Eheringe auf Euro-Banknoten

Steuerparadies Ehe: Passt das Ehegattensplitting noch in die Zeit?

Stand: 25.01.2024, 16:24 Uhr

Es ist ein Steuergesetz aus den 50er Jahren, das heute für heftigen Streit sorgt. Denn wer in Deutschland heiratet, kann kräftig Steuern sparen - durch das Ehegattensplitting. Ist das heute noch zeitgemäß?

Von Rebecca Kirkland

Als sich bei Familie Henrich aus Siegen Tochter Karla ankündigt, war für Mutter Alicia klar: "Karla geht direkt in die Kita, wenn sie geboren wird und ich geh arbeiten. Ich kann das bestimmt nicht aushalten zu Hause." Doch dann kam es ganz anders. "Als sie da war, habe ich gemerkt, ich kann mich von ihr nicht gut trennen."

Familie Henrich

Familie Henrich

Also bleibt sie auch nach der Elternzeit noch ein paar Jahre daheim - und arbeitet danach in Teilzeit. Ein Modell, was sich für die Familie in Deutschland rechnet. Ihr Mann Johannes verdient als Leiter eines Versicherungsbüros gut – und kann das Ehegattensplitting nutzen. Aber, was heißt das überhaupt?

Die Idee dahinter ist eigentlich simpel: Das Finanzamt wirft beide Verdienste der Ehepartner in einen Topf. Dann wird halbiert. Und jeder zahlt genau für die Hälfte Steuern. Egal, ob das Paar Kinder hat oder nicht. Der Clou dabei: Wenn der eine viel mehr verdient als der andere, kann das Paar kräftig Steuern sparen.

Ein Rechenbeispiel: Ein Partner hat 60.000 Euro zu versteuerndes Einkommen im Jahr, der andere nur 5.000. Macht für den besser Verdienenden z.B. 15.200 Euro Steuern, für den anderen keine. Also insgesamt 15.200 Euro Steuern. Jetzt die Splittingrechnung: Gemeinsam hat das Paar 65.000 Euro zu versteuerndes Einkommen, also 32.500 pro Nase. Macht entsprechend 5.450 Euro Steuern pro Person, zusammen also nur 10.900 Euro. Das Paar spart durch das Splitting also 4.300 Euro pro Jahr.

Steuerparadies Ehe: Ist das Ehegattensplitting noch gerecht?

die story 24.01.2024 43:39 Min. UT Verfügbar bis 31.12.2099 WDR Von Rebecca Kirkland, Wolfgang Minder

Alleinerziehende: "Eine absolute Ungerechtigkeit!"

Katrin Reese ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und findet die Stuervorteile durch Ehegattensplitting ungerecht

Familien ohne Trauschein und Alleinerziehende können diesen Steuervorteil nicht nutzen. "Das ist eine absolute Ungerechtigkeit!", findet Katrin Reese aus Meerbusch. Auch sie verdient wie Johannes Henrich gut. Auch sie wohnt in einem Drei-Personen-Haushalt – nur eben nicht mit Ehemann und Kind sondern mit zwei Kindern. "Was der Staat momentan macht: er unterstützt die Ehe, aber er unterstützt nicht Familien."

In den 50er Jahren waren Ehe und Familie meist dasselbe. Heute aber lebt ein Drittel aller Familien mit Kindern ohne Trauschein. Und umgekehrt haben mehr als die Hälfte aller Ehepaare keine Kinder. Das Ehegattensplitting scheint da nicht mehr zeitgemäß.

Helma Sick berät seit über 30 Jahren Frauen in Finanzfragen. Sie beobachtet, dass auch gerade junge Frauen wieder traditionelle Rollen leben und nach der Geburt der Kinder deutlich weniger arbeiten als ihre Männer.

Wenn die Frau arbeitet, spart der Mann weniger Steuern

"Frauen hören dann von den Männern oft das Argument: Schau mal, Schatz, das lohnt sich doch nicht, wenn Du mehr arbeitest. Dann verliere ich meine hohe Steuerersparnis." Das funktioniert – solange die Ehe hält. Bei einer Scheidung merken die Frauen dann, dass zwar für die Zeit der Ehe die Rentenansprüche geteilt werden, "das ist dann aber oft viel weniger als gedacht", so Sick.  

"Und was aber gar nicht beziffert werden kann, ist der Verlust an beruflichen Möglichkeiten. Aufstiegsmöglichkeiten, Geld, das sie in einer anderen Position verdient hätte."

Obwohl Familie Henrich vom Ehegattensplitting profitiert, findet es Johannes Henrich nicht gut. "Den Staat muss doch eigentlich nicht interessieren, ob wir einen Trauschein haben. Und in meinem Umkreis kenne ich einige Paare, die wirklich nur wegen der Steuervorteile geheiratet haben. Und das kann ja auch nicht im Sinne des Erfinders sein.

Über dieses Thema berichtete der WDR auch im Fernsehen, in "Die Story" am 24.01.2024 um 22.15 Uhr.

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