Erntedankfest in Düsseldorf Urdenbach
Aktuelle Stunde . 06.10.2024. 21:49 Min.. UT. Verfügbar bis 06.10.2026. WDR. Von Stefan Göke.
Von Broten, Bällen und Blotschen: Wie in NRW Erntedank gefeiert wird
Stand: 06.10.2024, 18:24 Uhr
Neben hippen Oktoberfesten und pompösen Halloweenpartys zelebriert der Westen auch noch einen viel älteren Herbstbrauch: das Erntedankfest. Die meisten Gemeinden feiern es jedes Jahr am ersten Oktoberwochenende - gefeiert wird mancherorts sogar mit 40.000 Besuchern.
Von Katja Goebel
Erntedank - das klingt in manchen Ohren vielleicht etwas angestaubt. Bei Erntedankfesten erinnert man sich möglicherweise an besondere Gottesdienste und geschmückte Altarräume. Schließlich gehört das Erntedankfest zu den ältesten religiösen Festen der Kirche. Doch in manchen Teilen von NRW wird das Ende der Ernte auch heute noch riesig gefeiert - in Festzelten, mit Umzügen und ungewöhnlichen Bräuchen.
Erntefeste schon in der Antike bekannt
Rituelle Feste im Zusammenhang mit Ernte und Aussaat gab es übrigens schon in der Antike. In Griechenland trugen die Menschen Opfergaben für die Göttin Demeter, die für die Fruchtbarkeit und das Getreide zuständig war, zusammen.
In der christlichen Tradition sind Erntedankfeste bis heute fester Bestandteil des jährlichen Festtagsrhythmus. Im Alten Testament wird berichtet, dass Kain seinem Gott Jahwe ein Opfer von seinen Feldfrüchten und Abel ein Opfer von den jungen Tieren seiner Herde darbringt.
Dankesfest für Saisonarbeiter
Kulturhistorikerin Christiane Cantauw
Erntefeste haben auch in NRW Tradition. "Früher feierte jeder größere Hof und jedes Gut sein eigenes Fest zum Abschluss der Ernte", sagt Christiane Cantauw von der Volkskundlichen Kommission des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Mit dem Fest bedankte sich der Bauer bei seinen Saisonarbeitern. "Die erhielten durch das Erntefest Anerkennung", erklärt die Kulturwissenschaftlerin. "Und sie bestanden auch darauf, dass Schnaps ausgeschenkt wurde." Sonst drohten sie auch schon mal damit, den Kohl abzumähen. Die Ernte war bereits über Jahrhunderte der Höhepunkt des Jahres. Denn von ihr hing das nackte Überleben ab.
Mit der Motorisierung aber verschwanden auch die vielen Landarbeiter und Erntedank entwickelten je nach Region ganz neue Formen und Bräuche. Plötzlich wurden auch schon mal Erntekönige oder -Königinnen gekürt: durch Eierläufe oder Räderrollen. Auch große Umzüge verbreiteten sich.
Schnürreskarren und Holzschuhe
Erntedankfestumzug in Düsseldorf-Urdenbach
Die Tradition lebt bis heute weiter. Ob im Kreis Recklinghausen, in Umkreis von Aachen oder im Münsterland. Viele Landwirte und Vereine bereiten in ihren Ortschaften Erntedankfeste vor. In Düsseldorf-Urdenbach ist in der Erntedankzeit zum Beispiel ein ganzer Stadtteil auf den Beinen. Das dortige Fest beginnt immer freitags mit einem Gottesdienst, am Samstag tanzen die Menschen im Festzelt.
Mit Handkarren durchs ganze Dorf
Sonntags zieht ein großer Festzug quer durch den Ort. Geschoben werden unter anderem Handkarren beladen mit Blumen, Brot oder Bier. Wer hier mitläuft, trägt übrigens traditionell Holzschuhe - Blotschen genannt. "Damit läuft es sich gut. Jahrelang erlernte Praxis", erzählt ein Teilnehmer in kariertem Hemd und Lederhosen. Zum Festumzug drängen sich auch schon mal bis zu 40.000 Besucher - nicht nur aus Düsseldorf - am Straßenrand.
Im Anschluss startet das Schürreskarrenrennen. Da werden die voll beladenen Schubkarren aus Holz im Rennschritt durch die Straßen gewuchtet. Am Montag beendet der Blotschenball mit der Proklamation eines neuen Blotschenkönigspaares das Erntedank-Wochenende.
Erntedank mit Beatball im Eifeldorf
Auch im Eifelort Mützenich wird traditionell drei Tage lang Erntedank gefeiert. Dann lässt es die Ortsbauernschaft richtig krachen und 2.200 Dorfbewohner machen mit. Unter anderem gibt es alljährlich einen Beatball im Festzelt und einen Umzug mit rund 30 Wagen und 40 Fußgruppen, erzählt Rolf Funken, Vorsitzender der Ortsbauernschaft. Im vergangenen Jahr verfolgten knapp 20.000 Besucher den Umzug.
Premiere mit Pferde-Prozession
Geschmückte Kutsche bei Erntedank-Prozession
In den Dörfern Bettinghausen und Ostinghausen bei Bad Sassendorf im Kreis Soest hat es zum diesjährigen Erntedankfest eine Premiere gegeben. Zum ersten Mal hat sich eine Prozession mit Pferden und Kutschen auf den Weg durch mehrere Naturschutzgebiete gemacht. "Es gibt wohl keinen besseren Ort, um Gott für die Vielfalt der Natur zu danken", sagte Vikar Michael Stiehler, der selber Reiter ist. So ist auch die Idee zur Pferdeprozession entstanden. "In meiner Heimat, dem Siegerland, gibt es das schon lange: Ich war ganz verwundert, dass es das hier noch nicht gab - hier sind so viele Pferdehöfe". Entsprechend groß war auch die Zustimmung bei der Premiere. Das könnte eine feste Tradition werden, war gleich von vielen Teilnehmenden zu hören.
Thanksgiving ist kein Erntedankfest
Übrigens: Auch die Amerikaner feiern ein Fest, das zumindest vom Namen her an Erntedank erinnert: Thanksgiving. Doch anders als beim deutschen Erntedankfest ist Thanksgiving ein weltlicher Feiertag. Ursprünglich war es ein gemeinsames Fest zwischen den ersten Siedlern und den Ureinwohnern. Dass die Siedler den ersten eisigen Winter überstanden, verdankten sie den Einheimischen, denn die verpflegten die Neuankömmlinge. Heute ist Thanksgiving ein Familien-Feiertag, der außerdem erst Ende November gefeiert wird.
Unsere Quellen:
- Gespräch mit Kulturwissenschaftlerin Christiane Cantauw
- Interview mit Landwirt Rolf Funken
- Erzbistum Köln
- Evangelische Kirche in Deutschland
Über dieses Thema berichten wir am 06.10.2024 auch im WDR-Fernsehen in der Aktuellen Stunde um 18:45 Uhr.