Wie Altkleider-Container zur Todesfalle werden

Stand: 22.11.2022, 13:14 Uhr

Jedes Jahr sterben Menschen bei dem Versuch, an Kleider aus Containern zu gelangen. Am vergangenen Wochenende erst kam ein Mann in einem Container in Rommerskirchen ums Leben. Warum sind die Container so gefährlich?

Von Elisa Sobkowiak

Für viele ist er ein Ort, um alten Ballast loszuwerden. Ballast in Form von tütenweise Jeans, Schuhen oder sogar Gardinen und Bettwäsche. Für andere ist er ein Ort, um Hausmüll abzuladen. Und dann gibt es Fälle, bei denen der Altkleider-Container zur Todesfalle wird.

Am vergangenen Wochenende wurde ein Mann in Rommerskirchen (Rhein-Kreis Neuss) tot in einem Altkleider-Container entdeckt. Die Polizei geht von einem Unfall aus. Im vergangenen Jahr gab es mehrere Fälle in NRW. Unter anderem kam es zu Todesfällen in Düsseldorf und Hilchenbach in Siegen-Wittgenstein. Zwei Männer starben jeweils bei dem Versuch, durch die schmale Öffnung des Containers an Kleidungsstücke zu gelangen.

Wie kommt es zu Unfällen mit Altkleidercontainern?

Wer schon einmal einen Kleidersack in einen Container geworfen hat, kann sich den Hergang der Unfälle in etwa vorstellen. Lagert Gewicht auf der Klappe des Containers, muss es mit der Kraft des Hebels nach hinten gedrückt werden. Ab einem gewissen Drehpunkt der Klappe verlagert sich ihr Gewichtsschwerpunkt – und sie ist nur schwer wieder in die Ausgangsstellung zu bringen. Es sei denn, das Gewicht ist bereits ins Innere des Containers gefallen.

Wer nun mit seinem Arm in die Klappe hineingreift – so tief, dass auch Schulter und Oberkörper auf der Klappe aufliegen – erlebt diese Gewichtsverlagerung am eigenen Leib. Die Öffnung klappt nach hinten. Ohne Hilfe ist es schier unmöglich, sich aus dieser Situation wieder zu befreien. Die meisten Opfer ersticken in dem Container oder erleiden tödliche Quetschungen.

Viele sind sich der Gefahr nicht bewusst

Seit Jahren gibt es immer wieder Unfälle, die mit den Behältern in Verbindung stehen. "Viele Menschen sind sich der Gefahr nicht bewusst. Der Mechanismus ist ihnen nicht klar", vermutet FairWertung-Geschäftsführer Thomas Ahlmann.

Bundesweit gehören 139 Organisationen diesem Dachverband gemeinnütziger Kleiderspenden an, 29 davon sitzen in NRW. Und laut eigenen Angaben versucht FairWertung bereits, das Unfallrisiko zu minimieren – mit Hinweisschildern, die auf "Lebensgefahr" hinweisen. Und einer Telefonnummer, an die sich Menschen wenden können, die aus Versehen Wertgegenstände in die Container geworfen haben.

Welche Container aufgestellt werden, entscheiden die Hilfsorganisationen meist selbst. Der Bundesverband für Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) sagt, den Ausschlag gebe dabei meist das wirtschaftlich attraktivste Angebot. Aber das ist nicht unbedingt das Sicherste.

"In der Vergangenheit hat sich schon einiges getan: Noch vor zehn Jahren haben die Container aus ganz dünnem Blech bestanden. Heute ist die Qualität deutlich besser", sagt bvse-Sprecher Thomas Fischer. Und er sagt auch: "Wir unterstützen alles, womit Unfälle vermieden werden können." Trotzdem müsse sich jedes neue Containersystem auf dem Markt erstmal durchsetzen.

Gibt es einen "ungefährlichen" Sammelcontainer?

Doch gibt es den einen, sicheren Container? Hier kommt Horst Dieter Jobst ins Spiel. Der Unternehmer aus Niedersachsen hat ein Einschubsystem entwickelt, das Unfälle verhindern soll. Er fordert: Die bisherigen Sammelbehälter müssen flächendeckend ausgetauscht werden.

Das Konzept: Altkleidersäcke werden wie bisher in eine Schubklappe gelegt. Die kehrt sich dann aber so nach innen, dass der Innenraum des Containers eine geschlossene Einheit bildet. Es gibt also keinen so großen, offenen Hohlraum wie bei sonst üblichen Containern. Von außen können Menschen also nicht mehr so weit in den Container hineingreifen. Die Gefahr sinkt laut Jobst damit deutlich.

"Man muss die Dinger vom Markt nehmen"

Erste Testphasen hat Jobsts Container bestanden, er wird teils schon ausgeliefert, etwa an das Kolpingwerk. Bei anderen Organisationen und der Politik aber stoße er auf taube Ohren. "Die machen sich keine Gedanken. Wenn man so einen Todesfall sieht, muss man die Dinger doch vom Markt nehmen!", findet der Unternehmer.

Für viele Betreiber hingegen sind die Todesfälle Einzelfälle. Wie viele Unfälle in Containern es aber tatsächlich gibt, ist unklar und wird von den Betreibern nicht erfasst. Auch der Polizei NRW liegen keine validen Daten dazu vor. Alle Container von jetzt auf gleich auszutauschen sei wegen der hohen Kosten nicht machbar, heißt es von den Betreibern.

Die Altkleider-Container an sich hätten sich bewährt. "Über 80 Prozent der Altkleider in Deutschland gewinnen wir über die Container. Mir fällt aktuell kein anderer Weg ein, der ähnlich ertragreich wäre", sagt Thomas Ahlmann von FairWertung.

Für Verbraucher ist das aktuelle Altkleidersystem zudem einfach, bequem und 24/7 verfügbar, argumentieren DRK und bvse.

Was über Altkleider bekannt ist:

  • Nach Informationen des Dachverbands gemeinnütziger Kleiderspenden "FairWertung" werden in Deutschland pro Jahr eine Million Tonnen Kleidung abgegeben.
  • Der überwiegende Teil der Kleidung (700.000 Tonnen) wird gewerblich und kommunal verwertet, ein Drittel von kommunalen Organisationen.
  • FairWertung-Geschäftsführer Thomas Ahlmann schätzt: Etwa 60 Prozent in einem Altkleidersack gehen an Second-Hand-Märkte, 20 Prozent ist Recycling-Material, zehn Prozent wird über Downcycling zu sogenannten Putzlappen (Maler-Vlies, Innenverkleidung von Autos, etc.). Weitere zehn Prozent (mit wachsendem Anteil) seien Müll und Störstoffe.

Was über die Container bekannt ist:

  • Wie viele Altkleidercontainer es insgesamt in NRW oder bundesweit gibt, ist schwierig zu beantworten. Es gibt einen Dreiklang aus caritativen, privatwirtschaftlichen oder kommunalen Trägern, die Sammelstellen anbieten – und die deshalb nicht gebündelt erfasst werden. Thomas Fischer vom bvse aber sagt: "Etwa alle 300 Meter steht in Deutschland ein Altkleidercontainer."
  • Hochwertige Altkleidercontainer sind oft mit einem Siegel ausgezeichnet – beispielsweise einer CE-Zertifizierung. In diesem Fall steht das für „Conformité Européenne“. Sprich: Der Container ist konform mit den geltenden Anforderungen der Europäischen Gemeinschaft.
  • Verbraucher, die seriöse Textilsammlung unterstützen wollen, können auf diese Siegel achten oder sich im Internet informieren – zum Beispiel hier: