Drittes Entlastungspaket - Darauf hat sich die Ampel-Koalition geeinigt

Stand: 05.09.2022, 09:26 Uhr

Die Ampel-Koalition von Kanzler Olaf Scholz (SPD) will die Menschen in Deutschland mit einem dritten Unterstützungspaket in Höhe von mehr als 65 Milliarden Euro entlasten. Alle Infos hier.

Die Spitzen der Ampel-Koalition haben sich auf ein drittes Entlastungspaket mit einem Gesamtvolumen von 65 Milliarden Euro geeinigt. Die anvisierten Maßnahmen "entlasten alle Haushalte - auch Rentnerinnen und Rentner, Studierende, Fachschülerinnen und Fachschüler sowie Auszubildende", heißt es in dem Beschlusspapier, das Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zusammen zusammen mit Finanzminister Christian Lindner (FDP), Omid Nouripour (Parteichef Bündnis 90/Die Grünen) und Saskia Esken (SPD-Chefin) am Sonntag in Berlin vorstellte.

Scholz erklärte, das neue Entlastungspaket sei insgesamt größer als die beiden vorangegangenen Pakete. Die Höhe sei angemessen, denn: "Unser Land steht vor einer schweren Zeit." Angesichts der hohen Kosten für Energie und den insgesamt gestiegenen Lebenshaltungskosten bräuchten viele Bürger und Bürgerinnen schnelle Hilfe.

Das ist konkret geplant: für alle Bürger und Bürgerinnen

  • Für einen gewissen Basisverbrauch an Strom soll nach dem Willen der Ampel-Koalition künftig ein vergünstigter Preis gelten. Für einen zusätzlichen Verbrauch wäre der Preis nicht begrenzt. Die Strompreisbremse soll die Verbraucher einerseits entlasten, andererseits auch zum Energiesparen motivieren. Die Regelung soll auch für kleine und mittelständische Unternehmen gelten. Zudem soll die zum kommenden Jahr eigentlich anstehende Erhöhung des CO2-Preises bei Energie um ein Jahr verschoben werden.
  • Das Kindergeld soll zum Jahresbeginn um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind steigen.
  • Dem Beschlusspapier zufolge will sich der Bund mit 1,5 Milliarden Euro im Jahr an einem Nachfolger-Modell für das Neun-Euro-Ticket beteiligen. Voraussetzung sei, dass "die Länder mindestens den gleichen Betrag zur Verfügung stellen". Ziel sei ein "preislich attraktives Ticket" im Rahmen von 49 bis 69 Euro monatlich. 
  • Zusätzlich soll die 2023 wegfallende Besteuerung von Rentenbeiträgen eine Entlastung von fünf Milliarden Euro für Bürgerinnen und Bürger bringen. Das war allerdings schon länger bekannt - ist also nicht unbedingt Teil des neuen Entlastungspakets.
  • Eine Anpassung der Einkommenssteuer soll außerdem die so genannte "kalte Progression" bekämpfen: Gemeint ist damit eine versteckte Steuererhöhung, wenn eine Gehaltserhöhung komplett durch die Inflation aufgefressen wird, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt.
  • Wenn Unternehmen durch Einmalzahlungen oder Boni ihre Mitarbeiter in der Krise unterstützen, bleibt ein Betrag bis 3.000 Euro steuerfrei. Auch Sozialversicherungsabgaben müssen nicht geleistet werden.
  • Wer im Homeoffice arbeitet, kann weiterhin pro Arbeitstag 5 Euro Werbungskosten von der Steuer absetzen - in Zukunft maximal 600 Euro pro Jahr. Eigentlich sollte die Regelung Ende des Jahres auslaufen: Jetzt gilt sie unbefristet.

Das ist konkret geplant: für kleinere Einkommen

  • Studierende sollen zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 200 Euro erhalten. Rentnerinnen und Rentner bekommen eine einmalige Zahlung von 300 Euro, die einkommenssteuerpflichtig ist. Das bedeutet, dass die Zahlung bei Menschen mit niedriger Rente stärker zu Buche schlägt. Ausgezahlt wird über die Deutsche Rentenversicherung.
  • Mit der geplanten Einführung des Bürgergelds Anfang kommenden Jahres sollen die Regelsätze für Bedürftige auf rund 500 Euro erhöht werden. Heute erhalten Alleinstehende in der Grundsicherung 449 Euro pro Monat.
  • Die Bundesregierung will außerdem die Anpassung bestimmter Sozialleistungen künftig an der tatsächlichen oder erwarteten Inflationsrate ausrichten.
  • Für Niedrigverdiener wird bei den sogenannten Midi-Jobs ab 2023 die Grenze, ab der Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen, auf 2.000 Euro angehoben. Sie behalten damit mehr vom Einkommen übrig.
  • Mehr Menschen als bisher sollen Wohngeld erhalten. Der Kreis der Wohngeldberechtigten wird auf zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger erweitert. Das Wohngeld soll zudem eine dauerhafte Klimakomponente und eine dauerhafte Heizkostenkomponente enthalten, um die steigenden Energiepreise stärker abzufedern.
  • Geplant ist kurzfristig von September bis Dezember 2022 einmalig ein Heizkostenzuschuss für die Bezieherinnen und Bezieher von Wohngeld: einmalig 415 Euro für einen 1-Personen-Haushalt, 540 Euro für zwei Personen. Für jede weitere Person gibt es zusätzliche 100 Euro.
  • Sperrungen von Strom und Gas soll es nicht geben, wenn Kunden trotz Unterstützungsleistungen ihre Energierechnungen nicht bezahlen können.

Das ist konkret geplant: für die Energiewirtschaft

  • Schließlich sollen künftig übermäßige Gewinne am Strommarkt abgeschöpft werden. Die Rede ist von einer "Erlösobergrenze" für Stromerzeuger, die für die Stromproduktion nicht auf das derzeit sehr teure Gas angewiesen sind. Dies werde dafür sorgen, dass die Preise sinken, sagte Scholz. So werde eine "große und dramatische Entlastung" auf dem Strommarkt ermöglicht.

Die Bundesregierung strebt in dieser Frage eine einheitliche europäische Lösung an. Sollten die anderen EU-Staaten nicht mitziehen, schließt sie einen deutschen Alleingang aber nicht aus. Nähere Infos zur "Erlösobergrenze" gibt es hier:

Koalitionspartner loben die Einigung

Noupiri, Scholz, Lindner und Esken (von links nach rechts) bei der Pressekonferenz

Die Koalition stellt ihre Pläne vor

Grünen-Co-Chef Omid Nouripour nannte die Einigung ein "rundes" Entlastungspaket, auch wenn die Verhandlungen teilweise aufreibend gewesen seien. Nun sei es vor allem wichtig, Einigkeit in der Krise zu zeigen. "Wir werden uns nicht spalten lassen", sagt er mit Blick auf Russland. Auch Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner erklärte, mit dem Entlastungspaket könne Schaden von Deutschland abgewendet werden.

Das Paket werde ohne zusätzliche Neuverschuldung finanziert werden. Der Bundeshaushalt 2023 werde wie geplant die Regeln der Schuldenbremse respektieren, betonte Lindner. Für das laufende Jahr sei kein Nachtragshaushalt notwendig.

SPD-Chefin Saskia Esken wies darauf hin, dass die Hilfen auch auf Bäcker und Brauereien zielen, die unter den stark gestiegenen Energiekosten leiden. Viele hätten existenzielle Sorgen, sagt sie. Esken sprach sich zudem für deutlich steigende Löhne aus.