Gebärmutterhalskrebs: Impfrate gegen auslösendes Virus massiv gesunken
Stand: 27.08.2024, 06:00 Uhr
Die Barmer hat herausgefunden, dass Impfungen gegen das Humane Papillomvirus um 23,5 Prozent zurückgegangen sind - obwohl fast jedem Gebärmutterhalskrebs eine HPV-Infektion vorausgeht. Gibt es eine Impfmüdigkeit seit der Corona-Pandemie?
Von Till Schwachenwalde
Seit 2007 empfiehlt die Stiko die Impfung gegen das Humane Papillomvirus (HPV) für Mädchen, seit sechs Jahren auch für Jungen. Zwischen 2021 und 2022 ist die Impfquote allerdings massiv eingebrochen. Das hat der neue Barmer-Arzneimittelreport herausgefunden. In dem Zeitraum sind die Impfungen um 23,5 Prozent zurückgegangen. Am meisten Impfungen hatte es 2015 gegeben. In dem Jahr wurden statistisch gesehen 12 von 100 Mädchen gegen HPV geimpft. Laut des Barmer-Reports sind insgesamt 40 Prozent der Mädchen ohne HPV-Impfung.
Ein Grund für die sinkende Entwicklung der Impfquote könnte die COVID-Pandemie sein. Allerdings ist sie während der Hochphase der Pandemie nicht so deutlich gesunken wie danach. Trotzdem könnte in der Pandemie eine Erklärung liegen, sagt der Vorstandschef der Barmer Ersatzkasse.
Der Arzneimittelreport schreibt, dass die Impfquote schon vor der COVID-19-Pandemie unzureichend gewesen sei. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass das von der Weltgesundheitsorganisation WHO ausgegebene Ziel, bis 2030 eine Impfquote von 90 Prozent zu erreichen, durch diese Entwicklung gefährdet sein könnte. Deswegen müssten Gegenmaßnahmen getroffen werden.
HPV für Gebärmutterhalskrebs verantwortlich
Humane Papillomviren sind für nahezu jeden Fall von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich, so steht es in einer neuen Studie von Alison A. McBride vom US-amerikanischen Forschungszentrum "National Institute of Allergy und Infectious Diseases". Allerdings können auch Männer durch das Virus Tumore bekommen, etwa am Penis oder in der Mundhöhle. 2020 sind in Deutschland laut Robert-Koch-Institut 1.546 Frauen an Gebärmutterhalskrebs gestorben. Zum Vergleich: An HIV starben 2022 in Deutschland 264 Menschen.
Übertragen wird das HP-Virus vor allem bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr, weswegen die Stiko in Deutschland eine Impfung auch für Jungen empfiehlt. So schützen sie sich selbst und andere Ungeimpfte. Ab neun Jahren soll geimpft werden, zwei Impfungen mit einem Abstand von mindestens einem halben Jahr sind nötig. Geimpft wird mittlerweile überwiegend bei Kinderärztinnen und Kinderärzten. Zwei Drittel aller Mädchen bekommen dort die Impfung, bei Jungen ist das in 80 Prozent der Fälle auch so.
Große regionale Unterschiede bei Impfquote
Von Bundesland zu Bundesland gebe es große Unterschiede bei der Impfquote, so der Barmer-Report weiter. Auffällig sei, dass in den östlichen Bundesländern die Impfquoten am höchsten seien. In Sachsen-Anhalt seien knapp 76 Prozent aller Mädchen mit 17 Jahren komplett gegen HPV geimpft. Schlusslicht sei Bayern, da seien es nur 51 Prozent. NRW liege etwas über dem bundesweiten Durchschnitt von 61 Prozent.
Ein ähnliches Bild gebe es auch bei den geimpften Jungen - dort seien die Zahlen allerdings deutlich geringer. Bundesweit sei da jeder vierte Junge vollständig geimpft.
Impfung gegen HPV senkt Erkrankungen
Die Barmer Ersatzkasse hat für den Arzneimittelreport anonymisierte Daten ihrer Mitglieder ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Impfung gegen das Humane Papillomvirus die Zahl der Erkrankungen deutlich reduziert habe. Durch den Start der Impfungen bei Mädchen 2006 sind geimpfte Frauen heute etwa 30 Jahre alt.
Die Quote der Erkrankungen an Gebärmutterhalskrebs ist in dieser Altersgruppe um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Die Barmer hat dabei Daten zwischen 2011 und 2017 sowie zwischen 2018 und 2022 verglichen. Bei Frauen zwischen 30 und 39 Jahren sind die Erkrankungen durch diese Krebsart dagegen leicht angestiegen.
Wie könnte die Impfquote gesteigert werden?
Der Arzneimittelreport hat verschiedene Lösungsansätze vorgeschlagen, damit in Deutschland das Ziel der WHO eingehalten werden kann. Unter anderem sollte die HPV-Impfung als geschlechtsneutral kommuniziert werden. Dabei sollte hervorgehoben werden, wie wichtig die Impfung bei der Krebs-Prävention ist.
Außerdem sollte ein Impferinnerungssystem eingeführt werden. So könnten Ärzte sicherstellen, dass nach der ersten Impfung die Folgeimpfung nicht verpasst wird. Eine weitere Maßnahme, die helfen könnte, wäre laut Barmer ein Hinweis von Krankenkassen an alle Kinder, die mit zwölf Jahren noch nicht geimpft sind.
Unsere Quellen:
- Barmer-Arzneimittelreport 2024
- Statistisches Bundesamt
- Robert-Koch-Institut