Im Urlaub für die Firma erreichbar sein? – So gelingt die Erholung
Stand: 09.07.2024, 18:32 Uhr
Viele Berufstätige holt während ihres Urlaubs der (Arbeits-)Alltag ein – etwa, weil sie von ihrer Firma E-Mails oder Anrufe bekommen. Das kann eine echte Erholung erschweren. Wie Berufstätige sich wappnen können.
Von Sabine Meuter
Urlaub heißt: Abschalten, den (Arbeits-)Alltag hinter sich lassen. Viele packen die Koffer und verreisen. Doch beim Sonnen am Strand, beim Besichtigen von Kulturdenkmälern oder beim Wandern in den Bergen vibriert plötzlich das Smartphone: Die Chefin oder ein Kollege ruft an und will Infos. Oder es trudelt die E-Mail einer Kollegin ein, die in einer bestimmten betrieblichen Angelegenheit Wichtiges wissen möchte.
Dass Frauen und Männer solche beruflichen Kontaktversuche in den Ferien nicht einfach ignorieren, zeigt eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom. Demnach sind knapp zwei Drittel (66 Prozent) der Berufstätigen, die in diesem Jahr einen Sommerurlaub geplant haben, in dieser Zeitspanne auch beruflich zu erreichen.
Für die laut Bitkom repräsentative Umfrage hatte der Digitalverband die Antworten von 1.005 Menschen in Deutschland ab 16 Jahren ausgewertet, darunter 357 Berufstätige, die dieses Jahr in den Sommerurlaub fahren wollen. Unter den 50- bis 64-jährigen Erwerbstätigen sind 73 Prozent im Sommerurlaub beruflich erreichbar; bei den 16- bis 29-jährigen Berufstätigen gibt dies hingegen nur die Hälfte an (51 Prozent).
Erholung stellt sich schlimmstenfalls nicht ein
Eine solche Erreichbarkeit im Urlaub ist indes nicht ganz unproblematisch. "Die Gefahr ist, dass eine echte Erholung erschwert wird beziehungsweise im schlimmsten Fall nicht zu Stande kommt, ist hoch", sagt Nicole Lazar, Psychologin beim Institut für betriebliche Gesundheitsförderung BGF GmbH der AOK Rheinland/Hamburg, gegenüber dem WDR. Denn die Beschäftigten seien gefühlt immer in Bereitschaft, so Lazar.
Laut der Bitkom-Umfrage ist ein Grund für die Erreichbarkeit im Urlaub vielfach die vermutete oder tatsächliche Erwartung anderer:
- 59 Prozent geben an, erreichbar zu sein, weil Vorgesetzte dies erwarteten.
- 51 Prozent sagen, ihre Kolleginnen und Kollegen erwarteten dies von ihnen.
- 46 Prozent sehen diesen Anspruch bei Kundinnen und Kunden.
- 25 Prozent gehen davon aus, dass Geschäftspartner Erreichbarkeit voraussetzen.
Nur 15 Prozent sagen hingegen, dass sie im Sommerurlaub von sich aus erreichbar sein möchten.
Im Vorfeld die Frage der Erreichbarkeit klären
Beschäftigte sollten ausloten, ob sie den Druck, für die Firma erreichbar sein zu müssen, nur für sich verspüren oder ob er tatsächlich vorhanden ist, rät Lazar. Helfen könnte es aus ihrer Sicht, das Thema vor dem Urlaub in der Firma anzusprechen. Womöglich gibt es jemanden im Betrieb, der die Vertretung übernehmen könnte. "Man hinterlässt dann wirklich nur für Notfälle einem Kollegen oder einer Kollegin seines Vertrauens die Privatnummer und lässt alle dienstliche Geräte zu Hause", sagt Lazar. Falls das nicht geht und auch der Arbeitgeber die Erwartung hat, dass man ständig erreichbar ist, wäre denkbar, dass Urlauberinnen und Urlauber nur zu festgelegten Zeiten ihr Smartphone anstellen und ihre E-Mails checken - zum Beispiel eine Stunde am Morgen. Das könnte man entsprechend in der Firma kommunizieren. "Man sollte sich selbst zugestehen, dass man ein Recht auf Erholung hat, um nachher wieder fit und ausgeruht für das Unternehmen da sein zu können", so Lazar.
Erreichbarkeit im Urlaub - das gilt arbeitsrechtlich
Aber was gilt eigentlich arbeitsrechtlich? "Im Urlaub besteht generell keine Pflicht zur Erreichbarkeit", sagt der Düsseldorfer Arbeitsrechtler Ulrich Sittard. Klauseln in Arbeitsverträgen, die eine Erreichbarkeit im Urlaub vorschreiben, seien nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts unwirksam. "Diese Rechtsprechung bezieht sich aber nur auf den Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz, also 20 Tage bei fünf Arbeitstagen pro Woche", erklärt Sittard. Gewährt der Arbeitgeber vertraglich zusätzliche Urlaubstage, kann für diesen übergesetzlichen Urlaub eine Sonderregelung gelten.
Auch für Führungskräfte gibt es in der Praxis, was Erreichbarkeit im Urlaub angeht, häufig Ausnahmen. "Allerdings ist das eine Grauzone", so Sittard. Ihm zufolge gehen die meisten Arbeitsrechtler auch bei Führungskräften nicht von einer Pflicht zur Erreichbarkeit aus. Bei besonders verantwortlichen Positionen kann es indes eine vertraglich vereinbarte Nebenpflicht geben, auch im Notfall im Urlaub erreichbar zu sein. "Das heißt dann aber nicht, dass man das berufliche Handy dauernd bei sich haben muss", so Sittard.
Psychologin Lazar empfiehlt, schon im Alltag zu üben, das Smartphone mal öfter nicht dabei zu haben oder auszuschalten. "Nicht alles ist wirklich so wichtig, dass man immer direkt reagieren muss", so Lazar. Wer schon im Alltag sich darin geübt hat, das Handy auch mal links liegen zu lassen und das auch auszuhalten, kann dies auch leichter im Urlaub praktizieren.
Unsere Quellen:
- Nicole Lazar, Psychologin beim Institut für betriebliche Gesundheitsförderung BGF GmbH der AOK Rheinland/Hamburg, gegenüber dem WDR
- Ulrich Sittard, Fachanwalt für Arbeitsrecht, gegenüber dem WDR
- Umfrage des Digitalverbands Bitkom zur Erreichbarkeit im Urlaub