines Fahrradunfalls ohne Helm.

Zahl der Radfahrenden mit Helm ist gestiegen

Auffällig ist, dass mit der zunehmenden Zahl von E-Bikes auch die Zahl der Fahrradfahrer ansteigt, die einen Helm tragen. Die Helmquote lag laut Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2022 bei Fahrerinnen und Fahrern konventioneller Fahrräder bei 34 Prozent. Unter den E-Bike-Fahrerinnen und -Fahrern haben dagegen 60,1 Prozent einen Helm getragen. Insgesamt lag die Helmquote unter allen Radfahrenden bei 40,3 Prozent. Damit ist die Quote gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen: 2021 lag sie noch bei 34,6 Prozent.

Mehr tödlich verunglückte Fahrradfahrerinnen und -fahrer

Obwohl mehr Menschen beim Fahrradfahren einen Helm aufgesetzt haben, ist die Zahl der Unfalltoten auf dem Rad im selben Zeitraum gestiegen. 474 Menschen kam laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2022 bei einem Fahrradunfall ums Leben, 2021 waren es 372.

Weltfahrradtag - wo klappt´s wie mit dem Radfahren?

WDR Studios NRW 03.06.2024 03:11 Min. Verfügbar bis 03.06.2026 WDR Online


In wie vielen Fällen Kopfverletzungen die Ursache für tödliche Unfälle waren und in wie vielen Fällen ein Helm getragen wurde, ist allerdings unbekannt. Neurologe Erbguth schätzt, dass in 60 bis 80 Prozent der tödlichen Fahrradunfälle Kopfverletzungen der Grund sind.

Keine Helmpflicht in Deutschland - aber in anderen Ländern

Fahrradfahrerinnen und -fahrern ist es in Deutschland zwar freigestellt, ob sie einen Helm aufsetzen oder nicht. Für bestimmte E-Bikes und Pedelecs ist ein Helm aber vorgeschrieben: Allerdings nur, wenn die motorunterstützten Räder schneller als 25 km/h fahren.

Laut ADAC gilt in Spanien außerhalb geschlossener Ortschaften eine Helmpflicht für alle. In Österreich, Tschechien, Kroatien und Schweden müssen Kinder und Jugendliche einen Fahrradhelm tragen.

TÜV: Helme alle fünf Jahre austauschen

Der ADFC unterstützt das Tragen von Helmen, setzt statt einer Pflicht aber vielmehr auf andere Sicherheitsmaßnahmen: Beispielsweise eine sichere Infrastruktur ohne Hindernisse und mit sicheren Kreuzungen.

Der TÜV rät für den Helmkauf dazu, auf die richtige Helmgröße und einen festen Sitz von Kopf- und Kinnriemen zu achten. GS-Kennzeichen und TÜV-Prüfzeichen weisen auf unabhängige Prüfungen hin. Außerdem empfiehlt der TÜV, den Helm nach längerer Tragezeit von etwa fünf Jahren auszutauschen. Nach einem Sturz muss ein Helm generell ausgetauscht werden, weil er nicht sichtbare Schäden haben könnte.

Unsere Quellen:

  • Interview mit Axel Fell, ADFC NRW
  • Interview mit Prof. Frank Erbguth, Deutsche Hirnstiftung
  • Statistisches Bundesamt
  • Bundesanstalt für Straßenwesen
  • TÜV
  • ADAC

Über das Thema berichtet die Aktuelle Stunde am 03.06.2024 auch im WDR-Fernsehen.

Kommentare zum Thema

75 Kommentare

  • 75 Klaus 05.06.2024, 12:33 Uhr

    Ich fahre seit 1988 regelmässig Rennrad, damals, ländlich am Niederrhein gewohnt noch ohne Helm, die Dinger waren schwer und sahen Scheisse aus..ab 1990 nur noch mit Helm, wenn ich auf meine Stürze zurück blicke, haben sie mich vor grossen Schäden bewahrt. Moderne Helme sitzen gut, sind winddurchlässig und sehen auch noch cool aus. Für mich ist ein Helm Pflicht,auch ohne Helm Pflicht. Aber wer nix zu schützen hat, darf gerne ohne fahren 😉😉

  • 74 Miriam S. 05.06.2024, 11:47 Uhr

    Früher fand ich Helme auch immer doof. Wenn ich mit meinem Möhrchen durch die Gegend fahre bin ich auch nicht besonders schnell. Die schlechten Fahrradwege und mehrere beinahe Unfälle durch unachtsame Autofahrer haben meine Sicht der Dinge geändert. Bei Touren über Feldwege sehe ich auch nicht unbedingt einen Helm für zwingend notwendig, aber sobald man auch nur in die Nähe von Autos kommt, kann man noch so vorausschauend fahren. Man selbst hat keinerlei Einfluss auf das Verhalten von Dritten, die deutlich stärker und schneller sind, als man selbst. Da nutzt es auch nichts Recht zu haben, wenn man erstmal unterm Auto liegt. Mittlerweile schätze ich auch den Blend- und Regenschutz des Helmes sehr. Einzig die Optik, der überhöhte Preis und die Unvereinbarkeit mit Hochsteckfrisuren sind und bleiben ein Wermutstropfen. Vielleicht ändert sich das ja mit zunehmender Akzeptanz und wachsenden Absatzmärkten

  • 73 hmmm 05.06.2024, 11:37 Uhr

    Jetzt ersetze ich mal das Wort Helm mit Fahrrad, ob dann immer noch so viele dafür wären? Fahrradpflicht, das wäre mal eine kontroverse Forderung. Zu den Fakten, Fahrradfahren in Deutschland ist gefährlich, da hilft auch kein Helm, sondern Fahrräder gleichberechtigt am Verkehr teilhaben zu lassen. Dies wiederum setzt eine gesellschaftliche Einstellung pro Fahrrad voraus und die notwendigen guten Fahrradwege und harten Strafen bei Gefährdung von Fahrradfahrenden. Mit 50cm Abstand überholen, einfach mal die Autotür öffnen, Fahrradfahrende schneiden, gefährliche Radwege etc. werden dann halt nicht nur als Kavaliersdelikt behandelt, sondern mit echten juristischen Konsequenzen (z. B. langjähriger Führerscheinentzug). Die Frage ist, ob der Wille dazu da ist. Helmfragen sind da nur die Kirschen auf der Sahnetorte.

  • 72 My2cents 05.06.2024, 10:50 Uhr

    Die Helmpflicht sollte auf jeden fall sein. Die Helme müssten eigentlich sogar einen Kinnschutz haben, wie bei Motorrad Helmen auch. Zähne sind nicht billig und wenn die Allgemeinheit da unnötig teuren ersatz finanzieren muss konnte ein geeigneter Helm viel bringen. Gleichzeitig sollte es aber auch eine generelle Kennzeichenpflicht für Fahrräder geben. Zum einen kan. Man so geklaute Räder leichter Identifizieren und zum anderen auch Verkehrsrowdys . Fahrradfahrer glauben ja allzuoft das für sie keine Regeln gelten da sie eben anonym unterwegs sind.

    Antworten (1)
    • G Reimers 05.06.2024, 12:37 Uhr

      sehe ich anders - zum einen wird kaum ein gestohlener PKW über das Kennzeichen wiedergefunden, noch wird der Fahrer eines Fahrzeuges mit Kennzeichen auch wirklich verfolgt; es liegt einfach an der Vielzahl der Verstöße. Ich bin selbst Fahrradfahrer in Köln - heute Morgen auf 20 Minütiger Fahrt: PKW biegt unerlaubterweise links ab, anderer PKW fährt entgegen der Einbahnstraße, PKWs parken auf Radstreifen, PKW-Außenspiegel streift fast meinen Lenker wegen mangelndem Abstand. Anzeigen bringen nichts, Aussage gegen Aussage, Einstellung mangels öffentlichem Interesse. Hört auf, dauernd auf andere zu zeigen, das bringt nichts, fahrt lieber mal selbst vernünftig!

  • 71 Frederic 05.06.2024, 10:48 Uhr

    Als Intensivpfleger in der Neurochirurgie, kann ich nicht verstehen, dass der Staat seine unwissenden Bürger nicht durch eine Helmpflicht schützt. Jedes Jahr betreuen wir sehr viele Menschen, die mit Helm, nach einem Unfall einigermaßen glimpflich davon gekommen wären. Jedoch sind oft die Hirnschädigungen durch einen unbehelmten Sturz so groß, dass der Verlauf mit schwersten Behinderungen oder dem Tod einhergehen. Helme retten Leben.

  • 70 Walter 05.06.2024, 09:01 Uhr

    Ich fahre seit 52 Jahren Fahrrad - ohne Helm. Bitte jetzt keine Diskussion warum und weshalb, das sollte jeder Bürger für sich selbst entscheiden!!! Es wäre schön, wenn Deutschland nicht ein weiteres Verbot erlassen würde - es sind aktuell bereits genug!

    Antworten (2)
    • Johannes 05.06.2024, 11:06 Uhr

      Seit 52 Jahren unvernünftig. Ihnen ist klar, dass die Nachsorge nach einem Unfall eine Leistung der Solidargemeinschaft an Sie ist? Wo ist Ihr Bewusstsein dafür?

    • Heinz 05.06.2024, 11:34 Uhr

      Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)

  • 69 Johann Moritz 05.06.2024, 08:57 Uhr

    Schon merkwürdig: Auf dem Mofa (25km/h) ist ein ordentlicher Helm seit vielen Jahrzehnten Pflicht, und keiner regt sich drüber auf. Auf dem Fahrrad, das, insbesondere als eBike, mindestens genauso schnell ist, wird eine Helmpflicht von vielen abgelehnt, obwohl Fahrradhelme viel leichter und bequemer sind als die für Mofas vorgeschriebenen Motorradhelme. Ich radfahre seit über 30 Jahren nur noch mit Helm, gewöhnt habe ich mich dran auf einer 10-Tage-Tour über ungarische Landstraßen, und ich habe keinerlei Probleme damit. Ja, er schützt nicht vor allen Kopfverletzungen (insbesondere, wenn man aufs Kinn fällt), aber verringert signifikant die Gefahr schwerer Hirnschäden bei einem Sturz. Nicht ohne Grund sind Helme bei professionellen Radsportveranstaltungen seit langem streng vorgeschrieben.

  • 68 Anonym 05.06.2024, 07:34 Uhr

    Der einzige vernünftige Kommentar stammt vom Rolf

  • 67 Rolando04158 05.06.2024, 07:28 Uhr

    Tolle Einstellung der Fachleute. D.h., die Allgemeinheit muss nach wie vor die krankenhauskosten für schwere Schädel-Hirn-Traumata tragen. Typen die immernoch keinen Helm tragen kann man nicht überzeugen. Da helfen nur drastische Strafen!!!! Je höher desto besser.

  • 66 Mik 05.06.2024, 07:17 Uhr

    Also schaffen die Radfahrer ab, denn an 100% Fahrraunfällen sind Radfahrer beteiligt?

  • 65 Fritz Jakobi 05.06.2024, 07:13 Uhr

    Meine Antwort auf die Frage warum ich beim Fahrrad - u. Motorradfahren einen Helm trage ist: "Mein Kopf ist mein Arbeitsgerät, andere Menschen brauchen halt nur Handschuhe"! Weil sie ihren Kopf zu sonst nichts brauchen.

Weitere Themen