Besuch in der Türkei: Baerbock fordert Freilassung von Kavala

Stand: 30.07.2022, 08:50 Uhr

Außenministerin Baerbock besucht die Türkei – mit scharfen Worten im Gepäck. Die Streitthemen: Die mögliche Offensive in Nordsysrien, der Insel-Streit mit Griechenland und die Inhaftierung von Kavala.

Am Freitag war die Grünen-Politikerin Annalena Baerbock zu einem Treffen mit dem türkischen Außenminister gereist. Bei dem Antrittsbesuch kam es zur offenen Konfrontation.

In der gemeinsamen Pressekonferenz in Istanbul lieferten sich Baerbock und Außenminister Mevlüt Cavusoglu Wortgefechte. Die Streitthemen: Die erwartete türkische Offensive in Nordsysrien, der Insel-Streit zwischen Griechenland und der Türkei und die Inhaftierung des Oppositionellen Osman Kavala in der Türkei.

Baerbock fordert Freilassung von Kavala

Osman Kavala

Osman Kavala

Baerbock hatte am Freitag bei ihrem Antrittsbesuch in der Türkei die Freilassung Kavalas gefordert. Der türkische Kulturförderer Kavala war im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Urteil rief international scharfe Kritik hervor. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte seine Haft 2019 als politisch motiviert eingestuft und die Freilassung des Kulturförderers gefordert. Dies ist bislang aber nicht geschehen.

Baerbock sagte am Freitag, sie sehe es als ihre Pflicht an, die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte "zu achten und zu verteidigen, und zwar ausnahmslos und zu jeder Zeit". Außenminister Cavusoglu warf Baerbock daraufhin vor, den Fall Kavala gegen die Türkei zu instrumentalisieren. "Sie nutzen Osman Kavala gegen die Türkei aus", sagte er. Der Minister verwies darauf, dass auch Deutschland und andere Staaten nicht jedes Urteil des Menschenrechtsgerichts umgesetzt hätten und sprach dabei von "Doppelmoral".

Erst kürzlich hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei zu einer Geldstrafe verurteilt, weil Ankara das Urteil aus dem Jahr 2019 missachtet. Wenn es um "Sanktionen oder Druck" geht, mache sich die Türkei keine Sorgen, sagte Kristian Brakel im WDR. Er ist Leiter der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung Istanbul. Erdogan regiere aus einer Position heraus, die besage: Ihr braucht mich mehr als ich euch. Die Türkei wisse, dass sie für die europäische Sicherheit relevant ist.

Was wird Osman Kavala vorgeworfen?

Der Kulturmäzen und bekannte Menschenrechtsaktivist Kavala war 2017 ursprünglich wegen des Vorwurfs festgenommen worden, die Gezi-Proteste 2013 gegen die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan finanziert und organisiert zu haben. Im Februar 2020 sprach ein Gericht ihn von diesem Vorwurf frei.

Kavala wurde damals aus der Haft entlassen, jedoch wenige Stunden später erneut festgenommen – diesmal im Zusammenhang mit dem Putschversuch gegen Erdogan im Jahr 2016 und wegen Spionagevorwürfen. Kavala weist die Anschuldigungen zurück.

Osman Kavala ist Vorsitzender der Stiftung "Anadolu Kültür". Die Organisation setzt sich nach eigener Aussage für den Austausch "zwischen verschiedenen ethnischen, religiösen und regionalen Gruppen" ein. Kavalas Arbeit dreht sich unter anderem um den Schutz von Minderheiten, er finanziert beispielsweise Organisationen, die sich Tabuthemen und kritischen Fragen nähern und sich mit armenischer Kultur und Geschichte beschäftigen. Der Mäzen hat sich auch zum Ziel gesetzt, die internationale Zusammenarbeit zu fördern.

Baerbock trifft am Samstag Oppositionsparteien der Türkei

Außenministerin Annalena Baerbock trifft am Samstag Vertreter der türkischen Opposition in der Hauptstadt Ankara. Die Opposition in der Türkei steht seit Jahren massiv unter Druck. Der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP etwa droht ein Verbot.

Zuletzt hatten sechs türkische Oppositionsparteien ein gemeinsames Grundsatzprogramm veröffentlicht. Beobachter gehen davon aus, dass die Parteien sich zu einem Bündnis zusammenschließen und einen gemeinsamen Kandidaten für die 2023 geplanten Wahlen aufstellen. Das Bündnis setzt sich unter anderem zusammen aus der größten Oppositionspartei CHP, der nationalkonservativen Iyi-Partei und der Deva-Partei.

Insel-Streit zwischen Türkei und Griechenland

Vor ihrer Reise in die Türkei hatte Baerbock am Freitag Athen besucht. Griechenland und die Türkei befinden sich im Streit um griechische Inseln wie Rhodos, Kos und Lesbos im östlichen Mittelmeer. Die türkische Regierung stellt die Souveränität Athens über diese Inseln infrage und fordert den Abzug aller griechischen Truppen.

Baerbock stellte sich klar an die Seite Griechenlands. Dabei sind "nicht alle Teile der türkischen Position völkerrechtlich bizarr", sagte Kristian Brakel im WDR. Er glaubt aber nicht, dass die Außenministerin ihre Position zu offensiv vertreten hat. Es schade nicht, klar zu machen, dass es einen Unterschied zwischen einem EU- und einem Nicht-EU-Staat gebe. Natürlich sei die Solidarität bei dem EU-Staat Griechenland. "Ich glaube, manche Signale muss man für die Verbündeten, wie Griechenland, öffentlich senden."

Dennoch verlief auch der Besuch in Griechenland nicht ganz konfliktfrei. Der griechische Außenminister Dendias kritisierte die deutschen Rüstungsexporte und den Verkauf von U-Booten an die Türkei scharf. "Mit diesen U-Booten ist die Gefahr groß, dass das Kräfteverhältnis im Mittelmeer aus den Fugen gerät", sagte er.

Als weiterer ungelöster Punkt zwischen den beiden Ländern standen bei dem Treffen einmal mehr Griechenlands Forderungen nach Reparationen für die im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Besatzern angerichteten Zerstörungen.

Fortschritte könnte es aber beim geplanten Ringtausch mit Griechenland zur Versorgung der Ukraine mit Schützenpanzern geben.

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