Porträt von Basti

Fall 700: "So war meine Affenpocken-Infektion"  

Stand: 17.08.2022, 17:44 Uhr

Zum Zeitpunkt der Ansteckung war Basti (24) weltweit der 700. Fall. Hier erzählt er, wie es sich wirklich anfühlt, Affenpocken zu haben - und warum viele Leute aus Scham die Krankheit verheimlichen. 

Protokoll von Alex Baur

Basti: "Ich habe nicht viel sexuellen Kontakt. Wenn ich mit jemandem etwas habe, dann ist es eine Person, die ich gut kenne und wir legen auch nicht direkt los. Den Mann, bei dem ich mich angesteckt habe, kannte ich schon über ein Jahr lang - auch seine Freunde. Für mich war das ein Indikator: Das ist jemand, dem ich vertrauen kann."

"Irgendwann habe ich auf seinem Penis einen kleinen Punkt entdeckt. Wir konnten das beide nicht zuordnen, dachten zuerst, es wäre HPV. Vier Tage, nachdem wir zuerst etwas miteinander gehabt hatten, habe ich mich im Badezimmer selbst untersucht. Da habe ich die drei kleinen roten Punkte auf meinem Penis entdeckt."  

"Wir haben uns beide dermatologisch untersuchen lassen, seine Diagnose kam zwei Tage vor meiner. Das Ergebnis bei uns beiden: Affenpocken."

Starke Schmerzen  

Affenpocken (Monkeypox/MPX) sind zwar mit den Pocken verwandt, gelten aber als mildere Krankheit. Von der Infektion bis zu den ersten Symptomen dauert es meistens zwischen fünf und 21 Tage. Vor allem die Pocken, die mit einer gräulichen Flüssigkeit gefüllt sind und irgendwann aufgehen, bereiten vielen Erkrankten große Schmerzen. 

Basti: "Zum Zeitpunkt der Diagnose war ich schon nicht mehr fit. Zuerst wurde mir schwindelig. Dann sind die Lymphknoten an meinen Leisten angeschwollen, bis auf die Größe einer kleinen Pflaume. Ich habe blaue Flecken davon bekommen und konnte nicht mehr auf meinem Bauch liegen. Dazu kamen Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Auch auf den Armen und auf meiner Fußsohle haben sich Pocken gebildet. Aus den roten Punkten wurden mit der Zeit Blasen, gefüllt mit einer grauen Flüssigkeit."

"Um die Blasen war alles entzündet. Vor allem die Pocken auf meinem Penis waren schlimm: Ich hatte so krasse Schmerzen - auch noch drei Wochen nach der Ansteckung - dass ich mir Ibuprofen reingepfeffert habe, und der Schmerz trotzdem nicht aufgehört hat. Ich lag dann teilweise im Bett, habe nur geweint und gehofft, dass diese Schmerzen bald aufhören."

"Irgendwann sind die Pocken aufgegangen. Ich hatte offene Fleischwunden am Penis, die geblutet und genässt haben. Meine Unterhosen waren voll mit Blut. Mein Penis war so angeschwollen, dass er an manchen Stellen rot und lila wurde."

 Fall 700: Noch niemand weiß wirklich Bescheid 

"Ich hatte natürlich Panik, habe beim Notdienst angerufen. Aber an zwei aufeinanderfolgenden Tagen wurde mir beide Male die Hilfe abgesagt. Zuerst wurde mir gesagt, man könne sich nicht darum kümmern. Beim zweiten Mal habe ich mit einem Arzt gesprochen. Er meinte zu mir, dass niemand etwas über Affenpocken weiß. Ich bin weltweit erst Fall 700 gewesen und keiner hatte eine Ahnung. Dass ich zuhause liege, weine vor Schmerzen, mein Penis angeschwollen und entzündet ist und mir gesagt wird, man kann mir nicht helfen: Das war frustrierend."

Die Kassenärztliche Vereinigung kommt später zur Einschätzung, dass der ärztliche Umgang mit Basti angemessen war: “Aus der Dokumentation ergibt sich [...], dass eine ärztliche Beratung erfolgte, und [...], dass sich der Patient bereits in fachärztlicher Behandlung befand." Darum sei eine Empfehlung, bis zum nächsten Facharzt-Termin eine Schmerztherapie zu machen, richtig gewesen.  

Die Scham der Infektion 

Basti: "Während ich krank war, habe ich ein Instagram-Video über meine Infektion gemacht. Ich wollte, dass aus meiner Erfahrung Leute lernen können." 

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"Kurz, nachdem ich mein Video auf Instagram hochgeladen hatte, wurde ich von anderen Betroffenen kontaktiert. Ich habe mich insgesamt mit sechs Menschen per WhatsApp über die Krankheit ausgetauscht. Davon gab es einen, der offen damit umgegangen ist, Affenpocken zu haben. Ein Weiterer hat mit seinen Freunden darüber gesprochen - und die anderen vier haben es für sich behalten und das noch nicht mal ihren Freunden erzählt. Ich glaube, das hatte viel mit Scham zu tun."

Gefahr der Stigmatisierung von Betroffenen 

Schon zu Beginn des Affenpocken-Ausbruchs haben Sven Lehmann, der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, aber auch der Lesben- und Schwulenverband LSVD und die Deutsche Aidshilfe vor einer Stigmatisierung gewarnt. Denn: Jeder kann sich infizieren. Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), sind allerdings überproportional oft betroffen. Weil MSM, die häufig den Partner wechseln, derzeit ein höheres Risiko haben, sich zu infizieren, wird ihnen eine Impfung empfohlen. Zwar gibt es noch keine Impfung gegen Affenpocken selbst, wegen der Ähnlichkeit der Viren bieten aber auch Pockenimpfstoffe eine gute Schutzwirkung. 

Kondome schützen nicht sicher: Schon kleinste Hautverletzungen reichen als Einfallstor 

Eine Studie, welche die Übertragung von 528 Fällen zwischen April und Juni 2022 untersucht hat, kam zu dem Ergebnis, dass 95% der Übertragungen auf sexuelle Kontakte zurückzuführen sind. Aber auch durch den Kontakt mit Körperflüssigkeiten, der Bettwäsche oder Handtüchern von Infizierten können sich Menschen anstecken. Laut RKI ist es nach aktuellem Kenntnisstand unwahrscheinlich, dass Affenpocken auch über Aerosole übertragen werden. 

Offene Kommunikation und Wissen über die Krankheit sind wichtig 

Basti: "Für mich persönlich ist das Stigma kein Problem, weil ich weiß, wer ich bin. Wenn jetzt aber gesagt wird, dass sich Affenpocken nur in der homosexuellen Welt verbreiten, weil alle angeblich nur am Bumsen seien, dann finde ich das nicht richtig, denn: Es generalisiert. Ich glaube, es ist trotzdem wichtig, innerhalb der Community zu realisieren: Wir müssen uns informieren, respektvoll miteinander umgehen und offen kommunizieren. Es bockt nicht, diese Krankheit zu haben und es bockt nicht, Leute da mit reinzuziehen."

Alex Baur hat sich Bastis Geschichte ursprünglich für das funk-Format reporter erzählen lassen und dann für WDR aktuell aufgeschrieben. Das Video der ganzen Reportage gibt es hier: 

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