Stichtag

03. Oktober 2009 - Vor 220 Jahren: George Washington ruft Thanksgiving Day aus

An keinem Tag in den Vereinigten Staaten wird so hingebungsvoll geschlemmt wie an diesem. Es ist der Tag der langen, prall gefüllten Tafeln, an dem Familienmitglieder und Freunde aus den entferntesten Ecken des Landes anreisen, um ihn gemeinsam begehen zu können. Ein Tag, für den rund 50 Millionen Truthähne ihr Leben lassen: der Thanksgiving Day, der mit unserem Erntedankfest nur wenig zu tun hat. Wenn es auf den letzten November-Donnerstag zugeht, sind amerikanische Flughäfen chronisch überfüllt und lange Staus auf den Autobahnen so unvermeidlich wie in den Gängen der Supermärkte. Obwohl es zu Thanksgiving keine Geschenke gibt, genießt dieses traditionsreiche Fest bei den meisten Amerikanern einen höheren Stellenwert als Weihnachten.

Am 3. Oktober 1789 ruft George Washington, erster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, erstmals einen nationalen Thanksgiving Day aus. Die Ursprünge des amerikanischen Erntedankfestes reichen aber zurück bis zu den englischen Pilgrim Fathers, den Pilgervätern, die 1620 auf der Mayflower über den Atlantik gekommen sind. In ihrer Kolonie im heutigen Massachusetts  erleben sie eine harte Zeit; viele erkranken, etliche sterben binnen weniger Monate. Dass die Siedler den ersten eisigen Winter überstehen, verdanken sie den Einheimischen. Die Indianer verpflegen die Neuankömmlinge und bringen ihnen bei, wie man Mais und andere heimische Pflanzen erfolgreich anbaut. Nach der ersten üppigen Ernte in der Neuen Welt laden die Pilgrims ihre Gastgeber zu einem großen Schlemmerfest ein. Kulinarischer Höhepunkt ist der Truthahn, Gobbler genannt.

Mit den Nachkommen der ersten Siedler verbreitet sich die Sitte der Dankesfeste über das ganze Land. Nach dem amerikanischen Sieg im Unabhängigkeitskrieg beschließt Präsident George Washington die Einführung eines nationalen Thanksgiving Day - allerdings gegen erheblichen politischen Widerstand. Viele Abgeordnete verübeln Washington, dass er dem Land trotz säkularisierter Verfassung einen Dankestag zu Ehren Gottes verordnen will. Doch der ehemalige Oberkommandierende und militärische Vater der USA setzt sich durch und proklamiert in allen Staaten den 26. November 1789 zum Thanksgiving Day.

In den nächsten Jahrzehnten werden Thanksgiving-Tage in den Bundesstaaten eher unregelmäßig zu variablen Terminen gefeiert. Eine kämpferische Witwe, Sarah Hale, Komponistin des Kinderliedes "Mary had a little lamb" und erste Herausgeberin eines Frauen-Magazins, setzt sich 40 Jahre lang für die Einführung eines einheitlichen Dank-Tages ein - zum Wohle der amerikanischen Seele. Bei Präsident Abraham Lincoln findet sie schließlich ein offenes Ohr für ihr Anliegen. Am 3. Oktober 1863 erklärt der 15. Nachfolger von George Washington den letzten Donnerstag im November endgültig zum nationalen Tag des Danksagens. Seither hat es nur einer gewagt, an diesem Datum zu rütteln: Franklin D. Roosevelt, der Präsident während der Großen Depression. Um das traditionell zu Thanksgiving einsetzende Weihnachtsgeschäft zu verlängern, verlegt Roosevelt 1939 den Feiertag kurzerhand um eine Woche vor. Doch das Volk geht auf die Barrikaden. Mit dem Slogan "Thanksgiving statt Franksgiving!" erkämpfen die Bürger die Beibehaltung des alten Termins.

Stand: 03.10.09