Spatenstisch Batteriefabrik in Heide: Veronika Wand-Danielsson, Daniel Guenther, Olaf Scholz, Robert Habeck, Peter Carlsson, Christofer Haux

Subventionierte Batteriefabrik: Sinnvolle Investition oder Geldverschwendung?

Stand: 25.03.2024, 20:00 Uhr

Kluge Investition in den Industriestandort Deutschland oder Verschwendung von Steuergeldern? In Heide wird eine riesige Batteriefabrik gebaut, über deren Sinn gestritten wird. Besonders der Forschung fehlt das Geld - auch in NRW.

Die Politik feiert den Spatenstich für eine neue Batteriefabrik des schwedischen Herstellers Northvolt im schleswig-holsteinischen Heide als Beleg für einen starken Industriestandort Deutschland, andere aber sprechen von einer Fehlinvestition und befürchten gar eine äußerst teure Industrie-Ruine.

Zum Baustart für die Fabrik machte sich sogar der Kanzler persönlich auf in die Provinz Schleswig-Holsteins. "Deutschland war, ist und bleibt ein starkes Industrieland", sagte Olaf Scholz bei dem Festakt in Hedwigenkoog bei Heide. "Und die Herstellung guter Autos bleibt auch über den Verbrennermotor hinaus Rückgrat unserer Industrie." 3.000 Jobs entstünden bei Northvolt direkt, noch einmal 10.000 würden im Umfeld der Fabrik erwartet.

Hohe Subventionen durch den Steuerzahler

Das lässt sich Deutschland einiges kosten. Bund und Land fördern die Batteriefabrik mit rund 700 Millionen Euro. Hinzu kommen mögliche Garantien über weitere 202 Millionen Euro, die noch bewilligt werden müssen. Northvolt selbst investiert 4,5 Milliarden Euro und möchte die Batterien mit den in Schleswig-Holstein reichlich vorhandenen erneuerbaren Energien weitgehend klimaneutral produzieren.

Aber wird die Rechnung aufgehen? "Unter dem Strich ist der Spatenstich sehr teuer. Und wie erfolgreich diese Maßnahme für Deutschland und Schleswig-Holstein tatsächlich ist, wird sich in den nächsten Jahren zeigen", sagt der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, Moritz Schularick. "Das Geld muss nun vom Steuerzahler aufgebracht werden und fehlt an anderer Stelle, etwa bei Investitionen in Bildung oder Infrastruktur."

Das ist für Martin Winter vom Batterieforschungszentrum MEET der Universität Münster der entscheidende Punkt. Dort werden junge Nachwuchskräfte ausgebildet, die an Batterien der Zukunft arbeiten, die für die Automobilindustrie und die Elektrifizierung unseres Landes nötig sind.

Woher sollen die Fachkräfte für Northvolt kommen?

Prof. Martin Winter MEET Münster

Martin Winter vom Batterieforschungsinstitut MEET in Münster

Doch im Zuge des Urteils vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wurden der deutschen Batterieforschung die Mittel aus dem Klima und -transformationsfonds (KTF) großflächig gestrichen. "Die Finanzierung wurde auf 10 Prozent runtergefahren, also fehlen uns jetzt 90 Prozent. Bildung und Forschung haben keine Priorität bei der Bundesregierung", klagt Winter im Gespräch mit dem WDR.

"Für uns bedeutet das: Ein Teil der Ausbildung junger Menschen kann nicht mehr stattfinden. Von den Milliarden, die jetzt nach Northvolt gehen, hätte man 200 Millionen in den Forschungsstandort geben können", so Winter. Nur dann könne man die für das neue Werk benötigten Fachkräfte auch ausbilden. "Doch das Signal der Bundesregierung heißt, studiert nicht in diesem Bereich", warnt der Batterieforscher.

Das sieht man im Bundeswirtschaftsministerium anders. Man habe seit 2021 auch intensiv die Themen Batterie-Forschung und Entwicklung sowie Fachkräftesicherung in den Blick genommen: "Unter dem Stichwort 'Batterie-Ökosystem' werden mit einer Fördersumme von deutlich über 100 Millionen Euro rund 40 Verbündete und insgesamt über 160 Fördernehmer gefördert", so das Ministerium auf WDR-Anfrage. Damit trage man insbesondere zur akademischen Ausbildung von Batterie-Experten bei. Hinzu kämen weitere 60 Millionen Euro zur Erarbeitung sowie Umsetzung von Aus- und Weiterbildungskonzepten im Batteriesektor über sechs sogenannte "Qualifizierungscluster".

Forschungsstandort Deutschland wird abgehängt

Er spricht von einer Insellösung. "Northvolt wird Probleme bekommen. Entweder kommen die Leute aus dem Ausland oder es wird eine Investitions-Ruine. So lange Bildung, Forschung und Wissenschaft keinen Stellenwert in der Gesellschaft haben, werden wir abgehängt. Dann werden wir bei alternativen Energien zum Schwellenland und importieren alles. Die Autohersteller werden dann nicht mehr in Deutschland Elektroautos bauen", so Winter, der es erschreckend findet, wie die Regierung mit dem Forschungsstandort Deutschland umgeht.

Sind Subventionen ihr Geld wert?

Auch Christian Rusche vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln kritisiert die Bundesregierung: "Bei den Fachkräften tun wir zu wenig, um das Potenzial zu aktivieren", sagt er dem WDR. IfW-Präsident Schularick rätselt darüber, ob "solche Subventionen wirklich ihr Geld wert sind. Gezielte Förderung von Forschung und Entwicklung könnte die erfolgreichere Alternative sein." Die aber hat die Bundesregierung nun weggespart.

Winter glaubt, dass es deshalb immer weniger Studierende in diesem Zweig in Deutschland geben wird. "Bald gehen auch die Professoren. Die meisten Länder investieren stark, warum sollte man in Deutschland bleiben? Und dann können wir uns die Frage stellen, wie der Staat das Geld einnehmen will, wenn hier die Leute fehlen, die das alles erwirtschaften und ja auch ihre Steuern in Deutschland zahlen."

Northvolt in Schleswig-Holstein: "Gewinn für Region"

WDR 5 Morgenecho - Interview 25.03.2024 06:55 Min. Verfügbar bis 25.03.2025 WDR 5


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Unsere Quellen:

  • Gespräch mit Martin Winter vom MEET in Münster
  • Interview WDR5 mit Christian Rusche vom IW in Köln
  • Bundeswirtschaftsministerium
  • Agenturen DPA, Reuters