DNA-Doppelhelix in vergrößerter Darstellung von James Watson und Francis Crick

Geschichte eines Betrugs: Vor 70 Jahren wurde die DNA entschlüsselt

Stand: 25.04.2023, 17:20 Uhr

Genau vor 70 Jahren präsentierten die Forscher Watson und Crick ihre Entschlüsselung der menschliche DNA. Doch was bis heute als bahnbrechende Entdeckung gilt, ist auch die Geschichte eines Betrugs in einer von Männern dominierten Wissenschaftswelt.

Von Nina Magoley

Die beiden jungen Männer, die an einem Abend im Februar 1953 in ihre Stammkneipe im britischen Cambridge stürmen, wirken entfesselt. Sie hätten das "Geheimnis des Lebens" entdeckt, verkünden die zwei den erstaunten Biertrinkern am Tresen. So erinnerte sich später einer der beiden, der US-amerikanische Forscher James Watson. Gemeinsam mit seinem britischen Kollegen, dem Physiker Francis Crick, gilt er als Entdecker der menschliche DNA.

Aus Pappe hatten die beiden Schablonen in Form der Nukleinbasen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin ausgeschnitten - alles Bestandteile der DNA (Abkürzung für englisch deoxyribonucleic acid, zu deutsch Desoxyribonukleinsäure). Dann sei ihnen plötzlich klar geworden, dass sich Adenin und Thymin sowie Guanin und Cytosin jeweils zu Basenpaaren zusammenfügen, die zusammen eine spiralförmig gewundene Struktur ergaben. Und so große Mengen von Informationen speichern.

1953 präsentierten Crick und Watson das Doppelhelix-Modell

In der Wissenschaftszeitschrift "Nature" präsentierten Watson und Crick am 25. April 1953 ihr sogenanntes Doppelhelix-Modell des menschlichen Erbgutmoleküls DNA. Sie zeigten dabei auch, dass sich die beiden verbundenen Stränge wie ein Reißverschluss trennen und mit anderen Elementen verbinden lassen. Für diese Leistung erhielten Watson und Crick 1962 den Nobelpreis für Medizin.

Bis heute gilt die Entschlüsselung der menschlichen DNA als Grundlage für das Verständnis davon, wie Lebewesen funktionieren. Ohne dieses Wissen wären beispielsweise folgende Errungenschaften heute nicht denkbar:

  • Aufklärung von Verbrechen: Nach der Messerattacke in Duisburg beispielsweise haben Ermittler in der Wohnung des Tatverdächtigen ein Messer gefunden. Ob es die Tatwaffe ist, mit der der Mann mutmaßlich mehrere Menschen in einem Fitnessstudio schwer verletzte, soll jetzt eine DNA-Untersuchung klären. Aber auch lange zurückliegende, bis dato ungeklärte Verbrechen können heutzutage mittels genetischer Fingerabdrücke doch noch aufgelöst werden, wenn sich DNA-Spuren finden - sogenannte Cold Cases.
  • Medizin: Moderne Medizin ist heute ohne Genomforschung nicht mehr denkbar. Die Erkenntnis, dass Mutationen und Veränderungen in der Helix-Kette zur Bildung von Tumoren führen können, ist zur Grundlage für die Krebsforschung geworden. Auch der Einsatz der umstrittenen Genschere basiert darauf. Moderne Impfstoffe - wie die MRNA-Impfung gegen Corona - nutzen die Erkenntnisse ebenso wie die Technik bei Vaterschaftstests.

Entdeckung der DNA ist auch eine Geschichte eines Betrugs an einer Frau

Dass Watson und Crick die Entdeckung der DNA für sich alleine reklamierten, ist mittlerweile als regelrechter Ideendiebstahl entlarvt. Während die beiden Männer bis heute weltweit als bahnbrechende Entdecker gefeiert werden, gilt als erwiesen, dass es eigentlich die Biochemikerin Rosalind Franklin war, die die wichtigste Erkenntnis dafür lieferte.

Franklin brachte die Forschung voran

Schwarz-weiß-Porträt der Forscherin Rosalind Elsie Franklin

Porträt der Forscherin Rosalind Elsie Franklin

Dass die menschlichen Zellen aus einer DNA bestehen, war bereits klar. An ihrer Entschlüsselung aber forschten Wissenschaftler Anfang der 1950er-Jahre fieberhaft um die Wette. Die Konkurrenz der Cambridger Forscher saß nicht weit entfernt: Am Londoner King's College hatte Franklin, als weibliche Wissenschaftlerin damals eine ungewöhnliche Erscheinung, bereits eine spezielle Technik erfunden, wie sich die Struktur der DNA mittels Röntgenstrahlen darstellen ließ. Ihrem Doktoranden Raymond Gosling gelang es 1952 sogar, ein Foto der DNA zu machen.

Maurice Wilkins, ein Kollege der Forscherin am Londoner King’s College, neidete ihr offenbar den Erfolg. Hinter Franklins Rücken soll er ihre Erkenntnisse an Watson und Crick weitergegeben haben. Das legendäre Foto, bis dahin geheim gehalten, landete auf Watsons Tisch.

Franklins Forschung diente Watson und Crick als Basis

In seinem Buch "Die Doppelhelix" räumte Watson später sogar ein, sprachlos gewesen zu sein angesichts des Fotos der DNA: "Als ich das Bild sah, klappte mir die Kinnlade runter, mein Puls flatterte." Auch einen umfassenderen Bericht dazu bekam Watson heimlich zu sehen. Anhand des Fotos und der Forschungsergebnisse seiner weiblichen Konkurrentin sollen Watson und Crick dann ihr Pappmodell gebaut haben.

Als schließlich der Artikel von Watson und Crick in "Nature" erscheint, findet sich im selben Heft auch ein Beitrag von Franklin und ihrem Doktoranden. Er bestätigte das theoretische Modell der Männer. Franklins Erkenntnisse gelten heute als Grundlage für die Entschlüsselung der DNA.

Neun Jahre später, 1962, erhielten Watson, Crick und sogar Wilkins den Nobelpreis für die Entschlüsselung der DNA. Franklin und ihr Mitarbeiter fanden dabei keinerlei Erwähnung. Darüber ärgern konnte sie sich allerdings nicht mehr - sie war 1958 im Alter von nur 37 Jahren an Krebs gestorben.

Watson machte Karriere und verlor seinen Posten schließlich wegen Rassismus

James D. Watson: Molekularbiologe und Nobelpreisträger

Der Molekularbiologe James Watson

James Watson dagegen trat 1961 eine Professur an der Harvard Universität an. 1968 wurde er Direktor des "Cold Spring Harbor Laboratory" (CSHL) in New York. Nach Jahrzehnten als Spitzenforscher in der Molekularbiologie trat Watson erst 2007 von seinem Posten zurück - nachdem ihm immer wieder rassistisches Verhalten gegenüber Schwarzen vorgeworfen worden war.

Angeblich in Geldnöten versteigerte er 2014 seine Nobelpreis-Medaille für 4,1 Millionen Euro. 2019 erkannte ihm das Cold Spring Harbor Laboratory auf Long Island all seine Titel ab, weil er behauptete, schwarze Menschen hätten einen niedrigeren IQ als weiße.