Eine Spritze mit einem Impfstoff liegt auf einem Tisch

HPV-Impfung schützt vor Krebs - trotzdem wird weniger geimpft

Stand: 10.11.2023, 11:45 Uhr

Immer weniger Kinder und Jugendliche werden gegen HPV geimpft. Dabei kann die Impfung helfen, Krebserkrankungen zu verhindern. Was sind die Gründe?

Von Benedikt Schulz

Eine aktuelle Auswertung der Krankenkasse DAK zeigt: Die Zahl der Impfungen gegen Humane Papillomviren (HPV) ist im vergangenen Jahr drastisch zurückgegangen. In der Altersgruppe zwischen 9 und 17 Jahren sank die Zahl der Erstimpfungen bei Jungen um 31 Prozent, bei Mädchen um 21 Prozent im Vergleich zum Jahr 2021.

Doch schon zuvor war die Impfquote niedrig. Im Jahr 2021 bekamen gerade mal rund zehn Prozent der 9-17-Jährigen eine Erstimpfung. Eine HPV-Infektion kann bestimmte Krebserkrankungen auslösen, etwa Gebärmutterhalskrebs. Laut Robert-Koch-Institut erkranken in Deutschland jährlich mehr als 6.000 Frauen und rund 1.600 Männer an HPV-bedingtem Krebs.

Wie ist der Rückgang der Impfungen zu erklären?

Dafür gibt es laut Kinderärzten mehrere Gründe. Michael Achenbach, Kinderarzt in Plettenberg, sieht Corona als einen Grund. In der Pandemie seien die Impfquoten insgesamt in den Keller gegangen.

Sein Kollege Jakob Maske, Kinderarzt in Berlin, ergänzt: "Die Eltern haben da wahrscheinlich ihr Augenmerk eher auf die Corona-Impfung gelegt. Und gesagt: wir machen jetzt erst mal Corona und erst mal nicht HPV."

Allerdings war die Impfquote bereits vorher niedrig, welche Gründe gibt es sonst noch?

Die HPV-Impfung wird hierzulande vor allem mit dem Thema Sexualität in Verbindung gebracht – und weniger mit Krebsrisiken. Da gebe es Berührungsängste, meinen die Kinderärzte.

Dr. Michael Achenbach

Dr. Michael Achenbach

Michael Achenbach erläutert: "Wir haben hier in Deutschland, als wir die Impfung eingeführt haben, eine Sache anders gemacht als die anderen Länder. Die anderen Länder haben gesagt, wir impfen mit neun und in Deutschland haben wir gesagt, wir fangen mit zwölf an. Und mit zwölf sind die meisten Kinder schon nicht mehr Kinder, sondern jugendlich, also in der Pubertät."

"Beim Thema Sexualität haben viele Eltern Bedenken" Michael Achenbach, Kinderarzt aus NRW

Viele Eltern hätten Bedenken gehabt, meint Achenbach. "Die haben gesagt: Ach na ja, diese Impfung ist ja irgendwie so ein Freifahrtschein zum Beginn der sexuellen Aktivität. Das können wir noch ein bisschen noch schieben. Inzwischen wird die Impfung ab 9 Jahren empfohlen, aber die Impfung hat jetzt halt ihren Stempel weg."

Wie kann man sich mit HPV infizieren?

Nicht nur, aber vor allem durch Sexualkontakte. Deshalb wird die Impfung auch empfohlen, bevor Jugendliche das erste Mal Sex haben. Die Ansteckung erfolgt nicht durch Körperflüssigkeiten wie Blut oder Sperma, sondern über Haut- und Schleimhautkontakt, ist deshalb also auch durch Oralsex möglich.

Kondome senken zwar das Risiko, können eine Ansteckung aber nicht sicher verhindern. Möglich, allerdings sehr unwahrscheinlich, ist auch eine Übertragung von der Mutter auf ihr Kind bei der Geburt.

Welche Krankheiten können durch eine HPV-Infektion ausgelöst werden?

Eine Infektion kann schnell sogenannte Feigwarzen im Genitalbereich auslösen. Langfristig kann eine Infektion mit Humanen Papillomviren unterschiedliche Krebsarten hervorrufen. Am bekanntesten ist der Gebärmutterhalskrebs.

Aber auch andere Krebsarten wie Peniskrebs, Scheidenkrebs oder auch Mund-Rachen-Krebs werden durch eine Infektion mit HPV ausgelöst. Mit anderen Worten: auch Jungen sind davon betroffen.

Für wen wird eine Impfung empfohlen?

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt derzeit eine Impfung für Kinder und Jugendliche zwischen neun und 14 Jahren. Idealerweise sollte die Erstimpfung erfolgen, bevor Jugendliche erste sexuelle Kontakte haben. Wichtig zu wissen: Bis 14 Jahre werden für die Grundimmunisierung zwei Impfdosen gegeben, ab 15 Jahren sind drei Dosen erforderlich.

Welche Risiken gibt es?

Die Impfung gilt als sehr gut verträglich. Möglich sind typische Impfnebenwirkungen wie Kopf- und Muskelschmerzen oder Fieber. Und: Die Impfung gilt im Vergleich zu anderen Impfungen als sehr unangenehm: "Das ist eine der schmerzhaftesten Impfungen, die ich im Kühlschrank liegen habe", erklärt Kinderarzt Michael Achenbach.

Zu Beginn der Impfungen habe es zudem noch ein weiteres Risiko gegeben, das sei aber inzwischen kein Problem mehr. Damals seien viele junge Patientinnen nach der Impfung ohnmächtig geworden. "Das war damals so, dass diese Impfung in einer Schutzvorrichtung ausgeliefert wurde, die quasi wie eine Pistole aussah. Und man kam da mit so einem ganz riesigen Teil und dann hat die eine oder andere Patientin die Luft ganz gewaltig angehalten."

Was ist mit denen, die älter sind als 14 Jahre – sollten die sich dennoch impfen lassen?

Eine Impfung kann auch für ältere Jugendliche sinnvoll sein. Selbst wenn Jugendliche bereits sexuell aktiv sind und eine Infektion mit HPV deswegen bereits erfolgt sein kann. Denn die Impfung schützt gegen mehrere Varianten von Humanen Papillomviren.

Bis einschließlich dem 17. Lebensjahr wird die Impfung von den Krankenkassen übernommen. Aber auch danach übernehmen viele Krankenkassen die Kosten, hier lohnt es sich nachzufragen.

Wie kann man die Impfquote erhöhen?

Vor allem durch mehr Aufklärung. Kinderarzt Michael Achenbach empfiehlt auch den Blick in andere Länder: so gut wie alle Länder, die eine hohe HPV-Impfquote haben, würden diese über ein Programm in den Schulen erreichen.