Digitale Patient:innenakte wird verabschiedet
WDR aktuell. 14.12.2023. Verfügbar bis 14.12.2025. WDR. Von Oliver Schöndube.
Elektronische Patientenakte: Was sich jetzt verändert
Stand: 14.12.2023, 16:46 Uhr
Ab 2025 kommt die elektronische Patientenakte - automatisch. Was Patienten beachten müssen und wie ein Widerspruch bei der Datenfreigabe möglich ist.
In rund einem Jahr kommt die elektronische Patientenakte, auch ePA genannt. Das hat der Bundestag am Donnerstag beschlossen. Sie soll für alle Patienten in gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland automatisch kommen. Private Kassen können ihren Patienten den Service anbieten, sind dazu aber nicht verpflichtet. Wenn sie ihn anbieten, bekommen auch deren Patienten die ePA automatisch.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach verspricht eine "Aufholjagd" bei der Digitalisierung und hofft darauf, dass ab 2025 rund 80 Prozent der gesetzlich Versicherten über eine elektronische Patientenakte verfügen. Schließlich können sie ihr auch widersprechen. Bisher nutzen nur rund ein Prozent aller Patienten in der Bundesrepublik die digitale Akte, deren Registrierung aufwendig ist und die noch nicht so viele Funktionen besitzt.
Die Vorteile für Ärzte und Patienten
Noch immer wird in Deutschen Praxen und Kliniken gemailt, gefaxt und gedruckt. Der Praxis- und Klinikalltag soll nun erleichtert werden. Es sollen zeitraubende Telefonate wegen Vorbefunden des Patienten wegfallen. Das ist für Ärzte und Patienten besonders dann hilfreich, wenn es schnell gehen muss. Befinden sich Patienten in einer Notsituation, können behandelnde Ärzte sofort alle Gesundheitsdaten, die freigegeben wurden, abrufen. Ein Vorteil ist dabei beispielsweise der Zugriff auf den sogenannten digitalen Medikamentenplan. Dadurch sollen künftig gefährliche Wechselwirkungen ausgeschlossen werden. Auch doppelte Untersuchungen sollen damit vermieden werden.
Startmodell wird ausgebaut
Anfangs wird die elektronische Patientenakte nicht über alle geplanten Funktionen verfügen, sie soll aber nach und nach weiterentwickelt werden. So könnten zum Beispiel erst einmal keine Röntgen- und MRT-Bilder gespeichert werden, jedoch die dazugehörigen Befunde. Welche Daten genau ab 2025 verfügbar sein werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar. Ebenso eine Schnittstelle zum Organspenderegister soll für 2025 in Arbeit sein.
Mitwirkung und Einsehbarkeit
Patienten können die Akte selbst einsehen und sollen ihre Daten über die ePA-App ihrer Krankenkasse verwalten können. Beispielsweise können sie dann die elektronische Patientenakte mit gesammelten Daten von Fitness-Trackern auf ihren Smartwatches versorgen. Auch Menschen ohne Smartphone oder Computer sollen Zugriff auf ihre eigene elektronische Patientenakte bekommen. Sie können sich dafür an Apotheken oder ihre Krankenkasse wenden.
Überforderung und Diskriminierung befürchtet
Patienten müssen einer Datenfreigabe nicht aktiv zustimmen, um eine elektronische Patientenakte zu bekommen. Patientenschützer haben deshalb Bedenken, weil Patienten schlicht vergessen könnten, die Datenfreigabe abzulehnen. Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber kritisiert zudem, dass Patienten mit der Frage, welche Daten nun beschränkt werden sollten, unter Zeitdruck überfordert sein könnten.
Sensible Daten wie psychische Erkrankungen, sexuell übertragbare Krankheiten oder Abtreibungen sollen grundsätzlich automatisch in der elektronischen Patientenakte vermerkt sein. Diese Daten könnten zu einer Diskriminierung der Patienten führen, so die Befürchtung. Wiederum sollen aus Sicht der Gesundheitspolitiker auch sensible Daten für Ärzte wichtig sein, um beispielsweise eine korrekte Medikamentenwahl treffen zu können.
Angst vor Datenlecks
Die Sicherheit der Daten wird angezweifelt. Ein Bündnis aus mehreren Organisationen, darunter die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. und die Deutsche Aidshilfe, fordert in einem offenen Brief mehr Transparenz und zeigt sich besorgt, dass Gesundheitsdaten gestohlen werden könnten. Es gäbe internationale Beispiele, die zeigten, dass es mehrfach vorgekommen wäre, dass Millionen Gesundheitsdaten veröffentlicht wurden. Das Bundesgesundheitsministerium schreibt dazu auf seiner Internetseite: "Die Umsetzung der ePA für alle erfolgt datenschutzkonform. Die Daten werden auf sicheren Servern innerhalb der Telematikinfrastruktur (TI) gespeichert und in der ePA verschlüsselt angelegt."
Wirtschaftliche Interessen an Daten
Zudem sollen pseudoanonymisierte Daten aus der elektronischen Gesundheitsakte in Forschungen von Wissenschaft und Pharmaunternehmen einfließen. Auch hier muss der Patient ausdrücklich widersprechen, wenn er das nicht will. Das Bündnis schreibt: "Die digitale Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten öffnet das Gesundheitswesen für eine ganze Reihe neuer wirtschaftlicher Akteur*innen, die einen inhärenten Interessenkonflikt beim Zugriff auf Gesundheitsdaten oder dem Betrieb von entsprechenden Systemen aufweisen."
Widerspruch und Zugriffsrechte
Wer seine Gesundheitsdaten lieber verschlossen halten möchte, hat das Recht dazu, muss aber selbst aktiv werden. Patienten in gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenkassen, die eine ePA anbieten, bekommen automatisch eine solche, wenn sie dem nicht widersprechen. Patienten ab 15 Jahren sollen selbst entscheiden können, welche Daten in ihren Akten landen. Bis dahin entscheiden die Erziehungsberichtigten über die Datenfreigabe ihrer Kinder. Erwachsene Kinder von pflegebedürftigen Eltern sollen auf deren Daten Zugriff erhalten können.
Patienten können bereits bei der aktuellen elektronischen Patientenakte, die es seit 2021 auf Anfrage gibt, selbst bestimmen, ob und in welchem Umfang sie die ePA nutzen wollen, welche Daten in der Akte gespeichert oder gelöscht werden sollen und welchem Behandler sie ihre Daten zur Verfügung stellen wollen. Ein Widerspruch erfolgt über die zuständigen Krankenkassen.
Wie genau und an wen die Widersprüche ab 2025 zu erfolgen haben, dazu hat macht das Bundesgesundheitsministerium noch keine Angaben.
Fest steht bereits, dass sowohl allgemeine Widersprüche gegen die elektronische Patientenakte als auch einzelne zeitlich begrenzte oder einzelne inhaltliche Widersprüche zu Datenfreigaben möglich sein werden.