Briefe und kleine Pakete während der Briefaustragung

Mehr Beschwerden über Deutsche Post: Ist der Brief dem Ende nah?

Stand: 20.11.2024, 06:00 Uhr

Die Zahl der Beschwerden bei der Bundesnetzagentur über die Deutsche Post hat deutlich zugenommen. Trotzdem steigt das Porto.

Von Jörn Seidel und Anne-Katrin Eutin

Vor ein paar Tagen erst verkündete die DHL Group als größtes deutsches Logistikunternehmen, dass die Preise für Briefe und Pakete ab Januar ansteigen werden. Nun zeigt sich, dass in diesem Jahr auch die Zahl der Beschwerden über das in Bonn beheimatete Unternehmen ansteigen.

Ein Viertel mehr Beschwerden als im Vorjahreszeitraum

In den ersten drei Quartalen dieses Jahres habe man etwa 31.700 Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern über Mängel bei der Post- und Briefversorgung bei allen Logistikunternehmen verzeichnet. Das ist ein Viertel mehr als im Vorjahreszeitraum, wie die Bundesnetzagentur auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mitteilte. In den ersten neun Monaten 2023 waren es 26.000 Beschwerden gewesen.

Die meisten Beschwerden betrafen auch im laufenden Jahr den Briefverkehr (59 Prozent). Zum Paketversand gingen deutlich weniger Beschwerden ein (32 Prozent).

90 Prozent der Beschwerden betreffen DHL mit Deutscher Post

Zwar betrifft die gestiegene Gesamtzahl an Beschwerden auch Logistikunternehmen wie Hermes, DPD, GLS und diverse Briefbeförderer. Aber etwa 90 Prozent aller Beschwerden gelten dem Marktführer DHL und dort vor allem seiner Brief-Sparte Deutsche Post.

Frau wird mit einem Mikrofon bei einer Straßenumfrage interviewt

Passantin in der Kölner Innenstadt

Es sei bemerkenswert, dass das Porto für Briefe und Postkarten "immer teurer", aber "der Service schlechter wird", sagt eine junge Frau dem WDR in der Kölner Innenstadt. Sie selbst habe auch schon schlechte Erfahrungen gemacht. An eine erinnert sie sich besonders:

"Der erste Brief von meinem Patenkind kam gar nicht an - aus dem Urlaub." Frau in der Kölner Innenstadt
Frau wird mit einem Mikrofon bei einer Straßenumfrage interviewt

Passantin in der Kölner Innenstadt

Ähnliches berichtet die Frau an ihrer Seite: "Ich hab sehr oft Ärger mit der Post, weil meine Briefe gar nicht ankommen." Beschwerde bei der Bundesnetzagentur habe sie allerdings noch nie eingereicht. Weil diese "wahrscheinlich auch nicht ankommt", sagt sie und lacht.

Natürlich sagt die gestiegene Zahl an Beschwerden nicht zwangsläufig etwas darüber aus, dass auch die tatsächliche Zahl der Mängel bei den Paket- und Brief-Unternehmen angestiegen ist. Gut möglich, dass auch einfach die Bundesnetzagentur und ihre Beschwerde-Möglichkeit bekannter geworden ist.

Deutlich weniger beförderte Briefe

Trotzdem fällt das Ungleichgewicht ins Auge: Zur Brief-Versorgung gibt es die meisten Beschwerden und aktuell sogar mehr als im Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig aber nimmt die Zahl der beförderten Briefe kontinuierlich ab. Waren es 2016 noch 18,6 Milliarden, sank die Zahl der Briefe 2023 auf 13,3 Milliarden.

"Das ist natürlich eine Entwicklung, die gegenläufig und besonders dramatisch ist", sagt Klaus Gettwart dem WDR. Er ist Vorstand des Postnutzer-Verbands DVPT (Deutscher Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation e.V.). Demnach beschweren sich die Bürgerinnen und Bürger vor allem darüber, dass Sendungen verspätet oder gar nicht ankommen.

"Es ist ein Indiz, dass was in der Zustellung nicht stimmt, schwerpunktmäßig bei der Deutschen Post." Klaus Gettwart, Vorstand Postnutzer-Verband DVPT
Interview mit Klaus Gettwart; Vorstand des Postnutzer-Verbands DVPT

Klaus Gettwart, Vorstand Postnutzer-Verband DVPT

Das Hauptproblem gebe es im Zustellbereich. Und das liege vor allem daran, dass es an Personal fehle. Oft könnten Stellen nicht besetzt werden, so Gettwart.

All das wirft kein gutes Licht auf die Beförderung von Briefen. Wird es angesichts der fortschreitenden Digitalisierung Briefe in Zukunft überhaupt noch geben?

Gettwart: Briefe werden nicht verschwinden

Gettwart ist überzeugt: Ein Ende des Briefes ist nicht in Sicht. Zwar werde die Post in Zukunft noch weniger Briefe transportieren - in vielen anderen europäischen Staaten gebe es schon deutlich weniger als in Deutschland. Verschwinden werde diese Papier-Kommunikation aber nicht.

Schreiben eines Briefes mit einem Füller

Mit einem Füller in der Hand wird ein Brief verfasst.

Das liege zum Beispiel daran, dass der Brief auch weiterhin oft das Mittel der Wahl sei, "um rechtsverbindlich miteinander zu kommunizieren". Und obwohl viele Menschen im Privaten eher E-Mails und Chat-Nachrichten austauschen: "Der hochwertige Brief ist ein Medium, was noch Zukunft hat", glaubt Gettmann.

Briefe per Hand an Oma und Opa

So erleben es auch die zwei Frauen in der Kölner Innenstadt: Einen handschriftlichen Brief habe sie zuletzt im Oktober verfasst - "an Oma mit Bildern vom Enkelkind", sagt die eine.

Die andere schrieb im September ihrem Großvater zum Geburtstag. Und es werde auch in Zukunft noch Anlässe geben, an denen sie mit der Hand einen Brief schreiben und mit der Post verschicken werde, sagt sie: zu Weihnachten zum Beispiel - und zu anderen "besonderen Anlässen".

Unsere Quellen:

  • Bundesnetzagentur
  • Nachrichtenagentur dpa
  • DHL Group mit Deuscher Post
  • Umfrage in der Kölner Innenstadt
  • Interview mit Klaus Gettwart, Vorstand Postnutzer-Verband DVPT

Über dieses Thema berichten wir auch im WDR-Fernsehen: am 20.11.2024 um 18.45 Uhr in der "Aktuellen Stunde".